Bewertungssystem "Zonar"

Zalando-Mitarbeiter klagen über "Klima der Angst"

07:41 Minuten
Junge Frauen arbeiten an Computern in der Firmenzentrale von Zalando in Berlin (Gestellte Szene).
Immer lächeln, sonst droht eine schlechte Bewertung: Bei Zalando sollen sich die Beschäftigten gegenseitig beurteilen. © picture alliance/Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Philipp Staab im Gespräch mit Julius Stucke · 20.11.2019
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Top-Kollege, gerne wieder? Bei Zalando sollen sich Mitarbeiter gegenseitig bewerten. In einer Studie kritisieren Beschäftigte das System. An die Ratings seien Entscheidungen über Beförderungen und Gehälter gekoppelt, sagt der Soziologe Philipp Staab.
Sterne verteilen, liken und Bewertungen schreiben – wo Menschen heute als Konsumenten handeln, da wird alles ganz genau beurteilt: das Restaurant, ein Hotel, die neuen Turnschuhe. Beim Online-Modehändler Zalando sollen sich allerdings auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine Software gegenseitig bewerten. In einer neuen Studie über das interne Rating-System namens "Zonar" kritisieren Beschäftigte dieses Praxis. Sie sprechen beispielsweise von einem "Klima der Angst" bei Zalando und von "Stasi-Methoden".
Einer der Autoren der Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung ist der Soziologe Philipp Staab von der Berliner Humboldt-Universität. Über zwei Jahre haben er und ein Kollege die Erfahrungen mit der Software "Zonar" begleitet, Gruppen- und Einzelinterviews mit Beschäftigten geführt.

Sehr gut, mittel, Low Performer

Die Software basiere im Kern darauf, dass sich Kollegen auf der gleichen Hierarchiestufe gegenseitig beurteilen, erklärt Staab. "Diese Bewertung werden genutzt, um die Belegschaft in drei Gruppen einzuteilen, nämlich sozusagen die sehr Guten, die Mittleren und die Low Performer", wie es in der Sprache heiße. An diese Einteilung seien Entscheidungen über Beförderungen und Gehälter zumindest ein Stück weit gekoppelt.
Der Soziologe betont, dass er selbst nicht von "Stasi-Methoden" sprechen würde, sondern dass es sich dabei um ein Interview-Zitat handle. Aber solche Aussagen kämen in der Studie zu Wort, da sie die Konflikte zeigen, die in der Belegschaft im Zusammenhang mit "Zonar" aufkämen, sagt Philipp Staab. Beschäftigte hätten beschrieben, "dass man eigentlich permanent auf der Hut sein muss, weil man davon ausgehen muss, dass jede Handlung, die man in der Arbeit macht, immer irgendwie beobachtet wird von einem Kollegen oder einer Kollegin, die das vielleicht auch negativ in Form einer Bewertung ausdrücken könnte."
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten außerdem kritisiert, dass sie nicht wüssten, wie ihre Bewertungen, sogenannte Scores, zustande kommen.

Zalando weist Kritik zurück

Das Unternehmen Zalando hat die Studie als nicht repräsentativ kritisiert – es sei nur ein sehr kleiner Teil der Beschäftigten befragt worden. Philipp Staab sagt dazu, dass das Studienergebnis nicht allein auf den Interviews beruhe. Er berichtet zudem, wie schwierig es gewesen sei, Beschäftigte mit einer positiven Meinung über "Zonar" ausfindig zu machen: "Wir haben zum Beispiel uns sehr bemüht, auch mal jemanden zu finden, der das ganz, ganz toll findet. Und das ist uns erstaunlich schwer gefallen."
Staab hält es für möglich, dass ein Bewertungssystem wie bei Zalando auch mehr Zustimmung von Beschäftigten bekommen könne. "Kooperative Technikgestaltung" sei hier das wichtige Stichwort. In der Vergangenheit seien immer wieder neue Technologien in der Arbeitswelt eingeführt worden. Und indem die Beschäftigten einbezogen wurden, wie eine neue Technologie implementiert und angewendet wurde, habe man Zufriedenheit und eine große Zustimmung geschaffen. "Nicht nur im Sinne, dass man erzählt, was jetzt kommt", sagt Staab, "sondern dass man sie richtig in der Ausgestaltung dieser Art von Technologien beteiligt."
(jfr)
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