Bildband: "Wirtschaft verstehen"

Konjunkturmixer und Bedürfnis-Wimmelbilder

Mischpult bei Deutschlandradio Kultur
Anhand eines Mischpults erklären die Autoren die Stellschrauben, mit der Wirtschaft beeinflusst werden kann. © Deutschlandradio - Bettina Straub
Von Susanne Billig · 25.11.2016
Wertschöpfung, Kaufkraftentwicklung, Automatisierung – lassen sich hoch abstrakte Themenfelder der Ökonomie auch publikumsfreundlich aufbereiten? Ganz hervorragend - das zeigt der großformatige Bildband "Wirtschaft verstehen" des Grafikers Jan Schwochow und des Wirtschaftsjournalisten Thomas Ramge.
In 111 Infografiken lädt das reichhaltige Buch dazu ein, sich ausführlich mit Handel und Wandel zu befassen.
In acht große Abschnitte fächern die Autoren ihre Inhalte auf. Ganz nah beim arbeitenden und verbrauchenden Menschen fängt die Reise an, wendet sich dann dem einzelnen Wirtschaftsunternehmen zu, taucht in Wachstum und Wettbewerb von Volkswirtschaften und globale Handelsströme ein, gelangt von Aristoteles bis zum Armutsbekämpfer Amartya Sen zu den Philosophien und Theorien der Ökonomie, um anschließend das Verhältnis von Naturverbrauch und Geldverdienen zu beleuchten und im Ausklang einen Blick in die Zukunft des Wirtschaftens zu wagen – unter spannenden Stichworten wie "Smart Factory" oder "Luxury Communism".
Nicht alle Grafiken sind ein Highlight künstlerischer Kreativität. Einige der Bilder geraten arg textlastig und bieten kaum mehr als eine tabellarische Übersicht, ergänzt um grafische Effekte, wenn Schriftgrößen Mengenunterschiede anzeigen oder farbige Flächen Inhalte unterscheiden.

Bedürfnispyramide als Wimmelbild

Doch das trifft glücklicherweise nicht auf die große Mehrzahl der Bilder zu, in denen die Möglichkeiten der Infografik intelligent und einfallsreich ausgereizt wurden.
"Ganz oben dann Yoga" heißt so ein prägnantes Bild. Es zeigt die Bedürfnispyramide des Menschen in Form eines Wimmelbildes. In einem hohen Berg versammeln sich ökonomische Notwendigkeiten und Sehnsüchte des menschlichen Lebens: Messer und Gabel, Bett und Gesetzbuch bilden das Fundament.
Weiter oben geht es um soziale Nähe, Spaziergänge Hand in Hand. Sport und Spaß sind als "Individualbedürfnisse", wie ein Textkasten erklärt, schon in der dünnen Bergspitze angesiedelt. Ganz oben in luftigster Höhe bilden tatsächlich dann Yoga und Mount-Everest-Besteigungen den Gipfel: Persönliche Selbstverwirklichung wird meist erst dann interessant, wenn ein Mensch sonst keine Probleme hat.

Drehregler der Wirtschaft

Geradezu perfekt gelingt Zeichner Jan Schwochow der "Konjunkturmixer" – eine doppelseitige Grafik, die die komplexen Steuerungswege in einer Volkswirtschaft visualisiert.
Was in Worten nur mühsam zu erklären wäre, lässt die eingängige Metapher eines DJ-Schaltpults sofort begreifen. Drehknöpfe, Regler und leuchtende Signale zeigen die Stellschrauben, über die Politik auf Wirtschaft Einfluss nehmen kann: Politiker können die Zahl der öffentlichen Aufträge hochpegeln oder Einkommenssteuern dimmen, sie können Lohnkostenzuschüsse auf Null drehen oder Marktzugänge auf volle Pulle.
Sofort lässt sich erkennen, welche Maßnahmen sich ergänzen und welche zu unschönen Rückkopplungen führen würden: Besser lässt sich Komplexität in Grafik nicht gießen.

Jan Schwochow/ Thomas Ramge: Wirtschaft verstehen – Eine Einführung in 111 Infografiken
Econ Verlag, Berlin 2016
238 Seiten, gebunden, 38,- Euro

Mehr zum Thema