Bayern-Manager

Hoeneß, "der Antidemokrat"

Der Präsident des FC Bayern München, Uli Hoeneß, am vierten Verhandlungstag im Landgericht München.
Uli Hoeneß steht wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. © picture alliance / dpa / Christof Stache
Philip Grassmann im Gespräch mit André Hatting · 13.03.2014
Beim Fall Hoeneß müsse man auch mal auf die Haltung hinter der Steuerhinterziehung schauen. Und die, findet "Freitag"-Vizechefredakteur Philip Grassmann, hat viel mit Staatsverdrossenheit zu tun.
André Hatting: Heute ist Donnerstag, da erscheint "Der Freitag". Krim-Krise, Hoeneß-Prozess, Atommüll-Endlagersuche – natürlich beackert die Wochenzeitschrift aus Berlin alle großen Themen, wählt dabei aber gerne einen ungewöhnlichen Zugang. Das wird schon auf dem Titel heute klar. Philip Grassmann ist stellvertretender Chefredakteur des "Freitag". Herzlich willkommen im Studio, Herr Grassmann.
Philip Grassmann: Herzlichen Dank. Guten Morgen!
Hatting: Als ich den Titel gelesen habe und die Schlagzeile, "Der Antidemokrat", da habe ich eigentlich gedacht, es geht um Wladimir Putin. Nein, es ist Ulrich Hoeneß gemeint. Wieso Antidemokrat?
Grassmann: Der Job einer Wochenzeitung wie "Der Freitag" ist es ja, so ein bisschen hinter die Ereignisse zu gucken, und die Leute regen sich natürlich sehr stark jetzt auf über die Höhe der Steuerhinterziehung von Uli Hoeneß und dass er jetzt so scheibchenweise mit der Wahrheit rausrückt.
Aber ich glaube, dass es noch wichtiger ist, sich mit der Haltung zu beschäftigen, die dahinter steht, und die Haltung, die dahinter steht, hat, glaube ich, sehr viel auch mit Staatsverdrossenheit zu tun. Eine Haltung, die besagt: Ich engagiere mich zwar ein bisschen für den deutschen Staat, aber im Grunde will ich so wenig mit ihm zu tun haben wie möglich und eigentlich mache ich das doch lieber selber, ich kann das auch viel besser als der Staat, der schmeißt ja nur das Geld zum Fenster raus, und da ist es doch auch in Ordnung, wenn ich ihm ein wenig Geld vorenthalte.
Und das geht eben in einer Demokratie nicht. Wir haben ja im Grunde miteinander hier verabredet, dass wir gemeinsam entscheiden, wie das Geld ausgegeben wird, und deswegen die Schlagzeile "Der Antidemokrat".
Hatting: Der Autor Michael Jäger spitzt das ganze sogar zu und spricht dann von einem "altruistischen Tyrann" und meint Hoeneß.
Warum Hoeneß ein Tyrann ist
Grassmann: Ja genau, und da hat er auch recht. Das kann man schon sagen, denn der Tyrann entscheidet ja selbstherrlich und aus eigener Machtfülle, was er tut und was er lässt, und das trifft auf den Fall Hoeneß ganz sicher zu.
Hatting: Sehr interessant finde ich heute auch bei Ihnen den Artikel zur aktuellen Krim-Krise. Da wird nämlich entgegen, sagen wir mal, landläufiger Meinung behauptet, dass es gerade nicht ein Rückfall in den Kalten Krieg sei.
Grassmann: Ja. Ich glaube, dass in der Berichterstattung über die Krim-Krise einiges drunter und drüber geht, und wir haben so ein bisschen den Versuch unternommen, da gegenzuhalten. Ich glaube, dass die Medien sich viel zu wenig mit der russischen Position, mit der russischen Außenpolitik beschäftigen, und dieser Artikel von Lutz Herden versucht nachzuzeichnen, dass die russische Politik sehr wohl rational agiert und dass der Westen eine ganze Menge Fehler auch in den vergangenen Jahren, man muss fast sagen Jahrzehnten gemacht hat, denn ursprünglich nach 1990 galt ja mal die Verabredung, es gibt die deutsche Einheit, aber die Interessensphäre Russlands wird nicht weiter tangiert, und in den Jahren darauf hat sich die Europäische Union nach Osten ausgeweitet, die NATO, und ich glaube, dass für Putin in der Ukraine einfach eine rote Linie erreicht war, wo er gesagt hat, bis hierher und nicht weiter.
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Philip Grassmann ist stellvertretender Chefredakteur beim "Freitag".© Foto: Der Freitag
Jetzt hält er halt dagegen, wie er das macht. Das trifft natürlich auch nicht die Zustimmung des "Freitag", das ist klar völkerrechtswidrig, was er da macht. Aber trotzdem muss man, glaube ich, schon auch versuchen, hinter die Kulissen zu schauen und zu sehen, warum die Russen so handeln, wie sie es tun.
Hatting: Der Aufmacher heute bei Ihnen, das sind lauter goldene Rähmchen für lauter gute Leute. Menschen, die uns voranbringen, heißt es da. Da tummeln sich Politiker wie die Familienministerin, den Schauspieler Lars Eidinger habe ich gesehen. Da habe ich mich gefragt: Inwiefern bringt uns Lars Eidinger definitiv, wie es heißt, voran?
Unkonventionelle Vordenker
Grassmann: Lars Eidinger bringt uns voran, weil er nichts von der traditionellen Trennung von Hochkultur und Populärkultur hält, sondern er vermischt eben beides und hat da keine Berührungsängste. Wir haben in diesem Titel versucht, lauter unkonventionelle, wenn Sie so wollen, Vordenker vorzustellen. Das ist natürlich eine Liste, die ist unvollständig. Da könnten noch viel mehr Leute dazukommen. Da kann man auch streiten, ob der eine oder andere Name richtig ist. Darüber haben wir auch in der Redaktion heftig diskutiert. am Ende ist das rausgekommen und ich glaube, das ist ein Angebot für den Leser, auch mal nach vorne zu schauen und nicht immer nur herumzukritteln.
Hatting: Jetzt möchte ich natürlich gerne wissen: Wer war denn der Umstrittenste, wenn Sie sagen, Sie haben heftig diskutiert?
Grassmann: Wir haben zum Beispiel heftig über Bascha Mika diskutiert. Wir haben aber auch über Julia Klöckner diskutiert. Das sind Persönlichkeiten, da kann man sagen, die einen sagen, die sind doch gar nicht so fortschrittlich, aber trotzdem haben sie, glaube ich, eine Diskussionskultur und keine Sorge vor Konflikten und sind auch bereit, neue Wege zu gehen. Deswegen passen sie da auch rein, deswegen haben wir sie am Ende auch reingenommen. Es soll ja ein möglichst breites Bild auch sein. Es soll ja nicht nur um Politiker gehen oder nicht nur um Künstler, sondern die gesamte Gesellschaft abbilden.
Hatting: Im „Mediengespräch“ heute Philip Grassmann, Chefredakteur des Freitag. Ich danke Ihnen für den Besuch bei uns.
Grassmann: Ja, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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