Barbara John: Integrationsbeauftragte sind Brückenbauer
Nach Ansicht der ehemaligen Berliner Ausländerbeauftragten Barbara John sollten Integrationsbeauftragte Brücken bauen zwischen Einwanderern, Verwaltung und Politik. Entscheidend sei, "für konkrete Probleme praktische Lösungen zu finden und nicht Ideologien nachzulaufen". Die Integrationsbeauftragten müssten dafür sorgen, dass die Migranten anfangen "sich zu identifizieren mit Deutschland".
Katrin Heise: Eine Frau, die den Konflikt mit der eigenen Partei nie gescheut hat und bei Migrantenthemen offensiv auch andere als CDU-Meinungen vertrat, ist Barbara John. 22 Jahre lang war sie Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, berufen noch unter dem Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker. Inzwischen kümmert sich Frau John um Sprachförderung. Ich grüße Sie, Frau John!
Barbara John: Ja, ich grüße Sie auch!
Heise: Wir haben es eben gehört, das Amt der Integrationsbeauftragten entwickele sich immer mehr zum Sprachrohr der Regierung. Sehen Sie das auch so wie Dorothea Jung?
John: Natürlich sehe ich meine Position, die ich 22 Jahre lang im Senat hatte und mir war es einfach wichtig, das, was für die Einwanderer und für die Einheimischen getan werden muss, das in den Mittelpunkt zu stellen. Und das ist nicht immer genau das, was die Regierung gerne hören wird oder was sie tut. Aber man kann auch nicht nur den Migranten zu Munde reden und nur den Einheimischen, sondern das Entscheidende ist, dass man in einer solchen Position genau weiß, was man will.
Und ich wusste zum Beispiel immer, das es mehr Integration, besonders im Arbeitsmarkt und in der Bildung geben muss, aber auch in der rechtlichen Gleichstellung und dann muss man das auch sagen, egal ob es bequem oder unbequem ist. Und zwar zu jedem, zur Regierung, zum Innensenator, zum Innenminister und, und, und, aber natürlich auch zu den Migranten. Ich denke, diese Positionierung der Person, die ja Anlaufstelle und auch eine Personalisierung darstellt, das ist ein Gesicht, jemanden, den man treffen kann, dem man schreiben kann, das muss funktionieren.
Heise: Ist denn die Stimme, die wir jetzt haben, Frau Böhmer, beherzt genug?
John: Ich sitze ja nicht hier, um Frau Böhmer zu kritisieren, aber ich denke, dass jeder, der die Arbeit beobachtet, sich da eigentlich eine klare Meinung bilden kann.
Heise: Sie haben eben betont, der Kontakt ist wichtig. Das ist natürlich auch der Unterschied zwischen einer Bundesbeauftragten für Integration und einer Landesbeauftragten oder sogar wie bei Ihnen in der Großstadt Berlin einer Beauftragten. Kann der Kontakt denn tatsächlich hergestellt werden in einem Bundesamt?
John: Aber selbstverständlich. Da ist kein wesentlicher Unterschied, auch bei mir, auf der Landesebene war es am Anfang unglaublich schwierig, im Parlament durchzusetzen, dass ich nicht nur eine Stabsstelle bin, jemand, der am grünen Tisch sitzt und irgendwelche Vorschläge macht, sondern ich habe durchgekämpft, dass ich jeden Tag auch Menschen sehe, die Probleme haben, mit der Einwanderung, mit den Ausländergesetzen und, und, und, aber auch Einheimische. Und das kann auch eine Bundesbeauftragte machen. Sie kann sich dafür Zeit nehmen, sie kann sich öffnen. Und der Dialog, die unmittelbare Begegnung mit den Problemen, die dabei entstehen, sicher natürlich auch mit den schönen Seiten, die muss man organisieren und die muss man auch wollen und durchsetzen.
Heise: Sie haben drei Jahre nach Einführung des Ausländerbeauftragten im Bund, also 1981, als Ausländerbeauftragte für den Berliner Senat mit der Arbeit angefangen. Einige Schwierigkeiten haben Sie ja schon geschildert. Aber was war so das Hauptproblem, mit dem Sie und Ihre Kollegen zu kämpfen hatten?
John: Na ja, das Hauptproblem war die allgemeine Einstellung in den 80er Jahren, dass es überhaupt nicht darum geht, dass die Leute hier auf Dauer bleiben, sondern dass es eigentlich nur darum geht, dass man sich einigermaßen in der Zeit, in der sie hier sind, war ja vorübergehend gedacht, arrangiert mit ihnen. Und das fiel natürlich sofort auf, dass das gar nicht geht.
Es war keine Gesetzgebung, dass sie alle zurückmüssen, sondern das entwickelte sich langsam, es kam sogar zur Familienzusammenführung. Aber die innere Haltung und die Gesetze blieben immer so, möglichst alles nutzen, damit sie wieder verschwinden und damit man ihnen das Leben schwer macht.
Ich habe auf Integration geschaltet, natürlich auf "hierbleiben". Was sollten denn wir sonst machen als Länderbeauftragte? Wir hatten die Probleme vor Ort, Schulabschlüsse mussten verbessert werden, da muss eine spezielle Betreuung her, es mussten Sprachförderprogramme her, es mussten Arbeitsprogramme her. Das alles war ja darauf gerichtet, dass nun in den wesentlichen Bereichen Arbeit und Bildung einfach die Eingliederung schneller vorangeht. Insofern war es immer auf praktische Dinge gerichtet. Das Entscheidende ist auch, glaube ich, bei den Beauftragten, für konkrete Probleme praktische Lösungen zu finden und nicht Ideologien nachzulaufen.
Heise: Seit 1978 gibt es das Amt der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, inzwischen Integrationsbeauftragte genannt. Auf 30 Jahre blickt im "Radiofeuilleton" die ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, zurück. Frau John, Sie werden von den Berliner Türken als "große Schwester" bezeichnet. Von anderer Seite warf man Ihnen genau das vor, nämlich nicht kritisch genug mit den Migranten umgegangen zu sein.
John: Die Erwartungen, die manchmal an mich herangetragen worden sind, waren zum Beispiel: "Sie müssen sich in den Medien hinstellen und müssen die mal zusammenstauchen!". Und dann habe ich gesagt, was soll ich denen denn sagen? Na ja, dass die eigentlich wieder zurückgehen müssen und dergleichen mehr. Das heißt, da war dieses allgemeine Unbehagen, dass wir nun ein Einwanderungsland geworden sind, das sollte ich nun denen sagen, die zum Teil darum zittern mussten, überhaupt noch ein Tag länger hierzubleiben oder wo die Gesetze sie in einer Limbo, in einem Ungleichgewicht hielten und gar nicht sicher waren. Das ist nicht die Aufgabe einer Integration- oder Ausländerbeauftragten.
Die Aufgabe einer solchen Person ist, natürlich eine Brücke zu bauen zwischen ihnen und der Verwaltung und der Politik und sich dafür einzusetzen, dass das, was unvermeidlich ist, und unvermeidlich ist die volle Integration, die volle rechtliche Gleichstellung, dass das auch passiert, und dass die Menschen anfangen sich zu identifizieren mit Deutschland. Dass sie sagen, ja, das ist das Land. Ich bin hierher gekommen, aber ich will jetzt auch hier sein und ich will einen Beitrag leisten.
Heise: In der Kopftuchdebatte, da warf man Ihnen vor, sie hätten islamistische Tendenzen unterschätzt. Würden Sie heute anders agieren?
John: Nein, ganz im Gegenteil. In der Kopftuchdebatte habe ich einfach den Standpunkt, dass Menschen, Frauen selber bestimmen sollen, können, was sie tragen und was sie nicht tragen und nicht unter dem Diktat stehen, jeder, der ein Kopftuch hat, ist nun eine Islamistin. Genau das ist ja eine fahrlässige Behauptung, die in starkem Maße zur Ausgrenzung von Frauen führt. Und es ist ja sehr schwierig für eine Frau, die ein Kopftuch trägt, etwa eine Stelle als Kassiererin an der Kasse zu tragen, als Ärztin zu arbeiten und, und, und. Das alles sind genau diese Ausgrenzungen, die man beklagt, die man aber selber durch solche allgemeinen Vermutungen herstellt.
Ich habe da eine ganz entschiedene Meinung und ich sehe, dass das auch bestätigt wird. Je mehr wir verbieten auf dem Gebiet, was gar nicht gefährlich ist, ein Kopftuch ist nichts Gefährliches, desto mehr geraten natürlich junge Frauen und auch andere in eine Trotzhaltung und sagen, jetzt erst recht. Je normaler man das ansieht, umso eher wird es auch nicht einfach als Automatismus genutzt oder als Reflex gegenüber einer Gesellschaft, von der man glaubt, dass sie einen nicht haben will.
Heise: In der Debatte haben Sie sich natürlich auch mit türkischen Frauenrechtlerinnen angelegt. Seit Sie nicht mehr Integrationsbeauftragte sind, ist die Sprachförderung Ihr Metier. Nimmt man jetzt mal Bildung und Arbeitsmarktsituation als Gradmesser der Integration, sieht es natürlich nach wie vor nicht gut aus in Deutschland?
John: Na ja, weil da natürlich ganz grundlegende strukturelle Änderungen erfolgen müssen, die wir in Berlin jetzt angepackt haben. Wir sind das erste Bundesland, das allen, die ein Lehrerstudium aufnehmen, nahelegen, nicht nur nahelegen, sondern alle verpflichten zu wissen, wie man Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. Egal ob das nun ein Physik- oder Chemielehrer ist, er muss Leistungspunkte in diesem Fach erwerben, sodass wir in wenigen Jahren, in zwei Jahren wirklich schon Lehrer in der Schule haben, in der Grundschule, in anderen Schulen, die das endlich können.
Heise: Das Wort Integration mal wörtlich genommen, Herstellung eines Ganzen, da müsste sich ja der Integrationsbeauftragte irgendwann selber mal überflüssig gemacht haben. Sehen Sie das?
John: Na ja, das war der erste Satz, den ich so gestottert habe, als ich noch gar nicht Ausländerbeauftragte war. Aber das ist natürlich schon eine Vision, selbstverständlich, wenn es nicht so wäre, dass wir nun tatsächlich immer mehr Menschen brauchen, die einwandern müssen, einfach aufgrund der demografischen Entwicklung. Das heißt, es wird immer Neue geben, die solchen Hilfen brauchen. Aber ich denke auch, dass inzwischen sich die Strukturen, wir haben ja inzwischen nicht nur einen Beauftragten, wir haben ein Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wir haben ein Integrationsprogramm, wir haben einen nationalen Integrationsplan, den NIP usw., dass inzwischen das Wort und das Konzept, das dahintersteht, überall so angekommen ist, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Insofern wird man irgendwann natürlich solche Stellen auch nicht mehr brauchen. Eine Weile wird es schon noch dauern. Man braucht einen Motor, aber irgendwann hat dann jeder seinen Motor und er stellt sich von selber ein.
Barbara John: Ja, ich grüße Sie auch!
Heise: Wir haben es eben gehört, das Amt der Integrationsbeauftragten entwickele sich immer mehr zum Sprachrohr der Regierung. Sehen Sie das auch so wie Dorothea Jung?
John: Natürlich sehe ich meine Position, die ich 22 Jahre lang im Senat hatte und mir war es einfach wichtig, das, was für die Einwanderer und für die Einheimischen getan werden muss, das in den Mittelpunkt zu stellen. Und das ist nicht immer genau das, was die Regierung gerne hören wird oder was sie tut. Aber man kann auch nicht nur den Migranten zu Munde reden und nur den Einheimischen, sondern das Entscheidende ist, dass man in einer solchen Position genau weiß, was man will.
Und ich wusste zum Beispiel immer, das es mehr Integration, besonders im Arbeitsmarkt und in der Bildung geben muss, aber auch in der rechtlichen Gleichstellung und dann muss man das auch sagen, egal ob es bequem oder unbequem ist. Und zwar zu jedem, zur Regierung, zum Innensenator, zum Innenminister und, und, und, aber natürlich auch zu den Migranten. Ich denke, diese Positionierung der Person, die ja Anlaufstelle und auch eine Personalisierung darstellt, das ist ein Gesicht, jemanden, den man treffen kann, dem man schreiben kann, das muss funktionieren.
Heise: Ist denn die Stimme, die wir jetzt haben, Frau Böhmer, beherzt genug?
John: Ich sitze ja nicht hier, um Frau Böhmer zu kritisieren, aber ich denke, dass jeder, der die Arbeit beobachtet, sich da eigentlich eine klare Meinung bilden kann.
Heise: Sie haben eben betont, der Kontakt ist wichtig. Das ist natürlich auch der Unterschied zwischen einer Bundesbeauftragten für Integration und einer Landesbeauftragten oder sogar wie bei Ihnen in der Großstadt Berlin einer Beauftragten. Kann der Kontakt denn tatsächlich hergestellt werden in einem Bundesamt?
John: Aber selbstverständlich. Da ist kein wesentlicher Unterschied, auch bei mir, auf der Landesebene war es am Anfang unglaublich schwierig, im Parlament durchzusetzen, dass ich nicht nur eine Stabsstelle bin, jemand, der am grünen Tisch sitzt und irgendwelche Vorschläge macht, sondern ich habe durchgekämpft, dass ich jeden Tag auch Menschen sehe, die Probleme haben, mit der Einwanderung, mit den Ausländergesetzen und, und, und, aber auch Einheimische. Und das kann auch eine Bundesbeauftragte machen. Sie kann sich dafür Zeit nehmen, sie kann sich öffnen. Und der Dialog, die unmittelbare Begegnung mit den Problemen, die dabei entstehen, sicher natürlich auch mit den schönen Seiten, die muss man organisieren und die muss man auch wollen und durchsetzen.
Heise: Sie haben drei Jahre nach Einführung des Ausländerbeauftragten im Bund, also 1981, als Ausländerbeauftragte für den Berliner Senat mit der Arbeit angefangen. Einige Schwierigkeiten haben Sie ja schon geschildert. Aber was war so das Hauptproblem, mit dem Sie und Ihre Kollegen zu kämpfen hatten?
John: Na ja, das Hauptproblem war die allgemeine Einstellung in den 80er Jahren, dass es überhaupt nicht darum geht, dass die Leute hier auf Dauer bleiben, sondern dass es eigentlich nur darum geht, dass man sich einigermaßen in der Zeit, in der sie hier sind, war ja vorübergehend gedacht, arrangiert mit ihnen. Und das fiel natürlich sofort auf, dass das gar nicht geht.
Es war keine Gesetzgebung, dass sie alle zurückmüssen, sondern das entwickelte sich langsam, es kam sogar zur Familienzusammenführung. Aber die innere Haltung und die Gesetze blieben immer so, möglichst alles nutzen, damit sie wieder verschwinden und damit man ihnen das Leben schwer macht.
Ich habe auf Integration geschaltet, natürlich auf "hierbleiben". Was sollten denn wir sonst machen als Länderbeauftragte? Wir hatten die Probleme vor Ort, Schulabschlüsse mussten verbessert werden, da muss eine spezielle Betreuung her, es mussten Sprachförderprogramme her, es mussten Arbeitsprogramme her. Das alles war ja darauf gerichtet, dass nun in den wesentlichen Bereichen Arbeit und Bildung einfach die Eingliederung schneller vorangeht. Insofern war es immer auf praktische Dinge gerichtet. Das Entscheidende ist auch, glaube ich, bei den Beauftragten, für konkrete Probleme praktische Lösungen zu finden und nicht Ideologien nachzulaufen.
Heise: Seit 1978 gibt es das Amt der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, inzwischen Integrationsbeauftragte genannt. Auf 30 Jahre blickt im "Radiofeuilleton" die ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John, zurück. Frau John, Sie werden von den Berliner Türken als "große Schwester" bezeichnet. Von anderer Seite warf man Ihnen genau das vor, nämlich nicht kritisch genug mit den Migranten umgegangen zu sein.
John: Die Erwartungen, die manchmal an mich herangetragen worden sind, waren zum Beispiel: "Sie müssen sich in den Medien hinstellen und müssen die mal zusammenstauchen!". Und dann habe ich gesagt, was soll ich denen denn sagen? Na ja, dass die eigentlich wieder zurückgehen müssen und dergleichen mehr. Das heißt, da war dieses allgemeine Unbehagen, dass wir nun ein Einwanderungsland geworden sind, das sollte ich nun denen sagen, die zum Teil darum zittern mussten, überhaupt noch ein Tag länger hierzubleiben oder wo die Gesetze sie in einer Limbo, in einem Ungleichgewicht hielten und gar nicht sicher waren. Das ist nicht die Aufgabe einer Integration- oder Ausländerbeauftragten.
Die Aufgabe einer solchen Person ist, natürlich eine Brücke zu bauen zwischen ihnen und der Verwaltung und der Politik und sich dafür einzusetzen, dass das, was unvermeidlich ist, und unvermeidlich ist die volle Integration, die volle rechtliche Gleichstellung, dass das auch passiert, und dass die Menschen anfangen sich zu identifizieren mit Deutschland. Dass sie sagen, ja, das ist das Land. Ich bin hierher gekommen, aber ich will jetzt auch hier sein und ich will einen Beitrag leisten.
Heise: In der Kopftuchdebatte, da warf man Ihnen vor, sie hätten islamistische Tendenzen unterschätzt. Würden Sie heute anders agieren?
John: Nein, ganz im Gegenteil. In der Kopftuchdebatte habe ich einfach den Standpunkt, dass Menschen, Frauen selber bestimmen sollen, können, was sie tragen und was sie nicht tragen und nicht unter dem Diktat stehen, jeder, der ein Kopftuch hat, ist nun eine Islamistin. Genau das ist ja eine fahrlässige Behauptung, die in starkem Maße zur Ausgrenzung von Frauen führt. Und es ist ja sehr schwierig für eine Frau, die ein Kopftuch trägt, etwa eine Stelle als Kassiererin an der Kasse zu tragen, als Ärztin zu arbeiten und, und, und. Das alles sind genau diese Ausgrenzungen, die man beklagt, die man aber selber durch solche allgemeinen Vermutungen herstellt.
Ich habe da eine ganz entschiedene Meinung und ich sehe, dass das auch bestätigt wird. Je mehr wir verbieten auf dem Gebiet, was gar nicht gefährlich ist, ein Kopftuch ist nichts Gefährliches, desto mehr geraten natürlich junge Frauen und auch andere in eine Trotzhaltung und sagen, jetzt erst recht. Je normaler man das ansieht, umso eher wird es auch nicht einfach als Automatismus genutzt oder als Reflex gegenüber einer Gesellschaft, von der man glaubt, dass sie einen nicht haben will.
Heise: In der Debatte haben Sie sich natürlich auch mit türkischen Frauenrechtlerinnen angelegt. Seit Sie nicht mehr Integrationsbeauftragte sind, ist die Sprachförderung Ihr Metier. Nimmt man jetzt mal Bildung und Arbeitsmarktsituation als Gradmesser der Integration, sieht es natürlich nach wie vor nicht gut aus in Deutschland?
John: Na ja, weil da natürlich ganz grundlegende strukturelle Änderungen erfolgen müssen, die wir in Berlin jetzt angepackt haben. Wir sind das erste Bundesland, das allen, die ein Lehrerstudium aufnehmen, nahelegen, nicht nur nahelegen, sondern alle verpflichten zu wissen, wie man Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. Egal ob das nun ein Physik- oder Chemielehrer ist, er muss Leistungspunkte in diesem Fach erwerben, sodass wir in wenigen Jahren, in zwei Jahren wirklich schon Lehrer in der Schule haben, in der Grundschule, in anderen Schulen, die das endlich können.
Heise: Das Wort Integration mal wörtlich genommen, Herstellung eines Ganzen, da müsste sich ja der Integrationsbeauftragte irgendwann selber mal überflüssig gemacht haben. Sehen Sie das?
John: Na ja, das war der erste Satz, den ich so gestottert habe, als ich noch gar nicht Ausländerbeauftragte war. Aber das ist natürlich schon eine Vision, selbstverständlich, wenn es nicht so wäre, dass wir nun tatsächlich immer mehr Menschen brauchen, die einwandern müssen, einfach aufgrund der demografischen Entwicklung. Das heißt, es wird immer Neue geben, die solchen Hilfen brauchen. Aber ich denke auch, dass inzwischen sich die Strukturen, wir haben ja inzwischen nicht nur einen Beauftragten, wir haben ein Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wir haben ein Integrationsprogramm, wir haben einen nationalen Integrationsplan, den NIP usw., dass inzwischen das Wort und das Konzept, das dahintersteht, überall so angekommen ist, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Insofern wird man irgendwann natürlich solche Stellen auch nicht mehr brauchen. Eine Weile wird es schon noch dauern. Man braucht einen Motor, aber irgendwann hat dann jeder seinen Motor und er stellt sich von selber ein.