Bauhaus und Theater

Lob des Triadischen Balletts

"10 Figuren zum Triadischen Ballett" von Oskar Schlemmer (1888-1943), hier 2009 ausgestellt im Museum Würth in Künzelsau.
"10 Figuren zum Triadischen Ballett" von Oskar Schlemmer (1888-1943). © picture alliance / dpa / Norbert Försterling
Von Henry Bernhard  · 05.01.2019
Das Kunstschule Bauhaus wird 100 Jahre alt: Wie haben sich die Ideen auf das Theater ausgewirkt? Man wollte nicht mehr die klassische Guckkastenbühne, sondern Bühnensituationen im Raum schaffen - mit dem Menschen im Mittelpunkt.
Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht genau, wie Oskar Schlemmers Triadisches Ballett 1922 geklungen hat und auch nicht, wie sich seine Figuren auf der Bühne bewegt haben. Aber es gibt Annäherungen, Rekonstruktionen, wie hier 2014 beim Bayerischen Staatsballett München.
Fotos aber gibt es: Sie zeigen Tänzer, die in sperrige, schwere und vielfarbige Kostüme gezwängt sind, mitunter aus Holz, die Formen sind Kreis, Quadrat und Dreieck. Kostüme, in denen die Bewegungsmöglichkeiten begrenzt sind, wie Ulrike Bestgen erklärt, die Leiterin des gerade entsendenden Bauhausmuseums in Weimar:

Der Mensch im Mittelpunkt

"Das ist ja ein sehr getragenes, sehr ruhiges Ballett. Und man muss sich vorstellen: In der Zeit vorher gab es das expressive Ballett, denken sie an Namen wie Mary Wigman oder Gret Palucca, also ein sehr auf den Körper bezogenes, den Körper auch sehr frei bewegendes Ballett. Und davon geht Schlemmer total ab. Für ihn steht auch der Mensch im Mittelpunkt, das ist ja sein großes Thema: Der Mensch im Raum. Aber die Figurinen, die er entwickelt, sind ja derart gestaltet, dass sie im Grunde genommen den Körper bewegen, sodass sich eine sehr reduzierte Form des Balletts ergibt."
Schlemmers Tänzer sind entindividualisiert, dennoch tragen ihre Figuren einen eigenen Charakter, meint Ulrike Bestgen:
"Es ist der eingesperrte Mensch. In dieser Zeit wird ja sehr viel über den mechanischen Menschen gesprochen, der Mensch, der der Technik zugewandt ist, der die Technik auch beherrscht. Und wenn man sich das anschaut, das Triadische Ballett, dann kann man durchaus auch Kritik an diesen Entwicklungen auch sehen. Denn diese Figurinen werden ja im Grunde von ihren Körpern zunächst erstmal bestimmt, sie werden dominiert von diesen Körpern. Der Mensch ist nicht frei in seiner Entscheidung, sich zu bewegen. Und ich sehe das durchaus auch als eine Kritik an diesem mechanischen, fordistischen Menschenbild, das in dieser Zeit auch durchaus sehr vehemente Befürworter hat."
Auch wenn das Triadische Ballett mit dem Bauhaus in Verbindung gebracht wird, so hat es doch seine Wurzeln in Stuttgart, wo Oskar Schlemmer schon 1916 Teile aufführte, also drei Jahre vor der Gründung des Bauhauses. Aber das Bauhaus ist offen für Schlemmer und holt ihn nach Weimar, als Leiter der Werkstatt für Wandbildmalerei, später die für Holz- und Steinbildhauerei und dann als Leiter der Bühnenwerkstatt, an die auch im neuen Bauhausmuseum erinnert werden wird.
"Da gibt es einen Bühnenraum, keine Bühne! Im Grunde für die Bühnenwerkstatt. Die Bühnenwerkstatt war ja eine ganz besondere Werkstatt am Bauhaus, die wie eine Art Laboratorium funktioniert hat. Und diese Bühne geht in Weimar schon los. Gropius schreibt, 'Wir wollen nicht nur den Bau erforschen, sondern auch die Gesetze der Bühne, das Licht, den Raum, den Ton, die Musik, auch die Sprache'."

Nicht mehr das klassische Bühnenstück

Nach der Vertreibung des Bauhauses nach Dessau 1925 übernimmt Schlemmer die Bauhausbühne als eigenständige Abteilung. Aber auch der erste Direktor des Bauhauses, Walter Gropius, widmet sich dem Theater. Er träumt von einem "Totaltheater".
"Man wollte nicht mehr die klassische Guckkastenbühne haben, sondern man wollte verschiedene Bühnensituationen im Raum haben, also im Grunde genommen ein Erlebnis, was auf verschiedenen Ebenden funktionierte. Und dafür hat Gropius dann auch großartige Entwürfe gemacht vom sogenannten 'Totaltheater', die natürlich dann auch einen Zuschauer eines Bühnenstücks erfordern, der im Grunde schon medienerfahren ist. Man geht davon aus, man hat verschiedene Bühnen, die auf einen einwirken; es wird über Projektion nachgedacht – der Film kommt ja in der Zeit auf, die Fotografie spielt eine Rolle –, es ist also nicht mehr das klassische Bühnenstück, das wir kennen, sondern ein multidimensionales Ereignis."
Gropius' Totaltheater wird nicht gebaut, aber die Theater- und Ballettideen des Bauhauses werden seit den 60er-Jahren wieder aufgegriffen. Multimedial ist das Theater ohnehin geworden.
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