Berliner Pantoffelhersteller

Hier kommt man in die Puschen

Reno Jünemann posiert am 25.03.2014 in Berlin mit Pantoffeln in seiner Werkstatt des Berliner Traditionsgeschäfts Jünemanns Pantoffeleck.
Vor rund zehn Jahren übernahm Reno Jünemann das Geschäft von seinem Vater Günter. © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Nadja Baschek |
Weltkrieg, Wirtschaftskrise, Wende: Das Geschäft von Pantoffelhersteller Reno Jünemann hat schon schwierige Zeiten überstanden und ist inzwischen das einzige seiner Art in Berlin. Ein Anlaufpunkt für Kunden, die traditionelle Handarbeit schätzen.
In der Werkstatt der Jünemanns wird eifrig gearbeitet.
"Ich stanze die Sohlen für unsere Pantoffeln aus. Laufsohlen, Brandsohlen, Keile. Alles, was zum Pantoffel gehört, wird hier ausgestanzt."
Eigentlich ist Günter Jünemann Rentner, im Winter hilft er aber immer noch in der Werkstatt des Familienbetriebs aus. Vor rund zehn Jahren übernahm Sohn Reno das Geschäft. Stolz steht er in der Werkstatt, präsentiert die alten Geräte, mit denen hier noch gearbeitet wird.
"Die Stanze ist von 1936, die ist also mittlerweile 82 Jahre alt. Der Vorteil ist, dass das eigentlich reine Mechanik ist."

Zwicken, leimen, klopfen

Die ausgestanzten Brandsohlen muss er nun "zwicken". Von Hand natürlich. Dazu stülpt Reno Jünemann das Pantoffelblatt aus Filz auf den Leisten, die geleimte Sohle kommt auf die untere Seite. Dann klopft er mit einer Zange darauf.
"Ich hab Orthopädieschuhmacher gelernt nach der Schule, bin dann hier eingestiegen, Papa hat mich eingestellt und dann hab ich im Grunde ein Jahr lang intensiv gelernt, wie man Pantoffeln macht."
Etwa zehn Minuten braucht das Team für ein Paar Pantoffeln. Wenn es hochkommt, arbeiten sie zu fünft hier, wobei nicht alle Mitarbeiter zur Familie gehören. Reno Jünemann geht an die Durchnähmaschine, ein massives Gerät aus den 50ern:
"Der Vorteil ist: Die ist fast unkaputtbar. Die kriegt jeden Abend ihren Tropfen Öl und Gute-Nacht-Küsschen und ist am nächsten Tag wieder gut gelaunt."
Pantoffeleck in Berlin-Mitte: Günter Jünemann (75) an der Stanzmaschine, dort werden die Sohlen ausgestanzt.
Günter Jünemann an der Stanzmaschine, dort werden die Sohlen ausgestanzt.© imago / Sabine Gudath

Traditionelle Handarbeit bei Kunden beliebt

Mit dickem Faden vernäht er die Sohle mit dem gezwickten Pantoffel. Der Faden wird dabei durch klebriges Pech gezogen, damit der Pantoffel nicht auseinanderfällt. Seine Kunden schätzen die traditionelle Handarbeit, sagt er:
"Heute hören wir das immer wieder, dass die sagen: 'Mann, machen Sie das bloß weiter!' Und: 'Es ist so toll, dass Sie das noch machen.' Ja, das macht einen schon n bisschen stolz."
Früher, als sein Urgroßvater das Geschäft gründete, gab es viele Pantoffelmacher, erzählt Jünemann. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es in Berlin noch etwa 50 schätzt er. Nach der Teilung starb das Handwerk im Westen aus, die Pantoffelmacher erweiterten ihre Geschäfte. Anders war es in der DDR.
"Zu DDR-Zeiten haben die Leute hier angestanden. Vom Laden bis 100 Meter zur nächsten Ecke standen die Leute hier Weihnachten an, um ein Paar Pantoffeln zu kriegen. Das war natürlich nach der Wende nicht mehr."
Heute sind die Jünemanns die letzten ihrer Art in Berlin.
"Wir haben's überstanden, mit ein bisschen Glück und Enthusiasmus. Und ich glaube auch, weil wir ein Familienbetrieb sind, sonst hätten wir schon lange zumachen müssen."

Alle schweren Zeiten überstanden

Denn es gab immer wieder schwere Zeiten: Weltkrieg, Wirtschaftskrise, Wende.
"Es hatte jede Generation ihr Päckchen zu tragen und ich wollte eigentlich nicht der sein, der in der vierten Generation den Laden zumacht."
Heute kosten die Pantoffeln und Hausschuhe 16 bis 23 Euro. Reich wird man damit nicht, sagt Reno Jünemann, aber zum Leben reicht es. Mit der Jahrtausendwende hätten die Kunden langsam das Geschäft wiederentdeckt. Ihnen sei es wichtig, zu wissen, woher die Produkte kommen. Auch wenn die Familie nicht "auf der Bio-Welle reitet", wie er sagt.
Die Stoffe bezieht er aus Spanien und Italien, es sind vor allem Filz und Polsterstoffe, die er verwendet. Viele Modelle sind einfarbig: dunkelrot, grün, grau. Aber ein Modell verkaufe sich am besten.
"Bei uns ist dieses orange-braun-karierte, dieses Kamelhaarmuster, das ist unser Klassiker. Wir nennen ihn Klassiker, weil das das einzige Muster ist, das uns die ganzen 110 Jahre begleitet."

Orange-braun-kariert ist der Klassiker

Wenn die Klingel in der Werkstatt läutet, ist Kundschaft da. Mitarbeiterin Petra Minaoui geht nach vorn. Ein junges Paar steht im Ladenraum. Mit großen Augen schauen sie auf das volle Regal hinter der Ladentheke, in dem sich die Pantoffel stapeln. Der Mann zeigt auf ein Paar, probiert die Schuhe an. Seine Freundin entdeckt währenddessen die schwarz-weißen Familienfotos an der Wand.
Die beiden sind aus Israel für die Berlinale angereist. Das kleine Geschäft im Souterrain scheinen sie zufällig entdeckt zu haben. Der Mann wird fündig, er kauft ein Paar Hausschuhe. Und welches Modell? Den Klassiker: orange-braun-kariert.
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