Bergsteigen 2023

Der schmale Grat zwischen Rekord und tödlichem Drama

23:42 Minuten
Berg K2 in Pakistan
Der Tod eines pakistanischen Bergträgers am K2 löste in diesem Jahr heftige Diskussionen aus. © Imago / Robert Harding
Von Ernst Vogt · 17.12.2023
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Triumphe und lebensgefährliche Aktionen lagen in diesem Bergsteigerjahr nah beieinander. Am K2 in Pakistan starb ein Hochträger, weil offenbar niemand Hilfe leistete. In Peru schaffte ein Bayer eine Erstbegehung.
Jubiläumsjahr am Mount Everest: Vor 70 Jahren wurde der höchste Gipfel der Erde erstmals bestiegen. Vom Neuseeländer Edmund Hillary und seinem Sherpa Tenzing Norgay.

Edmund Hillary: „Ich war nicht so aufgeregt, wie man sich das hätte vorstellen können. Tenzing und ich waren letztlich schon überrascht, dass gerade wir es geschafft hatten. Ich glaube nicht, dass wir bessere Bergsteiger waren als die Teilnehmer vorhergehender Expeditionen, aber wir waren stark motiviert und körperlich fit. Und hatten auch ein bisschen Glück, das Wetter, das man braucht, zum rechten Zeitpunkt zu haben. Das ist wichtig.“

Der Mount Everest als Modeberg

70 Jahre nach der Erstbesteigung ist der Mount Everest zu einem Modeberg geworden. Die Zahl der Aufstiegsaspiranten wächst von Jahr zu Jahr, sagt Billi Bierling, die Leiterin der Himalayan Database in Kathmandu.
Billi Bierling: „Die Everest-Saison 2023 war eine Rekordsaison. Es wurden noch nie so viele Genehmigungen ausgegeben: 478. Der vorherige Rekord war 2021 mit 408.“
Ohne Genehmigung dürfen die hohen Berge in Nepal nicht bestiegen werden. Die sogenannten Permits für die Expeditionen gelten als zuverlässige Einnahmequelle für den Himalaya-Staat. Aber auch in der Unfallstatistik war dieses Jahr ein besonderes – im negativen Sinne.
"Wir müssen leider auch das tödlichste Jahr am Mount Everest bezeichnen. Es mussten 18 Menschen ihr Leben lassen, es gab 616 Gipfelerfolge."

Die Erfolgsquote am Mount Everest steigt

Auf der einen Seite steigt die Erfolgsquote am 8.848 Meter hohen Gipfel, dank der professionellen Arbeit der Sherpas. Die Aufstiegsspur wird vorbereitet und mit Stahlseilen gesichert. Und die Sherpas begleiten ihre Kunden bis zum Gipfel und wieder zurück.
Doch auf der anderen Seite wissen nicht alle Bergsteiger, wie man Steigeisen trägt oder mit einem Eispickel umgeht.
Billi Bierling stellt fest:

Im Jahr 2023 hat das Level der fehlenden technischen Fähigkeiten an hohen Bergen einen Höhepunkt erreicht. Die Leute kommen immer unvorbereiteter. Es liegt wohl auch daran, dass mehr und mehr Leute schreiben, wie leicht es doch ist. Da fehlt inzwischen so ein bisschen der Respekt vor den Bergen.

Billi Bierling, Leiterin der Himalayan Database

Reinhold Messner, der 1978 den Mount Everest als Erster zusammen mit Peter Habeler ohne Sauerstoffmaske bestiegen hat, wertschätzt die Arbeit der Sherpas. Aber er sieht in der Anlage der Aufstiegsspur und der Seilversicherung bis zum Gipfel eine wesentliche Erleichterung für die Aspiranten.

„Durch diese Pisten, die jetzt gebaut werden, ob auf den Everest, den Manaslu, den Nanga Parbat wird dieser Berg völlig banalisiert. Es wird nicht mehr in Eigenverantwortung gestiegen, sondern es wird zuerst präpariert - versehen mit Sauerstoffdepots, Lagern, Köchen, Ärzten, Bergführern. Sie sind alle schon vor Ort, wenn der große Strom kommt von denen, die im Reisebüro eine Buchung gemacht haben: Everest-Basislager zum Gipfel und wieder zurück.“

Der Weltrekord der Norwegerin Kristin Harila

Rekorde und lebensgefährliche Aktionen lagen im Bergsteigerjahr 2023 sehr nah beieinander. Die höchsten Gipfel im Himalaya sind teilweise zu Rekordschauplätzen geworden, mit großer Faszination und hohen Risiken.
Schlagzeilen gemacht hat die Bestleistung der norwegischen Bergsteigerin Kristin Harila. Am 27. Juli hat die 37-jährige auf dem Gipfel des K2 ihren Weltrekord vermeldet: alle 14 Achttausender in drei Monaten und einem Tag geschafft zu haben.
Die Bergsteigerin Kristin Harila aus Norwegen
Kristin Harila erreichte auf dem K2 ihren Weltrekord.© dpa / picture alliance / Aryan Dhimal
Der Nepalese Nirmal Purja hatte vor vier Jahren mehr als doppelt so lange gebraucht, nämlich sechs Monate und sechs Tage.

Die Himalaya-Expertin Billi Bierling sagt, man könne die Leistung der Norwegerin nicht mit ihren Vorgängerinnen wie der österreichischen Höhenbergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner vergleichen, die keinen zusätzlich mitgeführten Sauerstoff verwendet hat.

„Die Kristin hat Flaschensauerstoff genommen. Sie hatte Tenjen Lama dabei, einen sehr starken Sherpa. Sie ist zwischen den Basislagern mit dem Helikopter geflogen. Aber ich ziehe meinen Hut vor ihr. Ich finde, sie ist körperlich wahnsinnig stark - und vor allem mental.“

Empörung wegen fehlender Hilfe für Bergsteiger

Doch der Erfolg der Norwegerin wird getrübt durch den Tod des 27-jährigen pakistanischen Hilfsträgers Muhammad Hassan. Dieser war zur selben Zeit am K2, dem zweithöchsten Berg der Erde.
Am sogenannten Flaschenhals, einer besonders gefährlichen Stelle, war er offenbar ausgerutscht und mit den Füßen kopfüber im Seil hängen geblieben.
Er wurde zwar wieder hochgezogen, aber letztlich starb Muhammad Hassan an der Unglücksstelle auf circa 8000 Meter Höhe. Es gibt Videos, die zeigen, wie Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel über den Verunglückten steigen.

Viele, die die Bilder sahen, reagierten empört.
Extremkletterer Alexander Huber aus dem Berchtesgadener Land sagt:

„Dass tatsächlich 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70 Leute darübersteigen - das ist schockierend.“

Huber hat eine ähnliche Situation vor einem Jahr am Shivling in Nordindien erlebt, konnte dort aber das Leben des höhenkranken Basecamp-Managers retten.

Kein Bergretter vor Ort

Das große Drama um Muhammad Hassan war – so Alexander Huber – dass an jenem Tag kein starker Bergsteiger beziehungsweise Bergretter vor Ort war.

„Wenn jemand Hilfe braucht, dann hat man alles in Bewegung zu setzen, um dieses Leben zu sichern. Das hätte natürlich bedeutet, wenn irgendjemand von uns dort angekommen wäre, der hätte sich darum gekümmert. Für alle Nachkommenden wäre die einzig logische Konsequenz gewesen: Alle müssen absteigen. Alle müssen schauen, dass wir den runterbringen.“

Eine ähnliche Einschätzung gibt der erfahrene Achttausendermann Reinhold Messner.

Ich will niemanden einen Vorwurf machen, aber dass Menschen über einen sterbenden Bergsteiger hinwegsteigen und nicht stehen bleiben, um zu helfen, weil jeder denkt: Es kommen noch 50 hinter mir. Da fehlt einfach die Empathie.

Reinhold Messner

"Bergsteiger waren auf Gipfelsturm konzentriert"

Auch der offizielle Bericht der Untersuchungskommission zum Unfallhergang kann durchaus kritisch verstanden werden.
Dort heißt es:

„Alle Bergsteiger waren nur auf ihren lang ersehnten Gipfelsturm konzentriert, alle Expeditionsmitglieder hatten einen Tunnelblick, so dass sich nur wenige darauf konzentrierten, ihn zu retten, aber es war dafür auch schon ziemlich spät.“

Für den verunglückten Hochträger, einen dreifachen Familienvater, war es die erste Achttausenderexpedition. Außerdem sei er unzureichend ausgerüstet gewesen.

Ein Drama mit tödlichem Ausgang.

Die Frauen und Männer, die an der Unglücksstelle vorbeigegangen waren, feierten auf dem Gipfel ihren Erfolg. Kristin Harila war am Ziel: eine neue Bestleistung, alle 14 Achttausender in 92 Tagen erklommen zu haben.

"Das ist ein Pyrrhussieg"

Alexander Huber sieht es kritisch:

„Kristin Harila mit ihrem Rekord, das ist ein Pyrrhussieg, auch wenn natürlich gesagt wird, dass sie versucht hat zu helfen, aber am Ende hat sie sich doch für den Gipfel entschieden. Ich kann nur sagen: So funktioniert das Bergsteigen nicht.“

Der Südtiroler Bergführer Hanspeter Eisendle, der selbst an mehreren Achttausendern unterwegs gewesen war, analysiert:

Mit diesem zufälligen Tod des Hochträgers hat sie sich ihr selbstgestelltes Lebenswerk fast kaputt gemacht. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war viel mehr fokussiert auf diese Tragödie als auf ihren Weltrekord.

Der Bergführer Hanspeter Eisendle

Rekordjagd am Berg.

Selten wurde das der Öffentlichkeit so drastisch vor Augen geführt wie am 7. Oktober an der Shisha Pangma, 8027 Meter hoch.

Zwei Amerikanerinnen am selben Berg unterwegs nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“.

Mehrere Tote bei der Jagd nach Rekorden

Anna Gutu und Gina Marie Rzucidlo wollten in der Rangliste ganz oben stehen. Es ging um den Titel: Wer hat als erste Amerikanerin alle 14 Achttausender bestiegen.

Billi Bierling, die Leiterin der Himalayan Database, resümiert:

„Gina hatte alles in allem sieben Sherpas und war nur noch mit Tenjen Lama Richtung Gipfel unterwegs. Sie waren schon kurz unterhalb des Gipfels und haben an der Seite eine Lawine runtergehen sehen. Sie wussten nicht, dass Anna Gutu und Mingmar Sherpa auf dem Weg Richtung Gipfel waren und hatten keine Ahnung, dass diese Lawine drei Menschen weggespült hat. Der zweite Sherpa konnte sich dann befreien. Anna Gutu und Mingmar Sherpa sind ums Leben gekommen. Und kurze Zeit später weiter oben nochmal eine Lawine, die Gina Marie und Tenjen Lama in den Tod gerissen hat.“
Billi Bierling
Billi Bierling ist Leiterin der Himalayan Database.© Archiv Bierling

"Ein Rekord ist eine gefährliche Geschichte"

Die bittere Bilanz dieses sinnlosen Wettbewerbs: vier Tote im Endspurt zum Gipfel. Die beiden Protagonistinnen und zwei Spitzen-Sherpas, darunter derjenige, der die neue Weltrekordlerin Kristin Harila auf alle Achttausendergipfel begleitet hatte.

Reinhold Messner und Billi Bierling sind sich einig.

Messner: „Es ist in einer Situation unter Druck passiert, weil es um einen Wettbewerb, um Konkurrenz und vor allem um Rekorde ging. Ein Rekord ist immer eine gefährliche Geschichte.“
Bierling: „Da werden die Risikofaktoren nicht mehr ganz berücksichtigt. Man geht mehr Risiken ein, weil man die oder der Erste sein will.“

Hätten sich die beiden Konkurrentinnen zusammengetan, wäre möglicherweise die Lawinengefahr realistischer eingeschätzt worden. So haben Lawinen auf diesem höllisch gefährlichen Normalweg zur Shisha Pangma die Träume der beiden Amerikanerinnen zerstört.

Gipfelrekorde als "Ausdruck von Fantasielosigkeit"

Hanspeter Eisendle, der charismatische Kletterer und Bergsteiger aus Sterzing, hält Gipfelrekorde gar für bedeutungslos.

„Für mich persönlich ist das ein Ausdruck von Fantasielosigkeit. Auf dem gleichen Weg immer schneller zu sein, ist zwar sehr beeindruckend und eine sportliche Höchstleistung, aber bringt den Alpinismus als kreative Bewegung nicht weiter.“

Welche Auswüchse das Thema „Rekorde“ annehmen kann, zeigte sich in der Debatte um Reinhold Messners 14 Achttausender. Der deutsche Bergchronist Eberhard Jurgalski behauptet, dass Messner und seinem Seilpartner Hans Kammerlander fünf Höhenmeter zum Gipfel der Annapurna gefehlt hätten.
Das Guinnessbuch der Rekorde hat Messner daraufhin den Titel aberkannt, als Erster alle 14 Achttausender bestiegen zu haben. Reinhold Messner konterte, dass er nie einen Rekord beansprucht hätte, und dass man ihm deshalb auch keinen aberkennen könne.

Der Wert Rekord gehört nicht zum traditionellen Bergsteigen. Ich werde alles tun, um nie mehr in irgendeinem Guinnessbuch zu stehen, weil das mit meinem Bergsteigen nichts zu tun hat. Mehr noch: Es ist ein absoluter Widerspruch.

Reinhold Messner

Für Billi Bierling von der Himalayan Database – die so etwas wie die Bibel der Achttausenderchronisten ist - haben die fünf Höhenmeter, noch dazu in einer Zeit ohne GPS, keine Relevanz.

„Die erste Person, die alle 14 Achttausender bestiegen hat und noch dazu ohne Flaschensauerstoff, ist Reinhold Messner. Da gibt es für mich überhaupt keine Debatte. Ich denke, dass man gerade bei den Bergen nicht so präzise handeln kann wie bei einem 100-Meter-Lauf im Stadion.“
Die Extrembergsteiger aus den Alpenländern haben sich längst von den höchsten Gipfeln der Erde verabschiedet. Zu groß der Trubel. Von Bergeinsamkeit keine Spur mehr. Sie suchten hingegen anspruchsvolle Gipfelziele abseits der Massenaufstiege.

Alexander Hubers Erstbegehung in Peru

Eindrückliche Fotos wie der Stau an einer Schlüsselstelle am Mount Everest schrecken ab. Alexander Huber, der Jüngere der Huberbuam, schaffte eine Erstbegehung in Peru. Zusammen mit seinem Schweizer Kletterpartner Dani Arnold gelang ihm eine neue Linie durch die Ostwand des Yerupaja, 6635 Meter hoch.

„Der Yerupaja ist ein sehr anspruchsvoller Gipfel. Felsklettermäßig war es der absolute Hammer. Wir haben besten Fels vorgefunden. Wir sind da nur mit mobilen Sicherungsmitteln Seillänge für Seillänge raufgeklettert, haben an einem Tag 20 Seillängen erstbegangen und sind am oberen Ende dieser großen Kalkwand auf dem Grat angekommen, haben dort auch unser Biwak bezogen.“
Alexander Huber und Danie Arnold an einer großen Kalkwand am Yerupaja in Peru
Alexander Huber und Dani Arnold an einer großen Kalkwand am Yerupaja in Peru© Alexander Huber
Dort war Schluss. Fragwürdige Eisgebilde, bis zu 80 Meter hoch, mit riesigen Eiszapfen an den Seiten machten ein Weitergehen zum Gipfel unmöglich. Für das Extremkletter-Duo eine Frage der Sicherheit.

Eine Frage der Sicherheit ist immer eine Frage des Überlebens in solchen Gebirgen der Welt. Der Yerupaja hat 6.500 Meter und mehr - und gerade in der Cordillera Huayhuash ist man ganz alleine unterwegs. Diesbezüglich kann man sicher sagen: Dort darf man sich keinen Unfall erlauben. Da gibt es keine Flugrettung.

Bergsteiger Alexander Huber

Der Extrembergsteiger, der zu den erfolgreichsten der Welt zählt, verzichtete auf den Gipfel des Sechstausenders. Aber er fühlte sich bei seiner Kletterexpedition in Peru am richtigen Ort.

„Wir sind die einzigen Bergsteiger in der ganzen Gebirgsgruppe - und am Everest staut es sich vom Basislager bis zum Gipfel. Wir genießen es einfach, in der Natur zu sein, uns mit dem Berg auseinanderzusetzen - und nicht zusammen mit einer ganzen Horde von Menschen.“

Die Philosophie von Alexander Huber

Dies entspricht der Philosophie von Alexander Huber, die auf dem traditionellen Alpinismus fußt.

„Was wir dabei erfahren, ist tatsächlich sinnstiftend, weil wir uns besonders intensive Momente schaffen mit einer Besteigung, wo wir uns der Gefahr ausgesetzt haben, um in ihr zu bestehen. Es erzeugt besondere Erinnerungen. Wegen dieser Erinnerungen gehen wir in die Berge.“
Vergletscherter, schneebedeckter Berg Yerupaja in Peru
Der Berg Yerupaja in Peru ist 6635 Meter hoch.© dpa / picture alliance / Wigbert Röth

Simon Messners Erstbesteigung im Karakorum

Von einem ungemein starken Erlebnis spricht auch Simon Messner: Dem Sohn von Reinhold Messner ist im vergangenen Sommer etwas ganz Besonderes gelungen: die Erstbesteigung des Siebentausenders Yernamandu Kangri im Karakorum.
Gemeinsam mit seinem österreichischen Expeditionspartner Martin Sieberer erreichte Simon Messner den 7180 Meter hohen Gipfel im Alpinstil, also ohne Flaschensauerstoff, ohne Hochträger, ohne feste Hochlager und ohne Fixseile.

Die beiden mussten ein hohes Tempo vorlegen, denn sie hatten nur ein Schönwetterfenster von drei Tagen. Um schnell zu sein, waren sie mit leichten Rucksäcken unterwegs. Sie verzichteten auf das drei Kilo schwere Seil und teilten sich am Gipfeltag als einzigen Proviant einen Schokoriegel.

Messners Lebenstraum ging in Erfüllung

Der Aufstieg im tiefen Schnee war kräftezehrend und lang. Die Abschlusswand zwischen 6.500 und 7.100 Metern eine große Herausforderung.

„Wir sind irgendwie - wir waren schon sehr müde - zu diesem Wandfuß gekommen. Wir haben uns dann instinktiv für die zentrale Wand entschieden und wir sind lange, lange am Wandfuß gesessen auf Kühlschrank großen Eisbrocken, die heruntergefallen sind und haben einfach nur die Wand angeschaut und gedacht: Das ist zu viel. Das schaffen wir nicht mehr.“

Doch dann sind beide wortlos aufgestanden und in die Wand eingestiegen, die zuvor noch von niemandem versucht worden war. Das Klettern in großer Höhe forderte ihre volle Konzentration.
„Bis zur Hälfte der Wand kamen wir gut weiter, dann wurde es eisig. In der Höhe hat das Eis eine Konsistenz wie Beton. Unglaublich hart. Die Unterschenkel haben gebrannt.“

Die Herausforderung, einen entlegenen, über 7000 Meter hohen Gipfel in Pakistan als erster Mensch zu betreten, übt auf Simon Messner eine besondere Faszination aus. Vergleichbar mit der, wie er einst als Kind seine Höhenangst überwunden hat. Für ihn ist ein alpinistischer Lebenstraum in Erfüllung gegangen.
Es war ein Aufbruch ins Ungewisse, in eine Region, die keiner der beiden Bergsteiger vorher gekannt hatte.

Hitzerekorde in den Alpen

Rekorde gab es auch in den Alpen, nämlich Hitzerekorde. In den Schweizer Alpen kletterte die Nullgradgrenze an einem Tag im August auf die Höhe von 5298 Metern. Das war der höchste gemessene Wert seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1954.

Die Folgen von Erwärmung und Klimaveränderung spüren nicht nur die Profikletterer, die sich in steile Wände vorwagen, sondern auch Normalbergsteiger. Ganz gleich, ob sie in den italienischen Dolomiten unterwegs sind oder in den Berner Alpen im Schweizer Kanton Wallis.
Bergführer Robert Jasper:

Beim Aletschgletscher sieht man sehr schön, da ist eine Hütte, da muss der Bergführerverbands jedes Jahr eine neue Leiter anlegen, weil der Gletscher immer weiter abschmilzt. Da geht man von sechs bis acht Meter Eisschmelze pro Jahr aus, in der Dicke, und das ist schon sehr beängstigend.

Bergführer Robert Jasper

Andrea Fischer arbeitet am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung in Innsbruck. Die Bestandsaufnahme der österreichischen Gletscherexpertin fällt drastisch aus.

„Am Ende dieses Jahres haben die Gletscher sogar noch schlimmer ausgeschaut als im letzten Jahr. Die Gletscheroberflächen sind sehr dunkel. Die gleißenden Firnflächen, die ins Tal hinuntergeleuchtet haben, gibt es nicht mehr.“

Mittlerweile schaut sie monatlich nach, ob ein Gletscher noch existiert oder schon verschwunden ist. Das „ewige Eis“ – wie man die Gletscher auch genannt hat – ist nicht mehr ewig, sondern endlich.

„Die österreichischen Gletscher werden vermutlich zum großen Teil Mitte des Jahrhunderts schon Geschichte sein. Wenn das jetzt so weitergehen würde, dann sind in zehn bis 15 Jahren die meisten Ostalpengletscher in Österreich verschwunden.“

Folgen der globalen Erwärmung

Die Berge verändern sich weltweit angesichts der globalen Erwärmung. Wissenschaftler und Bergsteiger appellieren, alles zu tun, um die Erwärmung auf zwei oder besser 1,5 Grad zu beschränken.

Die Bergsteiger selbst müssen sich anpassen an die veränderten Bedingungen. Für Extremkletterer Alexander Huber bedeutet das, noch mehr Vorsicht walten lassen als bisher.

„Gerade Hasardeure, die diese Gefahren nicht sehen wollen, sind in den Bergen noch nie alt geworden. Man kann ja sagen: Ich bin ein risikobereiter Mensch. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich deswegen mein Leben aufs Spiel setze. Deswegen mit Hirn unterwegs sein am Berg.“

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