Bewegung "Extinction Rebellion"

Ästhetik der Katastrophe oder katastrophale Ästhetik?

Nahaufnahme einer Frau mit weiß geschminktem Gesicht und rotem Kostüm.
Nähe zum Volkstheater? – Die "Red Rebel Brigade", die im Zuge von"Extinction Rebellion" mit protestiert. © picture alliance/Katerina Sulova/CTK/dpa
Daniel Hornuff im Gespräch mit Shanli Anwar · 14.10.2019
"Extinction Rebellion" tritt einerseits als Bewegung von unten auf, andererseits gibt sie sich im Design hochprofessionell. Eine Gratwanderung, sagt Daniel Hornuff. Denn das untergrabe ihr Selbstverständnis und mache sie ästhetisch austauschbar.
Raben und Totenköpfe vor neonfarbigem Hintergrund, die markante stilisierte Sanduhr, Symbol für die davonrinnende Zeit: Das Design von "Extinction Rebellion" ("XR") ist morbide, emotional, auffällig und im Gegensatz zu der Ästhetik von "Fridays for Future" ("FFF") hochprofessionell gemacht.
Daniel Hornuff, Professor für Theorie und Praxis der Gestaltung in Kassel, spricht einerseits von einer "Ästhetik der Katastrophe, des totalen Endes", andererseits komme sie sehr glatt und professionalisiert daher, sogar angepasst und gewöhnlich. * Die sozialen Medien seien beim Protest bereits mitgedacht. Die Aktivisten planten beim Protest die Postproduktion mit und versuchten, die Bewegung medial elegant auszurichten.

Verschiedene Bewegungen gleichen sich ästhetisch an

Die Protestformen von "XR", wie etwa das Besetzen von Kreuzungen, seien laut Hornuff nicht ungewöhnlich oder überraschend. Bei den Aktionen auf öffentlichen Plätzen herrsche "Volks-" oder "Amateur-Theaterstimmung". "XR" verstehe sich als "Graswurzelbewegung", also als eine Bewegung "von unten", das professionelle Design konterkariere diese Intention jedoch.


Hornuff, der auch ein Buch über das Design der Neuen Rechten geschrieben hat, erkennt in der Ästhetik von "XR" Parallelen zur "Identitären Bewegung", auch wenn ihre Ziele verschieden sind. "´Extinction Rebellion` führt vor Augen, wie sich unterschiedlichste Protestformen ästhetisch anzugleichen beginnen", sagt er. "Im Grunde genommen werden diese Bewegungen in ihrem Drang, ihr Design zu professionalisieren, ästhetisch austauschbar." Es mangele an Signalen der Abgrenzung und das werde zum Problem: "Wenn die Bewegungen auf einer ästhetischen Oberfläche austauschbar werden, fällt es den Bewegungen auch umso schwerer, ihre inhaltlichen Ziele zu kommunizieren."
Eine Flagge mit dem Logo der Klimabewegung "Extinction Rebellion" weht im Wind vor dem Bundesministerium für Umwelt.
Protest der Klimabewegung "Extinction Rebellion" vor dem Bundesministerium für Umwelt in Berlin.© picture alliance/dpa/Fabian Sommer

Professionelles Design, ohne aufzufallen

Bei "Fridays for Future" hingegen sei der Designwille nicht eindeutig ersichtlich. Hornuff spricht von einer starken Gratwanderung der Protestbewegungen: Einerseits müssten sie sich ästhetisch und medial professionalisieren, aber ohne diese Professionalisierung in den Vordergrund zu stellen, weil sie sich damit den Vorwurf einhandeln, nur reines Marketinginteresse zu verfolgen.
"Die Professionalisierung als ein amateurästhetisches Vorhaben in den Vordergrund zu stellen – das ist eigentlich die Designaufgabe, die bei solchen Bewegungen zu beobachten ist", sagt Hornuff. "Den einen gelingt es überzeugender, den anderen weniger."
(leg)
*Wir haben einen Satz gelöscht, der auf eine missverständliche Aussage unseres Interviewpartners zurückging.
Mehr zum Thema