Ukrainische Bibliotheken

Verschwundene Bücher, zerstörte Schutzräume

07:56 Minuten
Zerstörte Bibliothek: Metall ragt in den Raum, in kaputten Regalen stehen noch Bücher.
Auch in Tschernihiw wurde eine Bücherei durch russische Angriffe zerstört. © picture alliance / abaca / Ukrinform / Kotenko Yevhen
Christine Watty im Gespräch mit Vladimir Balzer · 01.06.2022
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Von Dutzenden zerstörten und Tausenden besetzten Bibliotheken berichtet eine ukrainische Mitarbeiterin auf dem Bibliothekskongress in Leipzig. Wie den Bücherhallen im Kriegsgebiet geholfen werden kann, war Thema auf dem Branchentreffen.
„Wir wissen, dass mehr als 60 Bibliotheken zerstört wurden, 4000 sind unter Besatzung, viele sind zerstört, beschädigt, unter Beschuss oder ausgeraubt“, sagt die ukrainische Bibliothekarin Viktoriia Polova. Zwei Bibliotheksmitarbeiter seien getötet worden, nur noch die Hälfte sei anwesend, der Rest befinde sich auf der Flucht.

Minen verhindern Zutritt

Die Mitarbeiterin des Ukrainischen Bibliotheksverbands hat beim achten Bibliothekskongress in Leipzig die Situation der Bibliotheken und Büchereien in der Ukraine geschildert. „Ziemlich dramatische Zahlen“, sagt Kulturkorrespondentin Christine Watty, die vom deutschen Branchentreffen der Bibliothekare berichtet. Orte, „in denen kulturelles Erbe, Wissen“ verwahrt werde „und natürlich auch Räume für Leute, die sich darin aufhalten konnten“, seien möglicherweise zerstört.

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Zweimal musste die Bibliothek in Luhansk schon evakuiert werden, erzählt beispielsweise die Mitarbeiterin Anastasiia Litashova auf dem Kongress. Wie es um die Räumlichkeiten derzeit bestellt sei, wisse sie nicht. Und die Bibliothekarin Olga Dubova berichtet von Minen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes: der Nationalbibliothek für Kinder in Kiew. Die Bibliothek wieder zu öffnen, sei angesichts der Explosionsgefahr nicht möglich.

Bestände schnell digitalisieren

Eigentlich geht es bei dem jährlichen Kongress in Leipzig um die Situation der Bücherhallen und ihrer Mitarbeiterinnen in Deutschland. Nun aber hat der Angriffskrieg Russlands die Situation in der Ukraine in den Fokus gerückt.
Angesichts der Situation beschäftigt die Experten vor allem die Frage, wie das Wissen und kulturelle Erbe in Kriegszeiten geschützt werden kann. Ein wichtiger Punkt dabei: Wie bekommen die Bücherhallen ihre Bestände zurück? Viele ausgeliehene Bücher seien mit den geflohenen Leserinnen und Lesern verschwunden. Und: Wie digitalisiert man schnell noch die Bestände, um Sammlungen zu erhalten? „Da herrscht an vielen Stellen Ratlosigkeit“, so Watty.

Hilfe aus Deutschland

Außerdem wird versucht, auch mittels Hilfe aus Deutschland Bücher außer Landes zu bringen. „Die deutschen Bibliotheken, vor allem die Deutsche Nationalbibliothek und die Staatsbibliothek in Berlin, sind Teil des Netzwerks Kulturgutschutz Ukraine“, sagt Kristin Bäßler vom Deutschen Bibliotheksverband. „Dort werden Hilfsangebote und Hilfsmaßnahmen koordiniert. Da geht es darum, Verpackungsmaterial beispielsweise in die Ukraine zu bringen, damit dort das Kulturgut geschützt werden kann.“
Außerdem werde Arbeitsraum in deutschen Bibliotheken zur Verfügung gestellt und unbürokratische Maßnahmen für Geflüchtete gefunden, sagt Watty. Auch ukrainische Bücher werden in Deutschland bestellt. „Damit sie dann wenigstens hier vorrätig sind für die Menschen, die nach Deutschland kommen.“
(lkn)
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