"Mr. Marathon"
Ohne ihn wäre der Berlin-Marathon nicht möglich geworden: Horst Milde. © Imago / Norbert Wilhelmi
Der Mann, der Berlin das Laufen beibrachte
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Horst Milde gilt als Initiator des Berlin-Marathons. Er entwickelte viele Laufveranstaltungen - auch den ersten Marathon 1974 in der geteilten Stadt mit rund 300 Teilnehmern. Bei der Jubiläumsauflage werden nun mehr als 50.000 Teilnehmer dabei sein.
Als ich Horst Milde Anfang September bei sich zu Hause treffe, ist er an einem sonnigen Sommermorgen gerade vom Laufen gekommen. Jeden zweiten Tag dreht der Berliner emsig seine Runden durch die umliegenden Parks.
„Im Alter muss man sich bewegen. Man muss nicht rennen, aber bewegen musst Du Dich.“
Haben ihm Ärzte empfohlen. Aber das weiß er auch selbst. Das Laufen begleitet den früheren Mittelstreckenläufer über 800 und 1.000 Meter sein ganzes Leben. An der Uni läuft und trainiert er auch in einer Sportgruppe.
„Wir waren sehr gut an der Freien Universität mit Mittel- und Langstrecklern gesegnet. Ich bin dadurch auch zum Mittelstreckler geworden - nicht Weltklasse, aber mittlere deutsche Spitzenklasse.“
Ein Crosslauf vor dem ersten Berlin-Marathon
Nachdem die Unisportgruppe an einem Crosslauf in der nordwestfranzösischen Stadt Le Mans teilgenommen hat, möchte Horst Milde auch in Berlin einen Crosslauf organisieren. Am 8. November 1964 ist es soweit.
"Wir hatten statt 50, 60, 70 Teilnehmern, die damals bei Waldläufen üblich waren, plötzlich 700. Das war eine Sensation. Das war praktisch die Großmutter des Laufsports in Berlin."
Milde initiiert zahlreiche Laufwettbewerbe
Der damalige Volkslaufwart des Berliner Leichtathletik-Verbandes will mehr. Er schaut sich um, wie Laufveranstaltungen woanders organisiert werden und denkt sich immer neue Wettbewerbe aus: Volkslauf, Volksgehen, Volkswandern, Volksmarsch. Die Berliner Bevölkerung wird aufgefordert mitzumachen. Und die Berliner machen mit.
„Man bekam von den Behörden damals immer die Aussage, also ihr Läufer gehört in den Wald, aber nicht auf die Straße.“
Davon lässt sich Horst Milde nicht beeindrucken. Er hört von Bekannten, dass es in New York einen Marathonlauf durch die Stadt gibt. Außerdem bekommt er als Vertreter des Leichtathletik-Verbandes mit, dass die französischen Alliierten Anfang der 80er-Jahre einen Lauf durch die Innenstadt planen.
Erster Marathon durch die Westberliner City 1981
Die sogenannten „25 Kilometer de Berlin“ sind 1981 der erste City-Lauf in Westberlin. Was die Franzosen können, möchte ich als Berliner auch, denkt sich der Laufenthusiast.
Er hat sich in den Kopf gesetzt, den ersten Marathon durch die Westberliner City auf die Beine zu stellen. Und so schreibt er einen Brief an den damaligen Polizeipräsidenten der Stadt, Klaus Hübner.
„Ich weiß von Insidern, als der Brief ankam, gab es die Reaktion 'da kommt der verrückte Milde, der will jetzt auch durch die Stadt rennen'.“
Was er mit Hilfe eines Westberliner Journalisten, der ihm den Kontakt zu John Kornblum herstellt, seinerzeit politischer Berater der US-Vertretung in Westberlin, schließlich auch tatsächlich in die Tat umsetzen kann.
"Er fragte, was haben Sie für Schwierigkeiten? Ich habe ihm gesagt, ich darf da nicht am Checkpoint Charlie vorbeilaufen. Damit die Diplomaten da durchfahren, ist das eben gesperrt. Dann sagte der, wir Amerikaner werden das schon regeln. Am Abend rief mich die Botschaft an, Herr Milde, es wird am Checkpoint Charlie ein amerikanischer Offizier stehen, auf der einen Seite, auf der anderen Seite ein Polizeioffizier, und wenn wirklich jetzt Diplomaten kommen, dann halten die kurz den Lauf, das Auto fährt durch, und die Sache ist geritzt."
1990 kam es zum ersten Gesamtberliner Marathon
Am 27. September 1981 ist die Grünfläche vor dem Reichstag Ausgangspunkt für etwa 3.500 Läuferinnen und Läufer, die am ersten Marathon durch Westberlin teilnehmen.
1990, drei Tage vor der Wiedervereinigung, führt der Lauf erstmals durch beide Teile der Stadt. Und: Was für alle Starterinnen und Starter bis heute immer wieder ein emotionaler Moment ist, durchs Brandenburger Tor.
Die Veranstaltung lebt vor allem von der Atmosphäre an der Strecke.
„Ein Dankeschön an die Berliner Zuschauer, die da stundenlang an der Strecke stehen und die Läuferinnen und Läufer anfeuern. Das ist eine der Ursachen, dass dieser Lauf so bekannt, ich will nicht sagen, ja auch weltberühmt ist.“
Der Marathon als Gesamtkunstwerk
Dieses ganz besondere Flair wird auch wieder Ende September zum 50. Geburtstag des Berlin-Marathons zu spüren sein. 30 Jahre hat Horst Milde den Wettkampf für Profis und Amateure als Renndirektor organisiert.
Ein Gesamtkunstwerk, weil es ja nicht nur das Laufen der 42 Kilometer umfasst, sondern es umfasst Jugendläufe, Kinderläufe. Ein Gottesdienst, Literatur-Marathon. Das sind nur kleine Ausschnitte. Insofern ist es eine Veranstaltung, die die Stadt zum Laufen bringt.
Seit 2004, also nun mehr auch schon wieder 20 Jahre, ist Horst Mildes Sohn Mark für die Organisation verantwortlich. Für seinen Vater, der heute Ehren-Race-Direktor des Rennens ist und ihn, wird der 29. September mit der Jubiläumsauflage des Berlin-Marathons sicherlich ein ganz besonderer und auch ein emotionaler Tag werden.