Albrecht von Lucke, 1967 geboren, ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der politischen Monatszeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“.
Leise Trauer und Amtsgeschäfte
05:36 Minuten

Das Verhältnis von Angela Merkel zu ihrer Mutter Herlind Kasner soll sehr eng gewesen sein. Heute wurde die 90-Jährige in Templin bestattet. Der Publizist Albrecht von Lucke würdigt Merkels diskreten Umgang mit ihrer Trauer.
Die Mutter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Herlind Kasner, ist am heutigen Donnerstag in ihrer Heimatstadt Templin in Nordbrandenburg beigesetzt worden. Schon der Tod der 90-Jährigen war erst eine Woche später bekannt geworden. Merkel hatte ihre Amtsgeschäfte weiter geführt, als sei nichts passiert. Dabei war am Rande zu hören, dass sie ihre alte Mutter noch gepflegt habe und es ein inniges Verhältnis gewesen sein soll.

Der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke. © dpa Fotograf:Horst Galuschka
„Sie hat mit aller von ihr gekannten und gewohnten stoischen Disziplin ihre Termine abgearbeitet“, sagte unser Studiogast, der Politologe und Publizist Albrecht von Lucke. Es sei bemerkenswert, dass Merkel das Private völlig aus dem Politischen heraushalte.
Er halte das nicht für strategisch, sondern es sei offenbar ihre Art, sagte von Lucke. Es existierten auch kaum ein Bild von ihrem Häuschen in der Uckermark. „Es war immer allenfalls von ihrer Kartoffelsuppe die Rede, aber es gab keine Einblicke.“ Bei aller Wertschätzung für Merkels Disziplin und ihren Wunsch, Deutschland zu dienen, habe sie sich dadurch aber auch der Möglichkeit entzogen, menschlicher rüber zu kommen und Gefühle zu zeigen. „Das war aber auch ihrem Naturell entsprechend.“‘
Macron als Gegenmodell
Andere Politiker nutzten das dagegen sehr viel stärker. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sei beispielsweise willig, seine ganze Figur voll ins Rennen zu werfen, sagte von Lucke. Das könne man auch kritisch sehen. So habe Macron die Ehe mit seiner früheren Lehrerin sehr stark in den Vordergrund gerückt und seine politische Biografie gezielt genutzt. „Das war genau das Gegenmodell“, sagte von Lucke.

Bei seiner Fernsehansprache setzten Präsident Emmanuel Macron sehr stark auf Gefühle. © POOL
Als er die Fernsehansprache von Macron nach dem Brand in der Pariser Kathedrale von Notre-Dame angesehen habe, schwang immer die Frage mit: „Wie weit wird das Private instrumentalisiert?“ Wer, so wie Macron, seine Rührung und Emotionen zeige, laufe Gefahr, dass er sich auf einem schmalen Grat bewege. „Ich kann mir da nicht ganz verkneifen, auch den großartigen Schauspieler Macron mit zu sehen, der er schon zu Schulzeiten war.“
Historische Chance
Macron habe den Brand sehr schnell in eine historische Chance umgemünzt und das mit großer Rührung untermalt. Jeder Politiker wisse in so einem Moment, dass alle Kameras auf ihn gerichtet seien. Deshalb sei es ein sehr schmaler Grat und Merkel habe sich da immer enthalten. „Merkel war da klug beraten, es klein zu halten“, sagte von Lucke über den Umgang mit dem Tod der Mutter. Durch diese völlige Enthaltsamkeit habe sie das Private schon wieder politisch gemacht. Es nötige einem doch Respekt ab, dass Merkel selbst den Tod der eigenen Mutter durch Dienstgeschäfte übergangen habe und zu dem Zeitpunkt trauere, wo die Mutter zu Grabe getragen werde.
(gem)