Berlinale 2016

Das deutsche Kino kriegt die Krise

Von Patrick Wellinski · 02.02.2016
Einige Filme über die Flüchtlingskrise und nur ein deutscher Wettbewerbsbeitrag - das bietet die kommende Berlinale. Die Kritik daran weist Patrick Wellinski zurück. Er wäre nicht erstaunt, wenn es schlicht nicht mehr als einen würdigen Film aus Deutschland gäbe.
Es ist die 15. Berlinale, die Festivalchef Kosslick zu verantworten hat. Der Helmut Kohl der Festival-Landschaft setzt auf Kontinuität. An zehn Tagen werden in Berlin über 400 Filme gezeigt. Darunter auch das erste Werk aus Saudi-Arabien. Einem Land, in dem das Kino verboten ist.
Der Blick in die arabische Welt dominiert das Programm quer durch alle Sektionen. Auch die weltweite Migrationsbewegung wird so zu einem roten Faden. Der italienische Regisseur Gianfranco Rosi zeigt im Wettbewerb eine Dokumentation über Lampedusa und der kurdische Filmemacher Bahman Gobadi hat in einem türkischen Flüchtlingslager seine Kamera Kindern in die Hand gedrückt, damit diese ihre Geschichten erzählen.
Zentrale Themen: Flucht und Ankommen
Die Richtung ist klar: Kino, das von Flucht und Ankommen erzählt. Damit will die Berlinale ihrem Nimbus als politischstes aller Filmfestivals gerecht werden. Aber: Die gesellschaftlich relevanten Stoffe in allen Ehren, lange blieb in den letzten Jahren dabei die Filmkunst auf der Strecke.
Seit das Kuratoren-Team der Berlinale auf markige Festival-Mottos und skurrile Schwerpunkte verzichtet, hat sich auch an dieser Front etwas getan. Und so sieht der internationale Wettbewerb, für Kosslick-Verhältnisse, fast schon radikal aus. So sollte der Film des Filipinos Lav Diaz mit seinen acht (!) Stunden Laufzeit eine wahre Seh-Herausforderung werden. Aber auch ein verfilmter portugiesischer Briefroman, ein Science-Fiction-Thriller aus Amerika oder ein dokumentarisches Essay über den internationalen Cyber-War versprechen die üblichen Sozialdramen im Berlinale-Palast zu verdrängen.
Jenseits der Berlinale spielt deutsches Kino keine Rolle
Erwähnenswert ist, dass mit dem Abtreibungsdrama "24 Wochen" der Erfurter Regisseurin Anne Zohra Berrached lediglich ein deutscher Film im Kernstück des Festivals vertreten ist. Doch den Vorwurf einer höheren deutschen Präsenz sollten die Festival-Betreiber ignorieren. Gehen sie doch billiger Quotenprogrammierung aus dem Weg. Und vielleicht ist die Tatsache, dass man nur einen würdigen Wettbewerbsfilm ausgemacht hat, einfach auch ein Abbild der Kreativkrise des deutschen Kinos, das jenseits der Berlinale fast keine Rolle mehr spielt.
Mehr zum Thema