Bazon Brock über die Coronakrise

"Optimisten sind Volksverdummer"

18:43 Minuten
Bazon Brock ist emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal.
Bazon Brock kritisiert positive Voraussagen für die Post-Corona-Gesellschaft als "Augenwischerei" und reine Ideologie. © picture alliance / dpa / Eventpress Rekdal
Bazon Brock im Gespräch mit Vera Linß · 11.04.2020
Audio herunterladen
Weniger Umweltverschmutzung, mehr Solidarität und Miteinander: Dass die Welt nach Corona eine bessere sein wird - davon sind viele überzeugt. Unsinn, meint Ästhetik-Professor Bazon Brock. Bisher habe die Menschheit noch aus keiner Katastrophe gelernt.
Dass die Welt eine andere sein wird nach der Coronakrise, ist die überwiegende Meinung vieler Denker. Der Künstler und Medientheoretiker Peter Weibel schreibt zum Beispiel in der "Welt": Wir werden keine Massenmobilität mehr haben. Der Globalisierung geht die Luft aus. Wir erleben das Ende der Nahgesellschaft. Die Stadien und Opernhäuser sind Pharaonengräber der Zukunft. Die Pandemie schiebt uns nämlich ins digitale Zeitalter: Wir werden also vieles nur noch virtuell machen. Zusammengefasst: Wir erleben eine Migration in virtuelle Welten, die auch nach der Krise anhält.
Der Zukunftsforscher Matthias Horx hat gleich vier Szenarien aufgestellt. Etwa die Rückkehr von Nationalstaaten. Ein anderes erwartet den permanenten Krisenmodus und eine Welt des Misstrauens und der Totalkontrolle durch Big Data. Aber es gibt auch ein positives Szenario: Dass man aus Fehlern lernt, die Welt ökologischer wird und die Digitalisierung zu unser aller Nutzen auf dem Vormarsch ist.
Einig scheint man sich weitgehend zu sein, dass die Welt sich zum Besseren verändern wird. Wie valide sind solche Zukunftsprognosen? Was kann man davon halten?

"Nach Katastrophen ändert sich nichts"

Bazon Brock ist emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Bergischen Universität Wuppertal und Honorarprofessor für alttestamentarische Prophetie an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken. Mit seinen 83 Jahren hat er jede Menge wissenschaftliche und Lebenserfahrung gesammelt. Was hält er von diesen positiven Zukunftsszenarien und von der These, dass wir an einem Wendepunkt, an einem Punkt der "Bifurkation" sind, wo sich etwas ganz Grundlegendes ändert?
"Das sind völlig unsinnige Aussagen. Empirisch ist es so, dass nach allen Katastrophen sich nichts geändert hat. Es wurden nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs die Uno und die Unesco eingerichtet. Haben sie was bewirkt? Nein. Gab es weniger Kriege? Nein, im Gegenteil. Es gab latent über die Zeit jeweils 40 Kriege, die in der Welt stattgefunden haben. Hat man aus der Bankenkrise 2008/09 irgendwas gelernt? Nein. 2010 ging die Spekulationswelle, das Hasardeurspiel der Banken in noch viel extremerer Weise weiter."

Den Machtwahnsinn beschneiden

Man habe aus der Geschichte niemals gelernt, sagt Brock – "außer in den Fällen, in denen man durch die Beschneidung des Machtwahnsinns bei Bankern oder Adolf Hitler oder Stalin oder was immer eine bestimmte Zeit Ruhe hatte vor den Irrtümern, die immer aus Allmachtswahnsinn entstehen." Zu sagen, alles werde sich ändern, sei "Augenwischerei" und reine Ideologie.
Die Katastrophe sei nichts anderes als eine zeitweise Stillstellung der Allmachtsfantasien von Bankern, Diktatoren, Popen, Religionsstiftern und Begründern irgendwelcher Weltanschauungen: "Mehr kommt nicht heraus."
Nach Brocks Meinung sind alle, die als Lehre aus der Coronakrise den Optimismus der Zukunft ziehen, "Volksverdummer". Missachtet werde nämlich auch weiterhin "der brave Mann, der auf dem Feld seinen Acker betrieben hat, das Vieh gezüchtet hat, dafür sorgt, dass der Betrieb weitergeht". Der Sünder hingegen werde hofiert.
Mehr zum Thema