DDR und China

Handelspartner trotz politischer Krisen

07:23 Minuten
Chinesische Männer udn ein Europäer mit Hut stehen auf der Großen Mauer in China.
Auf der Großen Mauer: Erich Honecker zu Freundschaftsbesuch in China 1986. © picture-alliance / dpa / ADN Zentralbild
Von Andre Zantow · 12.10.2022
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Die politischen und ökonomischen Verbindungen zwischen DDR und China sind von Beginn an eng. Ende der 80er agierte die DDR sogar als Vorreiter der Warschauer-Pakt-Staaten, um das zerrüttete Verhältnis zwischen Sowjetunion und China wieder zu kitten.
Am 1. Oktober 1949 ruft Mao Zedong am Tiananmen-Platz die Volksrepublik China aus. Sieben Tage später erfolgt die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin. Beide Länder erkennen sich sofort als souveräne Staaten an und nehmen wenig später – am 25. Oktober 1949 – offizielle diplomatische Beziehungen auf, was die Bürger schnell merken.
„Ich bin 1951 geboren. Ich habe also Kindheitserinnerungen, und in diese Kindheitserinnerungen gehört China in dieser Zeit ganz selbstverständlich folgendermaßen dazu: Es gab Literatur, Kinderbücher und Romane aus China. Es gab ein fantastisches Kinderbuch: Das eiserne Büffelchen“, erinnert sich Wolfram Adolphi. Er ist heute Publizist. Früher hat er an der Humboldt-Universität zu China geforscht.
Die Volksrepublik war auch im Alltagsleben präsent. „Wenn Sie jemand treffen, der über die 50er-Jahre redet und sie fragen, sagen die: Wir hatten chinesische Handtücher“, sagt Adolphi. Außerdem habe es chinesische Konserven, chinesischen Wein und Bleistifte gegeben, „so Dinge des Alltags.“

DDR stellt sich auf Seiten Moskaus

Aber die Völkerfreundschaft mit China kam ins Stocken in den 1960er-Jahren, durch das „chinesisch-sowjetische Zerwürfnis“. Mao wollte den revolutionären Kampf in der Welt weiterführen.
Chruschtschow richtete sich eher in den entstanden Blöcken ein, wollte China nicht bei der Entwicklung von Atomwaffen unterstützen und hielt Mao für gefährlich. Die DDR sprang Moskau bei.

Mao Zedong und seine Gefolgsleute haben die Kommunistische Partei Chinas und die Volksrepublik China selbst international isoliert.

Erich Honecker auf dem SED-Parteitag 1967

Der Bruch war zwar auch im DDR-Außenhandel mit China spürbar, aber man arrangierte sich, erinnert Dietrich Lemke. „Natürlich, wenn man mal zum Essen eingeladen war in die Botschaft, da war das Foyer voll mit Anschuldigungen gegen die Sowjetunion und ihre aggressiven Ziele. Aber da ging man gemessenen Schrittes vorbei und ansonsten wurde Prost gesagt, also: Gambe!“
Politik und Handel trennen, das war ein Credo von Dietrich Lemke, heute 89 Jahre. Zum Ende der DDR war er stellvertretender Außenhandelsminister.
An seinen ersten China-Besuch 1964 erinnert er sich noch ganz genau. Schließlich hatte er eine „ganz schwierige, peinliche Aufgabe“. Ein halbstaatliches DDR-Unternehmen hatte 1000 Analyse-Wagen zur Gewichtsmessung in Laboratorien und Kliniken in die Volksrepublik geschickt, die durch eine mangelhafte Verpackung beschädigt waren.

Verhandlungskunst der Chinesen

Lemke sollte die Schäden kleinreden, die Reklamation ablehnen. Erfolglos: „Ich hatte etwas gelernt in China. Ich hatte chinesische Geduld und Verhandlungskunst kennengelernt.“ Die Chinesen beherrschten auch die Kunst, dem Partner das Gesicht zu lassen, erzählt Lemke.
Geschickt sei auch Chinas Vorstoß in den 1970er-Jahren gewesen, als sie anregten, den russischen Rubel als Verrechnungswährung durch eine „moderne Währung“ abzulösen.
„Es war natürlich für die Chinesen ein politisches Ziel, vom Russischen wegzukommen“, so Lemke. Das sei politisch „unappetitlich“ gewesen. Die DDR konnte darauf nicht offensiv eingehen, aus Rücksicht gegenüber Moskau. Wochen mit geheimen Gesprächen vergingen.
„Das damalige Finanzministerium der DDR schlug vor, wir sollten erstmal die Russen fragen, worauf viele andere mit dem Zeigefinger auf die Stirn tippten. Eines Tages habe ich meinem Partner mitgeteilt, ob sie den Schweizer Franken für eine moderne Währung halten?“
Sein chinesischer Verhandlungspartner, der den Wechsel angeregt hatte, wartet und notiert offiziell den Wunsch der DDR, auf Schweizer Franken umzustellen. Von der chinesischen Initiative keine Spur mehr.
Die Umstellung erfolgt und der erfolgreiche Handel geht weiter: Die DDR lieferte Werkzeug-Maschinen, Kräne, LKW, Eisenbahnwagen, Schiffsmotoren – allgemein viele Produkte aus Elektrotechnik und Maschinenbau – und importierte aus China Rohstoffe, die es sonst nur im Westen gegeben hätte: „Molybdän, Silikate, landwirtschaftliche Erzeugnisse: Sojabohnen, Sojaschrot. In zunehmendem Maße Baumwollgewebe und Erzeugnisse.“

China und DDR gegen Perestroika

Ab den 1980er-Jahren baute die DDR ihre Wirtschafts- und vor allem die diplomatischen Beziehungen zu China aus. Die Sowjetunion war erstarrt, in China leitete Deng Xiaoping Reformen ein, und im Oktober 1986 reiste Erich Honecker zum Staatsbesuch nach Peking.

Ich freue mich über den erfolgreichen Verlauf meines Besuches in der Volksrepublik China und denke, er hat unsere Parteien, Staaten und Völker einander nähergebracht.

Erich Honecker

In den 1980er-Jahren wurden Studenten-, Wissenschafts- und Arbeitskräfte-Austausch-Programme aufgelegt. Ein Direktflug von Berlin nach Peking war geplant. Politisch verbündeten sich die KP Chinas und die SED gegen die Perestroika-Politik des neuen Sowjet-Führers MichailGorbatschow. Der wollte freie Wahlen, Rechtsstaat und Gewaltenteilung, was von Ost-Berlin und Peking als Angriff auf die Grundlagen des Sozialismus verstanden wurde.
Das Tiananmen-Massaker in Peking – die Niederschlagung der Studentenproteste am 4. Juni 1989 mit je nach Schätzung Hunderten bis Tausenden Toten – war die Nagelprobe für die politischen Beziehungen. Während Staaten wie Ungarn sich distanzierten, unterstützte die DDR das brutale Vorgehen.

Die Abgeordneten der Volkskammer stellen fest, dass in der gegenwärtigen Lage, die von der Partei und Staatsführung der Volksrepublik China beharrlich angestrebte Lösung innerer Probleme infolge der gewaltsamen, blutigen Ausschreitungen verfassungsfeindlicher Elemente verhindert worden ist. In Folge dessen sah sich die Volksmacht gezwungen, Ordnung und Sicherheit unter Einsatz bewaffneter Kräfte wiederherzustellen.

Volkskammer vom 8. Juni 1989

Fünf Monate später ist die DDR-Volkskammer Geschichte. Die DDR-Führung ruft nicht zu den Waffen, um die Revolution brutal niederzuschlagen. Auch das Angebot aus Peking, mit Arbeitern aus China die Abwanderung aus der DDR zu kompensieren, erreichte die Führung offenbar nicht.
Das Ende der DDR war für die Kommunisten in Peking aber kein großer Verlust. Hatten sie doch längst ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum Westen stark ausgebaut.
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