Betrug am chinesischen Hof und im deutschen Ländle

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack |
"Der Fluch der Goldenen Blume" ist ein bildgewaltiges Historiendrama mit monumentalen Schlachtszenen und unglaublichen Martial Arts-Sequenzen. Der Film zeigt die Ränkespiele und Intrigen am kaiserlichen Hof während der chinesischen Tang-Dynastie. Betrügereien ganz anderer Art präsentiert der Dokumentarfilm "Die Hochstapler", in dem Berufsgauner ganz ungeniert von ihrer Arbeit berichten.
"Der Fluch der Goldenen Blume"
China 2006. Regie: Zhang Yimou. Darsteller: Gong Li, Chow Yun Fat, Jay Chou, Liu Ye, Chen Jin, Ni Dahong, Li Man, Qin Junjie

Historiendrama von Zhang Yimou (Buch und Regie), einem der bekanntesten und erfolgreichsten chinesischen Filmemacher überhaupt. Yimou, Jahrgang 1950, ist Oscar-Preisträger (2003 für "Hero"), erhielt 1994 in Cannes den Jury-Spezialpreis für "Leben!", gewann zweimal den "Goldenen Löwen" von Venedig ("Die Geschichte der Qiuju" 1992 und für "Keiner weniger"/1999), bekam den "Silbernen Löwen" für "Rote Laterne" (1991), erhielt für seinen Debütfilm "Rotes Kornfeld" auf der Berlinale von 1988 den "Goldenen Bären", schuf weitere renommierte, weltweit beachtete und ausgezeichnete Filme wie "Judou" (1990), "Happy Times" (2001) sowie "House of Flying Daggers" (2004), ein phantastisches Abenteuer-Melodram, mit Peking-Oper-Touch und klasse Martial Arts-Duellen.

Viele seiner Filme, anklagende Parabeln über Autorität und Willkür, unterlagen lange Zeit Aufführungsverboten der chinesischen Behörden; gleichzeitig aber wurden sie auf Internationalen Festivals gezeigt und trugen damit stark zur Reputation des modernen chinesischen Kinos bei. Inzwischen haben sich Zensur und Künstler "arrangiert", folgerichtig wurde Zhang Yimou, der ehemalige Dissident, als Chefregisseur für die Eröffnungs- und Schlussfeierlichkeiten der Olympischen Spiele von Peking 2008 bestimmt.

In seinem neuen Werk bekommen die Sinne "Futter" ohne Ende: Denn so viel Kino gab es wohl noch nie wie hier in diesem opulenten Schmachtfetzen. Er spielt im China des 10. Jahrhunderts, in der Zeit der Tang-Dynastie, einem Zeitalter des Prunks und der totalen Prachtentfaltung, wo gerade die Vorbereitungen zum pompösen Blumenfest im Gange sind. Blickt dabei hinter die Kulissen des Machtzentrums, hinein in den privaten "Apparat" der Macht, erzählt von Intrigen, Korruption, Machtkämpfen, handelt von köstlich-ausschweifender Dekadenz. Sozusagen: Shakespeare trifft auf das Seifenoper-China: Liebe, Eifersucht, Machtgier, abgrundtiefer Hass inmitten wahnsinnig betörender Dekorationen.

Der dämonische Kaiser vergiftet seit Jahren nach und nach seine zweite Frau mit vermeintlicher Medizin; die Gattin weiß davon, kann sich aber nicht auflehnen; pflegt dazu ein "inniges" Verhältnis mit einem ihrer Stiefsöhne. Der wiederum plant den kriegerischen Umsturz, während seine zwei Brüder eigene Komplotte aushecken. Die rebellische erste Frau des Kaisers, von allen tot gewähnt, taucht auf und vervollständigt schließlich das höfische Drama, aus dem es kein Entrinnen gibt. Denn alle hier sind im Grunde Gefangene im Netz der Tradition, befinden sich wie eingesperrt in einem goldenen Käfig, agieren wie Rädchen in einer tödlichen Maschinerie.

Der Cinemascope-Schauwert ist enorm und einmalig; die Schwertkämpfe einmal mehr exzellent choreographiert. Ninja-Kämpfer fliegen schwerelos durch malerische Gebirgsschluchten, an der Entscheidungsschlacht haben über tausend Soldaten der chinesischen Volksarmee als Statisten mitgewirkt. Im darstellerischen Mittelpunkt dabei der inzwischen längst auch in Hollywood angekommene etablierte Hongkong-Star Chow Yun Fat ("The Replacement Killers"/1998, wo er Til Schweiger nach 45 Sekunden erschießt; "Anna und der König"/1999 mit Jodie Foster; "Tiger & Dragon") sowie der internationale China-Star Gong Li (neulich "Hannibal Rising"; "Miami Vice"; "Die Geisha", "2046").

Über allem aber thront der totale Bilderrausch, der faszinierende Dauer-Augenschmaus mit dieser geradezu unglaublichen Farben-Pracht-Optik, mit diesen überwältigenden, gigantischen, monumentalen Bauten, mit diesen prächtigen Kostümen sowie mit dieser fein-tückischen Giftpfeil-Geschichte (nach dem alten chinesischen Sprichwort "Eine Fassade aus Gold und Jade, aber darin krabbeln die Spinnen" hintergründig illustriert). Wirklich: Ein 1 A-Spektakel der Extra-Klasse; eine Kintopp-Verwöhn-Show der absoluten Spitzenqualität!


"Die Hochstapler"
Deutschland 2006. Regie: Alexander Adolph. Mitwirkende: Torsten S., Marc Z., Peter G., Jürgen H. Länge: 84 min.

"Die Hochstapler" ist der Debütfilm des Münchners Alexander Adolph (Jahrgang '65). Der absolvierte nach einem Studium der Rechtswissenschaften das erste und zweite bayerische juristische Staatsexamen. Bereits während des Studiums entstanden Hörspiele und Features (für Radio Bremen und den Südwestfunk). Seit 1995 ist Alexander Adolph als freier Autor, Journalist und Regisseur in München tätig. Als Autor - für u.a. die ARD Tatort-Krimi-Serie hat er sich dabei einen guten Namen gemacht; besonderes Aufsehen erregte die Reihe "Unter Verdacht", die er für das ZDF entwickelt hat.

Für seine Drehbücher bekam er u.a. zwei Adolf-Grimme-Preise (zum Beispiel 2002 für "Tatort: Im freien Fall") und den Deutschen Fernsehpreis (2003 "Unter Verdacht - Eine Landpartie"). Seit 2002 arbeitet er auch als Dozent an der Internationalen Filmschule Köln, der HFF München sowie an der Filmakademie Baden-Württemberg.

Dieser lange biographische Vorlauf ist wichtig, um seinen exzellenten ersten Kinofilm einordnen zu können: Es handelt sich dabei um einen ganz außergewöhnlichen Dokumentarfilm, der sich nach dem wahren Motto richtet: Die spannendsten Kinogeschichten - siehe auch "Die Kinder von Golzow" - handeln meistens von "ganz normalen" Menschen, wie hier.

Gegensätzlicher könnte der filmische Empfehlungs-Kontrast in dieser Kino-Premieren-Woche gar nicht sein: Eben noch das gewaltige Historien-Epos, jetzt der vergleichsweise "kleine" innere Blick auf einheimische Betrüger und deren Opfer; auf tatsächliche Manipulation, Gier, Trickserei, auf eine geradezu unglaubliche Hochstapelei von Gaunern und Kriminellen, die bereitwillig, beängstigend intelligent und "ruhig" vor der Kamera ihr Lug- und Betrug-Dasein ausbreiten.

"Die Hochstapler" ist ein spannendes, informatives, mitteilsames 88 Minuten-Kammerspiel, vermittelt einen haarsträubenden, unglaublich anmutenden Hinter-die-Kulissen-Blick um lustvoll-kriminelles "Nehmen" und mitunter gieriges "Geben"(-Wollen). Was hier zum Vorschein kommt, besitzt auch so etwas wie eine charmant-verblüffende Dramaturgie hollywoodschen Drehbuch-Ausmaßes, entpuppt sich aber als "irgendwie normales" Vorkommnis aus deutschem Betrüger-Alltag. Dabei erzeugt "Die Hochstapler" solch einen faszinierend spannenden Sog, der mit herkömmlichen Interview-Filmen wenig zu tun hat.

Alexander Adolph hat mit seinen vier "Protagonisten" Auskunft gebende Täter gefunden, die ebenso tiefe wie erstaunliche, mitunter geradezu "komische" und dabei offensichtlich wahre Einblicke in ihre Seele geben. Und dadurch eben wirklich so bestürzend real rüberkommen. Die Fiktion von Kino wird hier aufgehoben. Das Mit- und dann vor allem das Nachdenken ist hier höchst unterhaltsam wie ergiebig. Einer der erstaunlichsten wie überzeugendsten deutschen Dokumentarfilme der letzten Zeit.
"Die Hochstapler": Jürgen, Marc, Peter und Torsten
"Die Hochstapler": Jürgen, Marc, Peter und Torsten© Majestic Film Verleih
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