Beziehungsmodell Polyamorie

Ich will dich und dich - und dich auch

Pralinen in Herzform in einer Schachtel.
Mancher möchte gerne auch außerhalb der Zweierbeziehung etwas Liebe naschen - ohne sich dafür gleich vom Partner zu trennen. © imago stock&people
Von Sonja Bleeker · 17.03.2018
Polyamorie nennt man es, wenn Leute ihre Beziehungen jenseits von Paar-Konstellation und Fremdgehen pflegen: Wer so lebt, führt neben der Hauptbeziehung noch weitere Nebenbeziehungen. Unsere Autorin hat mit praktizierenden Polyamorösen in den USA gesprochen.
"Polyamorie heißt, dass wir alle einander lieben und es miteinander ernst meinen. Alle stimmen dem voll und ganz zu. Es gibt kein Fremdgehen und nichts, was man verheimlichen müsste."
Als Jenny Wilson aus Portland, Maine, ihre ersten Gehversuche in einer offenen Beziehung machte, da war die US-Doku Soap "Polyamory" für sie wie ein Beziehungsratgeber.
"Ich hab mich so gefreut: Ich bin nicht allein! Ich war so mit meinem Leben beschäftigt. Und es gibt sogar ne Serie über Leute wie uns!"

Ihr Partner wollte eine Beziehung mit einer Freundin

Ihr damaliger Partner und Vater ihrer drei Kinder kam eines Tages auf sie zu mit dem Wunsch, eine Zweitbeziehung mit einer gemeinsamen Freundin einzugehen. Jenny fand die Idee gut und ließ sich drauf ein.

"Irgendwann hab ich ihn dann gefragt, wie wäre es, wenn ich auch eine Zweitbeziehung hätte und das fand er schwierig. Da hat er dann ziemlichen Gegenwind bekommen aus der Szene: Du bist nicht wirklich polyamorös, wenn sie nicht auch Beziehungen haben darf."

Kommunikation ist wichtig

Irgendwann hatte Jenny dann sogar drei Partner. Um die aufkommende Eifersucht aller Beteiligten in Grenzen zu halten, gibt es nur ein Rezept, sagt sie: reden, reden, reden!
"Sprich es an! Stell Fragen! Was ist o.k. für dich?"

Die junge Generation ist offen für polyamoröse Experimente

Inzwischen ist die 38-Jährige selbst zur Polyamory-Beziehungsratgeberin geworden. Und die Zahl der Ratsuchenden wächst. Vor allem unter den unter 30-Jährigen. Laut einer Onlineumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov lehnen amerikanische Millenials das Beziehungsmodell weit weniger rigoros ab als andere Generationen.
"Ich glaube, offene Beziehungen passen zum heutigen Lifestyle. Wer keine traditionelle Beziehung will oder zeitlich haben kann, kann so trotzdem Zufriedenheit, Intimität und das Gefühl von Sicherheit haben."

Nach Jahren zur Zweierbeziehung zurückgekehrt

Polyamorie macht es jedoch nicht weniger kompliziert. David Gerrish, ein Bekannter von Jenny, hat es ausprobiert. Es waren seine wilden 20er und 30er. Jetzt ist er 40 und obschon er Monogamie für ein Konstrukt von Staat und Kirche hält, weiß er das Modell der Zweisamkeit inzwischen zu schätzen.
"Es ist einfach unpraktisch! Ich hab viel zu tun. Meine Partnerin und ich, wir arbeiten eng zusammen. Damals hatte ich Zeit, Mädels hinterherzulaufen. Ich hab inzwischen entdeckt, wie viel Potenzial in einer Zweierbeziehung steckt. Sie ist für mich da!"

Ein Beziehungskalender hilft

Jenny weiß genau, was David meint. In mehr als einer Beziehung zu stecken, ist hochgradig kompliziert. Ihre Lösung: ein Beziehungskalender!
"Ich weiß, es klingt lächerlich, aber wenn Du mehrere Partner hast und keinen Plan, wann Du wen siehst, dann wird es schnell chaotisch und der eine fühlt sich benachteiligt oder findet die Zeitaufteilung unfair."

Nicht für jeden gedacht

Nein, gibt Jenny zu, Polyamorie ist sicherlich nicht für jeden gedacht, aber jeder sollte mal drüber nachdenken.
"Die glücklichsten Zeiten in meinem Leben waren die, in denen wir alle zusammen waren. Du zeigst dem einen Deine Zuneigung, drehst dich und zeigst dem anderen, dass du ihn liebst."
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