Berliner Schlittschuh-Club

Tradition am Puck

05:28 Minuten
17 Eishockeyspieler posieren auf dem Eis in zwei Reihen für das Mannschaftsfoto. Auf der Brust tragen sie das runde Wappen des Berliner Schlittschuh-Clubs.
Die Mannschaft des deutschen Rekordmeisters Berliner Schlittschuh-Club spielt in der fünften Liga, der Landesliga Berlin. © Berliner Schlittschuh-Club
Von Sven Crefeld · 02.04.2023
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Ein Rekordmeister, der in der untersten Liga spielt – das gibt es hierzulande in keinem anderen Mannschaftssport. 19 Titel hat der Berliner Schlittschuh-Club und spielt inzwischen in der Landesliga. Nun feiert der Verein sein 130-jähriges Bestehen.
Ein Eishockeyspiel tief im Westen von Berlin, gleich neben dem Olympiastadion. In der fünften Liga – weiter nach unten geht es nicht. Hier jagen lupenreine Amateure den Puck.

Die "Blues" spielen heute in der Landesliga Berlin

Heute spielen die „Blues“, ein junger Verein, der hoch hinaus wollte, aber jetzt in der Realität angekommen ist, und die heißt Landesliga Berlin. Der Gegner der „Blues“ allerdings ist ein Klub, den jeder Eishockey-Fan kennt – dem Namen nach.

Der Schlittschuh-Club feiert in diesem Jahr sein 130-jähriges Bestehen. Auf dem Trikot der Berliner Bär mit goldener Krone, dazu die „kaiserlichen“ Farben Schwarz, Weiß, Rot. Alter Eishockey-Adel.

Bis 1982 in der Bundesliga

19 deutsche Meistertitel. Mitglied der Bundesliga bis 1982, dann riesige Schulden, Rückzug vom Spielbetrieb, neue Anfänge, wieder Scheitern. Schließlich ging sogar der ruhmvolle Name verloren – aber bei den Fans lebte er weiter.

Seit 2020 steht der Berliner Schlittschuh-Club erneut im Vereinsregister, die Namensrechte wurden zuvor der insolventen Tennis-Abteilung abgekauft. Zwei Männer-Teams treten in der Stadtliga an, 80 Kinder spielen im Nachwuchs, Tendenz steigend.

Letzte Meisterschaft vor 47 Jahren

Woher kommt diese ungebrochene Treue zu dem alten Wappen und dem Spitznamen „Club“ – in einer Stadt, in der doch längst die Eisbären im Eishockey die Nummer Eins sind und keine Konkurrenz haben.
"Ja, die Tradition, das Feeling ganz einfach. Ich gehe seit 1974 zum Eishockey, damals beim Schlittschuh-Club. Ich war fünfeinhalb Jahre. Mein Papa hat immer erzählt, ich habe zwei Meisterschaften miterlebt. Kann sein, habe ich gesagt, ich kann mich nicht mehr dran erinnern."
Sagt Karsten Dallmann, der Präsident des Vereins.
Er hat alle Höhen und Tiefen im West-Berliner Eishockey als Fan mitgemacht – die vorerst letzte Deutsche Meisterschaft des Schlittschuh-Clubs 1976, den Aufstieg und Fall des Nachfolgers BSC Preussen. Der verschwand in den Nullerjahren nach Insolvenzen und Namensänderungen in der Versenkung.
Spieler und Trainer des Berliner Schlittschuh-Club feiern den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1974 mit dem Sieg über den Augsburger EV.
Ein Bild aus einer erfolgreicheren Zeit: Spieler und Trainer des Berliner Schlittschuh-Clubs feiern den Gewinn der Deutschen Meisterschaft 1974. © dpa / picture alliance / Edwin Reichert

Aus Fehlern anderer Vereine lernen

Danach war es ein Projekt für Karsten Dallmann und seinen Mitstreitern, den Schlittschuh-Club wieder zu beleben. Die in anderen Berliner Vereinen gemachten Fehler wollen sie vermeiden:

Wir müssen nicht unbedingt jetzt sofort gleich Regionalliga, Oberliga oder DEL spielen, das müssen wir nicht. Wir wollen jetzt wirklich ganz gemächlich von unten nach oben aufbauen. Wir haben eine superstarke Laufschule jetzt in den letzten zweieinhalb Jahren aufgebaut. Wir arbeiten daran, in weiteren Altersklassen natürlich nächste Saison weiter durchzustarten. Und wir sind auf einem superguten Weg.

Karsten Dallmann, Präsident des Berliner Schlittschuh-Clubs

Der Verein bietet auch Darts und Kindertanzen an

Mit inzwischen 480 Mitgliedern im Schlittschuh-Club, der neben dem Eissport noch Darts und Kindertanzen anbietet. Sehr gefragt sind auch bei den Fans anderer Vereine die Mützen und Schals des Klubs. Die Tradition ist ein wertvolles Pfund für die Zukunft, das hilft dem Schatzmeister Daniel Klement beim Anwerben von Sponsoren.

"Jeder weiß, wer der Schlittschuh-Club ist oder der Berliner Schlittschuh-Club. Der Name allein, der hat so eine Reichweite, da braucht man momentan noch nicht wirklich anklopfen gehen. Natürlich spielt da immer eine gewisse Vorsicht mit, weil der Verein hat ja auch eine Vergangenheit, die auch mit Insolvenz zu tun hatte."

Marco Rentzsch hört wohl auf

Einer mit großer Vergangenheit spielt beim Schlittschuh-Club seine wohl allerletzte Saison: das Berliner Idol Marco Rentzsch. Viele Jahre Verteidiger der „Preussen“, Bundesliga- und Nationalspieler, WM-Teilnehmer, mit 57 Jahren immer noch auf dem Eis. Dass er jemals das Trikot mit dem schwarzen Bären tragen würde, hätte er nie gedacht:

"Überhaupt nicht, überhaupt nicht! Ich habe ja erst 1976 mit dem Eishockey angefangen. Ich bin also im Wedding groß geworden und habe dann die Preußen besucht im Eisstadion Wedding und bin zu denen hingegangen und habe dann immer natürlich, klar, im Nachwuchs die ganzen Berliner Duelle gespielt, gegen den Berliner Schlittschuh-Club, weil die hatten ja auch Nachwuchs. Aber es war für mich nie irgendein Ziel und irgendein Sinn, mit Charlottenburg irgendwas zu tun zu haben."

Die Perspektiven des Schlittschuh-Clubs

Heute wohnt und arbeitet Marco Rentzsch nur fünf Minuten entfernt von der Eishalle am Glockenturm im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Er wollte seine Karriere in der zweiten Mannschaft des ECC Preussen ausklingen lassen, aber auch der ging pleite. Rentzsch wechselte mit dem gesamten Team zum Schlittschuh-Club – seiner achten Berliner Station.
Marco Rentzsch hat im Eishockey so ziemlich alles erlebt. Deshalb betrachtet er den neuen Aufschwung im Westen von Berlin mit größter Nüchternheit ...

"... weil alles, was Schlittschuh laufen kann, in jedem Verein, von den Eisbären rübergezogen wird. Du wirst keine riesengroßen Talente hierherbekommen. Wir werden in dieser Halle nie Zweite-Liga-Eishockey sehen. Das wird nicht funktionieren. Wir kriegen in Berlin keinen hin, der sagt, okay, ich geb jetzt einfach mal zig Hunderttausende, weil ich euch so toll finde. Und dann werdet ihr irgendwo aufsteigen, aufsteigen, aufsteigen. Ich glaube es nicht, dass der Schlittschuh-Club irgendwann mal höher kommt."

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