Bayern

Ein Kreuz zum Ein- und Ausschalten

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hängt in der Bayerischen Staatskanzlei ein Kreuz auf.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hängt in der Bayerischen Staatskanzlei ein Kreuz auf. © dpa / picture alliance / Peter Kneffel
Von Michael Lösch · 31.05.2018
Ministerpräsident Markus Söder hat sich mit seinem Erlass durchgesetzt: Ab morgen müssen in den bayerischen Amtsstuben Kreuze hängen. Der Münchner Publizist Michael Lösch erklärt, kein Symbol sei häufiger missbraucht worden als das Kreuz.
Bild meines neuen Ministerpräsidenten: Miene klar und deutlich, selbstbewusst und zufrieden. Er hält ein Kreuz in den Händen, als wär’s ein Fundstück vom Acker, 2000 Jahre alt. Verhaltener Stolz des Finders, dem die Aufmerksamkeit der Fotografen gebührt.
Nun gut, Politik hat ihre Bilder. Und das meistverwendete Symbol des christlichen Abendlandes ist auch das meist missbrauchte. Kennt man. Kameraschwenk: Pfingstmontag. Der Pfarrer heißt Peter, er spielt Gitarre, der Posaunenchor bläst, wir singen, Peter predigt. Was hat uns dieser Tag heute noch zu sagen? Wo steht das Kreuz? Es ist nicht einfach. Peter tut sich schwer.

Das Kreuz soll sichtbar sein

Wir kennen die Meldung: Herr Söder will das Kreuz in allen bayerischen Ämtern hängen sehen. Ich stelle mir vor, wie er in einem Anflug von Neugierde im Netz nach Kreuzen recherchiert, eines etwa für die Staatskanzlei: mindestens 80 Zentimeter. Oder mehr? Wäre es sichtbar genug? Das sollte es seiner Verordnung nach sein. Wie geht er an seinem Kreuz vorbei? Hält er inne, bekreuzigt er sich oder reicht ihm die Kenntnis der neuen Sichtbarkeit?

Das Kreuz wird instrumentalisiert

Vor allem: Ist es ein blankes Kreuz oder eines mit dem Gekreuzigten? Das ist nicht unerheblich. Denn das Kreuz an sich ist mittlerweile in einem politischen Zustand, den Reinhard Marx beklagt. Söders Kampagne, sagt der Chef der Deutschen Bischofskonferenz, sei friedlos, spalte und schaffe Unruhe.
Dass ein Politiker sich anmaße, das Kreuz zu instrumentalisieren, hieße fremdes Territorium zu betreten. Söder hingegen meint, ihm ginge es ums Abendland, und das sei nun 'mal christlich.
Was aber ist das?
Symbolisches Agieren? - Ja.
Politik der Macht? - Ja.
Rückeroberung alter Gebiete? - Ja.
Aber ist es nicht auch etwas anderes? - Es ist ja nicht nur Söders Abendland, es ist auch meines. Gegen das viel einzuwenden ist. Das aber auch seine Werte hat.

Der Staat hat das Kreuz nicht zu erklären

Zurecht hat Marx schon mal eine klare Grenze gezogen und Söder ausgegrenzt. Der Staat habe nicht zu erklären, was das Kreuz bedeute. Kirche und Staat zwei autonome Gebiete, zugegeben mit überlappenden Rändern, aber auch mit scharfen Trennungen. Aus unserer Tradition ist uns viel Staat erwachsen, der sich aus der christlichen Gedankenwelt peu à peu gelöst hat. Ein christlicher Abendländer hat uns vor 500 Jahren zugerufen: Wir sollten zusammenfügen, alles, auch Nicht-Christliches. Eine concordia mundi! Heute würde Pico della Mirandola das globale Einheit nennen: alle Wissenschaft, aller Glaube, Bibel, Koran und Kabbala gehörten zusammen. Die Idee des Ganzheitlichen findet hier einen ersten Platz. Und darin der Mensch. Die Würde ist es, die jeden ausmacht. Daraus erwächst Respekt und daraus Frieden.

Licht und Dunkelheit in jedem Herrgottswinkel

Ich mache mir auf Söders unterstellte Suche den Spaß, und gebe auf Google "Kreuz kaufen" ein. Rechts tun sich fünf Bilder auf: Eines heißt: Steckhülle Kreuz, weiß wattiert, fürs katholische Gesangbuch, ein zweites: Krimi. "Im Namen des Kreuzes. Schwarz ermittelt". Und dann gleich dreimal: Lichtschalter: zwei "Tastschalter Kreuz" und einmal komprimiert: "Kreuzschalter". Der müsste doch Söders Sinn befrieden. Kostet zehn Euro, Herr Söder, Licht an, Licht aus. Eine wenig verfängliche Metapher für Bayern: Licht und Dunkelheit in jedem Herrgottswinkel. Setzt sich die AfD dazu, an die Stammtische mit Bier und Schweinsbraten, hat man ja den Kreuzschalter, der zur Not verdunkelt. In meinem Gottesdienst hat der Pastor mir keine erhellende Antwort auf Pfingsten gegeben. Aber er hat es versucht. Ihm macht das Kreuz noch Mühe, kein politischer Fund, keine kalkulierte Pose, sondern immer noch die Suche nach der Wahrheit.

Michael Lösch ist Schriftsteller, DJ. Er lebt und arbeitet in München. 1973 siedelte der Sohn eines Pfarrers von Rumänien nach Deutschland aus und studierte Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Zuletzt veröffentlichte er das Buch: "Wäre Luther nicht gewesen. Das Verhängnis der Reformation." Für Deutschlandfunk Kultur verfasst er regelmäßig Politische Feuilletons.

© Stephan Paul Stuermer
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