Berliner Verwaltung tut sich mit Fremdsprachen schwer

Wir können alles - außer Englisch?

Eine Frau geht an einem Separée vorbei, in dem eine andere Frau telefoniert
Im Berliner Coworking-Büro Mindspace arbeiten viele ausländische Unternehmer © Alexander Heinl/dpa
Von Manfred Götzke · 07.11.2018
Jedes zweite Unternehmen in Berlin wird von einem Ausländer gegründet. Dem macht die Verwaltung das Arbeiten schwer. Denn wichtige Formulare gibt es nur auf Deutsch. Das muss so sein, sagt die Stadt. Englisch ist schließlich keine Amtssprache.
"Du kannst hier zehn Minuten rumlaufen, du wirst kein Wort Deutsch hören, selbst wenn es Deutsche sind." Naveed Prasad schreibt noch eine letzte Mail in seiner Glasbüro-Wabe im Mindspace an der Berliner Friedrichstraße. Vor ihm, in der Gemeinschaftslounge des Co-Working-Space, nippen schon die ersten an ihrem Feierabend-Craftbeer und quatschen – natürlich auf Englisch.
"Wir haben unser Unternehmen ja auch deswegen hier in Berlin gegründet – wegen dieser internationalen Umgebung. Auch weil wir hier genügend englischsprachige Mitarbeiter einstellen können."

Der Staat informiert über Unternehmensformen nur auf Deutsch

Umso mehr hat den indischen Unternehmer verwundert, wie schnell er mit der Weltsprache in der Weltmetropole an Grenzen stößt - sobald es um Behördliches geht. "Ich wollte wissen, was sind die einzelnen Schritte, um hier in Deutschland ein Unternehmen zu gründen, was sind die Unterschiede zwischen UG und GmbH, was ist das richtige für mich? Noch nicht mal das gibt es auf Englisch. Zwar gibt es dazu irgendwelche Blogs. Aber keine offiziellen, staatlichen Informationen, denen ich vertrauen kann."
Vor ein paar Monaten hat der 31-jährige IT-Experte mit einem indischen Geschäftspartner ein Unternehmen gegründet, das kleine Startups mit den großen Risikokapitalgebern zusammenbringen will. Er war davon ausgegangen, dass er das ohne Hilfe von deutschen Muttersprachlern hinbekommt.
"Aber die meisten Dokumente gibt es nur auf Deutsch und ich meine, es geht da um rechtliche Dinge, da ist jedes Wort entscheidend. Selbst wenn man ein bisschen Deutsch versteht ist man damit völlig aufgeschmissen." Prasad hat irgendwann aufgegeben, sein Unternehmen selbst anzumelden. "Zum Glück habe ich hier deutsche Freunde, die selbst Gründer sind, die haben mir zumindest sagen können, wer mir weiter helfen kann, zum Beispiel ein Notar, der Englisch spricht. Von da an hat es dann geklappt."

Jede fünfte Beratung der IHK findet auf Englisch statt

Henrik Vagt von der Berliner Industrie- und Handelskammer bekommt diese Beschwerden schon seit Jahren zu hören. Er hat für die IHK untersucht, was die Verwaltung auf Englisch anbietet und was nicht: "Bei den staatlichen Stellen sind die Einstiegsseiten und einzelne Informationen zum Teil in Englisch, aber weitergehende Infos und vor allem die Formulare sind nur in deutscher Sprache verfügbar. Und dann haben sie das Problem, dass auch gerade in den Behörden, die Möglichkeit, eine englischsprachige Beratung zu bekommen, nicht vorhanden ist."
Das sei einigermaßen peinlich, meint Vagt. Zumal Berlin sich ja so gerne mit seinem exzellenten "Gründer-Ökosystem", wie er es nennt, brüstet. Und weltweit um Startups wirbt.
"Wir werben die an und wir brauchen die auch. Gerade in Berlin ist der Anteil an Migranten, die gründen, besonders hoch. Wir wissen, dass über 40 Prozent von Gründungen in Berlin von Ausländern gemacht werden und bei uns in der IHK findet schon jede fünfte Beratung auf Englisch statt. Das muss auch von der Verwaltung berücksichtig werden"

Stadt Berlin dürfe keine Formulare auf Englisch anbieten

Christian Rickerts, Staatssekretär für Wirtschaft, lässt das so nicht gelten. Formulare könne man gar nicht auf Englisch anbieten, schließlich sei die Amtssprache auch in Berlin deutsch. "Es gibt auch viel Bundesregelungen, an die wir uns halten müssen, und damit müssen wir letztendlich umgehen, dass wir trotz der Amtssprache Deutsch Unterstützung geben."
Rickerts verweist da – unter anderem – auf den so genannten "Einheitlichen Ansprechpartner": Ein Unternehmensservice des Senats. Hier könnten sich Gründer auch auf Englisch informieren und beraten lassen. "Sie können dort telefonisch oder per Mail Kollegen erreichen, die mit ihnen dann auf Englisch sprechen und Unterstützung anbieten. Ungefähr vier Prozent der Kontakte laufen da auf Englisch. Dass es dort Verständigungsprobleme gibt, ist nicht bekannt."
Doch sobald man auf der Seite des Unternehmensservice auf das Online-Registrierungsportal klickt, erscheint der Hinweis: "The application process willl be in German only. You are about to leave the translated English pages"

Agenturen füllen Dokumente für Startup-Unternehmer aus

Ana Mineva hat trotzdem versucht, ihr Startup für ein Geschenke-Portal dort anzumelden. Und ist: Gescheitert. "Ich wollte mein Gewerbe da online anmelden und habe stundenlang alles mit Google-translate übersetzt, die Dokumente irgendwie ausgefüllt. Aber ich hatte dann Angst, Fehler zu machen, entscheidende Fehler. Am Ende zahlt man dann mehr für Bußgelder, als würde man es von einer Agentur erledigen lassen."
Schließlich hat die bulgarische IT-Unternehmerin eine solche Agentur beauftragt, die sich um die Gewerbeanmeldung gekümmert hat. Über 1000 Euro hat sie das gekostet. "Das hat mich sehr geärgert, ich weiß ja eigentlich wie das geht, ich habe das in meinem Heimatland auch schon mal gemacht. Ich meine, es muss doch eigentlich möglich sein, diese ganzen Formulare auch auf Englisch online zu stellen!"
Doch selbst wenn man die Formulare – mit oder ohne Hilfe – ausgefüllt hat, enden die Probleme nicht, erzählt der Unternehmer Naveed Prasad. Denn natürlich kommt jedes Schreiben der Verwaltung ebenfalls auf Deutsch. Prasad klappt seinen Laptop auf, öffnet ein Dokument. "Wir haben dann zum Beispiel das hier bekommen, es fängt ja schon damit an, dass ich das nicht aussprechen kann ‚Gewerbeanmeldung‘. Wir hatten keine Ahnung was das jetzt genau ist! Also es würde schon sehr, sehr helfen, wenn solche Schreiben für uns Ausländer auch mit einer Übersetzung kommen würden."
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