"Belfast" neu im Kino

Von der Ritterschlacht zum Bürgerkrieg

Im Still aus "Belfast" steht der kindliche Hauptdarsteller mit einem aus Holz gebastelten Schild und Schwert jubelnd auf einem Hof.
Der neunjährige Buddy erlebt in "Belfast" die Anfänge des Bürgerkriegs in Nordirland. © Universal Pictures International Germany GmbH
Von Anke Leweke · 24.02.2022
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Erst Ritter spielen mit dem Mülltonnendeckel, dann rollt plötzlich ein Panzer vorbei: Regisseur Kenneth Branagh erinnert sich in "Belfast" an seine Kindheit in der nordirischen Hauptstadt. Das Drama ist auch ein Film über das Kino als Zufluchtsort.

Um was geht es?

In kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern erinnert sich Kenneth Branagh an seine Kindheit in der nordirischen Hauptstadt. Sein Alter Ego ist der neunjährige Buddy. Für den pfiffigen sommersprossigen Kerl sind die Straßen und Hinterhöfe des Arbeiterviertels, in dem er aufwächst, ein großer Abenteuerspielplatz. Wann immer er vor die Tür tritt, ist etwas los.
Gerade spielt er Ritter mit Holzschwert und Mülltonnendeckel, da tauchen randalierende Männer mit Molotowcocktails auf. Buddy verfällt in eine Schockstarre, die Mutter reißt ihn ins Haus, versteckt ihn unter dem Küchentisch. Fensterscheiben werden eingeworfen, Rauch zieht ins Haus.
Als Buddy das nächste Mal nach draußen geht, rollt ein Panzer vorbei, ein Grenzzaun wird aufgebaut, Patrouillen beziehen Stellung. Dieser Film handelt von einer Kindheit, die in einer bürgerkriegsähnlichen Situation auf ihrem Existenzrecht beharrt.

Was ist das Besondere?

Regisseur Kenneth Branagh, der auch das Drehbuch schrieb, funktionalisiert seine Hauptfigur nicht, um größere geschichtliche Zusammenhänge oder Hintergründe der eskalierenden Situation zu erklären. Vielmehr zeigt er die Wucht, mit der die Ereignisse diese Kindheit in Beschlag nehmen.

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Buddy bekommt die Spannungen zwischen den Eltern mit. Der Vater muss in England arbeiten, weil es in Nordirland keine Jobs mehr gibt. Soll die ganze Familie nach England ziehen? Oder vielleicht nach Australien auswandern? Buddy will seine vertraute Umgebung nicht verlassen und schon gar nicht seine geliebten Großeltern.
Und er stellt viele Fragen, darunter die für ihn wichtigste: Kann oder darf er sich als Protestant noch in ein katholisches Mädchen verlieben? Ohnehin haben es die Katholiken viel besser, weil sie wöchentlich beichten dürfen und sich nicht mehr schuldig fühlen müssen.
Aus nächster Nähe erleben wir einen Jungen, der seine Unbeschwertheit wie ein Schutzschild um sich trägt, der dennoch die Veränderungen wahrnimmt und aus seiner Perspektive reflektiert.

Fazit

„Belfast“ ist auch ein Film über das Kino als Zufluchtsort. Während jener Jahre entdeckte Kenneth Branagh auch seine Leidenschaft fürs Kino. Mit Eltern und Großeltern schaut Buddy begeistert das Musical „Tschitti, Tschitti, Bäng, Bäng“ an. Der Film ist farbig, während der Zuschauerraum schwarz-weiß bleibt. Das reale Leben, die eskalierende Situation wird in diesem Moment visuell nicht ausgeblendet.
Immer wieder gelingt Branagh diese Gratwanderung zwischen innerer und äußerer Wirklichkeit. Der Schatten der bürgerkriegsähnlichen Situation ist immer präsent.

Belfast
Irland/Großbritannien 2021, 99 Minuten
Regie: Kenneth Branagh
Mit Jude Hill, Jamie Dornan, Caitriona Balfe, Ciarán Pop, Judi Dench

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