Bedrohte Kulturschätze

Digitalisieren, evakuieren, kooperieren

Ein Archivbild vom 14. März 2014 zeigt syrische Bürger, wie sie auf ihren Fahrrädern durch die antike Stadt Palmyra fahren
Vom IS bedroht: antike Welterbestättestätten im syrischen Palmyra © afp / Joseph Eid
Maria Böhmer im Gespräch mit Nana Brink · 29.06.2015
Das UNESCO-Welterbekomitee will vom IS und anderen Terroristen bedrohte Kulturgüter künftig besser schützen. Zum Beispiel durch Evakuierungspläne, die auch in die Tat umgesetzt würden, sagt Staatsministerin Maria Böhmer (CDU).
Die Bonn-Deklaration des UNESCO-Welterbekomitees, die heute verabschiedet werden soll, will Kunstschätze besser schützen, die durch Zerstörung und Plünderung bedroht sind.
Zum einen solle der illegale Kulturgüterhandel unterbunden werden, sagt Maria Böhmer (CDU), Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Vorsitzende der derzeit in Bonn tagenden 39.Sitzung des UNESCO-Welterbekomitees. Zum anderen müsse man zum Schutz bedrohter Kulturgüter stärker präventiv handeln. Dazu gehörten zum einen Evakuierungspläne, über die man nicht nur nachdenke, sondern die auch in die Tat umgesetzt würden.
Außerdem verwies Böhmer auf eine deutsche Initiative in Syrien zur Digitalisierung von Kulturgütern, "um, wenn es wirklich zur Zerstörung kommt, den Wiederaufbau auch besser voranzubringen".
Böhmer begrüßt den Beschluss der UN-Generalversammlung, die Zerstörung von Kulturschätzen als Kriegsverbrechen zu betrachten. "Wir sind hier nicht konfrontiert mit einer religiös motivierten Tat, sondern mit terroristischen Akten barbarischer Art, die darauf zielen, die Wurzeln der Menschen, deren Identität zu zerstören, und das kann man nicht zulassen."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Das UNESCO-Welterbekomitee tagt in Bonn zehn Tage lang, denn die To-Do-Liste, die ist ziemlich lang: Es geht um die Neuaufnahmen in die Listen – da liegen dem Komitee 37 Anträge vor, auch drei aus Deutschland. Aber es geht natürlich auch um den Erhalt gefährdeter Stätten im Bürgerkriegsland Syrien, zum Beispiel die antike Handelsstadt Palmyra, die der Islamische Staat ja vernichten will, wie er es schon unternommen hat, zum Beispiel im Irak, im antiken Ninive, das liegt ja bei Mossul und soll die hängenden Gärten der Semiramis – das ist ja eines der sieben Weltwunder – beheimatet haben. Wie also kann man so was verhindern? Selten hat eine UNESCO-Tagung ja so viel tagespolitische Aufmerksamkeit bekommen. Maria Böhmer ist Staatsministerin im Außenministerium für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik und sie führt auch den Vorsitz dieser 39. Sitzung des Welterbekomitees. Guten Morgen, Frau Böhmer!
Maria Böhmer: Ja, guten Morgen!
"Hamburg hat gute Chancen"
Brink: Bleiben wir erst mal in Deutschland: Drei Stätten stehen da auf der Bewerberliste, der Naumburger Dom, Hamburger Speicherstadt, und Deutschland ist auch Teil einer Nominierung der Wikingerstädte in fünf Ländern. Welche Chancen haben diese deutschen drei Bewerber?
Böhmer: Also wir haben derzeit in Deutschland ja 39 Welterbestätten, und ich bin guten Mutes, dass wir auf jeden Fall die 40. feiern können. Hamburg hat gute Chancen, denn Hamburg ist auch gut bewertet worden von den Beratungsorganisationen. Deren Empfehlung ist die entscheidende Grundlage, und darüber wird das Welterbekomitee dann am kommenden Sonntag entscheiden. Bei den beiden anderen Vorschlägen zögere ich jetzt etwas, diesen Optimismus zu verbreiten. Da muss noch ein Stück geworben werden nicht nur, sondern es muss noch einmal herausgearbeitet werden, gerade auch, wenn es um Naumburger Dom und Saale-Unstrut geht, was diese Stätte auszeichnet. Und ich hoffe, dass wir uns alle gemeinsam freuen können.
Brink: Nun hat man ja in Deutschland schlechte Erfahrungen gemacht, Stichwort Waldschlösschenbrücke, 2009 die Aberkennung des Status als Weltkulturerbe. Wie wollen Sie so was verhindern, zum Beispiel bei den neu Nominierten? Geht so was überhaupt?
Böhmer: Also die Waldschlösschenbrücke war für uns alle, glaube ich, damals ein tiefer Einschnitt, und das hat auch zu großem Nachdenken geführt. Ich habe aus anderen Gründen, um den Sinn und auch den Gedanken des universellen Wertes, des außergewöhnlich universellen Wertes, der ja eine Welterbestätte auszeichnen soll, diesen Gedanken stärker zum Klingen wieder zu bringen, habe ich Reformvorschläge im letzten Jahr mit Mitgliedern des Komitees erarbeitet. Und das zielt darauf, dass mehr Transparenz gegeben sein soll zwischen den Beratungsorganisationen und dem Welterbekomitee auf der einen Seite und auf der anderen Seite denjenigen, die eine Nominierung einbringen. Das hätte auch die Folge, dass man sehr viel früher über kritische Fälle spricht und dass man dann versucht, Probleme, die bestehen, auch aufzulösen – das muss das Ziel sein – und nicht einfach dann mit einer Entscheidung konfrontiert zu werden.
IS will die Identität und die Wurzeln der Menschen zerstören
Brink: Ziel also eines weitgehenden Reformplanes, den Sie ja auch unterbreitet haben. Die UN-Generalversammlung hat ja vor einigen Wochen, und wir gehen jetzt ins Ausland, eine Resolution verabschiedet, nach der Zerstörung von Kulturerbe ein Kriegsverbrechen ist, also es soll als Kriegsverbrechen geahndet werden. Sofort fällt uns natürlich der Islamische Staat ein, der ja zum Beispiel in der syrischen antiken Stadt Palmyra Sprengsätze an den Ruinen angebracht hat und sich um solche Resolutionen bestimmt nicht scheren wird. Was bringen die dann?
Böhmer: Also man muss auf verschiedenen Ebenen handeln, und eine ganz wichtige Entscheidung war die in der Generalversammlung der Vereinten Nationen, denn IS gibt ja immer vor, aus religiösen Gründen diese Kulturgüter, die Welterbestätten zerstören zu wollen oder auch schon zerstört zu haben. Und in der Generalversammlung ist deutlich geworden: Alle Staaten haben sich dahinter gestellt, dass es bei diesen terroristischen Akten sich um Kriegsverbrechen handelt. Das ist eine Kriegstaktik, die immer deutlicher wird. Und auch die islamischen Staaten haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Das heißt, wir sind hier nicht konfrontiert mit einer religiös motivierten Tat, sondern mit terroristischen Akten barbarischer Art, die darauf zielen, die Wurzeln der Menschen, deren Identität zu zerstören. Und das kann man nicht zulassen.
Und deshalb ist es so wichtig, dass – nicht nur bei den Vereinten Nationen, sondern wir wollen auch heute eine solche Entscheidung treffen, die Bonn-Deklaration –, dass sich alle Staaten dahinter stellen. Und es werden dann nicht nur die 21 Mitglieder des Welterbekomitees sein der UNESCO, sondern wir tun dieses stellvertretend auch für die 191 Mitglieder. Aber ich will konkret dann auch werden: Das heißt, wir müssen den illegalen Kulturgüterhandel unterbinden, denn es geht nicht nur um Zerstörung, sondern auch um Plünderungen und damit finanziert sich IS. Und man muss auch verstärkt präventiv tätig werden, um diese Kulturgüter besser zu schützen.
Das Expertenwissen vor Ort fördern
Brink: Apropos präventiv: Die UNESCO hat keine Armee. Wie können Sie das denn verhindern?
Böhmer: Ja, man muss nicht alles mit militärischen Kräften machen – Sie wissen, gerade im Irak hat sich Deutschland ja auch militärisch engagiert –, indem wir Unterstützung geben dort, oder wichtig ist auch natürlich die humanitäre für Menschen. Aber die Existenz von Menschen ist auch dadurch bedroht, dass solche Kulturgüter zerstört werden. Und das heißt, wenn wir über Prävention sprechen, dass man auch über Evakuierungspläne nicht nur nachdenken muss, sondern dass man die auch in die Tat umsetzen muss. Und wir haben eine große Initiative von deutscher Seite in Syrien, die Digitalisierung von Kulturgütern, um, wenn es wirklich zur Zerstörung kommt, den Wiederaufbau auch besser voranzubringen. Und der dritte Punkt ist: Unsere Experten aus Deutschland vom Deutschen Archäologischen Institut oder von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sie arbeiten eng mit Experten im Irak und in Syrien und in anderen Regionen dieser Welt zusammen, um deren Fähigkeit, deren Expertenwissen zu stärken, damit man diese Kulturgüter besser erhalten kann.
Brink: Maria Böhmer, Staatsministerin im Außenministerium. Vielen Dank! Das UNESCO-Welterbekomitee tagt heute und noch zehn Tage lang unter ihrem Vorsitz in Bonn.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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