Ballast der Einheit
"Abbau Ost" von Olaf Baale ist ein schlecht belegter Verriss der deutschen Einheit. Das Buch wäre durchaus ein Beitrag zur gesamtdeutschen Geschichte geworden, wenn der Autor tatsächlich beschrieben hätte, wie die Ostdeutschen die Jahre vor und nach 1990 erlebt haben.
Olaf Baale unterstützt eine gute Idee. Er plädiert für eine gesamtdeutsche Geschichtsschreibung, eine, die fair zurückschauen, viele Blickwinkel zulassen und vor allem auch die Schulbücher beeinflussen würde.
"Wer entwirft ein ausgewogenes, wirklich authentisches Bild von der DDR? (…)Wer zeigt der Welt, wie die Ostdeutschen von den eigenen Landsleuten über den Tisch gezogen wurden?"
Er möchte es gern. Und sein Taschenbuch wäre durchaus ein Beitrag zu dieser gesamtdeutschen Geschichte geworden, wenn er sich nicht mit Bausch und Bogen den großen und schlecht belegten Verriss der deutschen Einheit von der Seele geschrieben, sondern beschrieben hätte, wie die Ostdeutschen die Jahre vor und nach 1990 erlebt haben.
"Das westdeutsche Modell wurde mit der D-Mark eins zu eins auf Ostdeutschland übertragen und alle Spuren, die auch nur entfernt an die DDR erinnerten, restlos getilgt.
Niemand, der das erleben musste, wird vergessen, wie dreist auftretende Treuhandmitarbeiter die totale Macht ihrer Behörde ausnutzten und lebenserfahrene, gebildete Menschen mit ihrer Unfähigkeit und ihrem schlechten Benehmen traktierten."
Olaf Baale ist ein Nostalgiker. Er hält die deutsche Einheit für ökonomisch gescheitert und politisch vertan. Die Währungsunion sie falsch gewesen, die Einheit zu früh und die Privatisierung der Betriebe zu schnell gekommen.
"Die westdeutsche Gesellschaft war 1990 nicht in der Verfassung, dass sie die DDR übernehmen und den Weg zu Freiheit und Wohlstand weisen könnte."
Er trauert den Runden Tischen in der Wendezeit nach und vor allem der Chance, Ostdeutschland mit vielen eigenen Ideen als zweiten deutschen Staat zu demokratisieren. Zumal am Runden Tisch noch die alte Elite saß, der er mehr zutraute als neuen Politikern aus der Bürgerrechtsbewegung.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die alte SED-Machtelite die Interessen der DDR-Bevölkerung besser vertreten hätte als die neue politische Klasse.
Widerspricht sich aber selbst, wenn er stauend einräumt, wie schnell die alte Führung in der Wendezeit von sich resignierte. Diese Wende scheint ihm zudem nicht allein ein Scheitern der SED oder ein Sieg der Opposition zu sein, sondern vor allem ein Erfolg der westdeutschen Massenmedien – ein zweifelhafter, wie er meint.
"Diese nur den Gesetzen der Nachrichtenproduktion folgende, zuspitzende Berichterstattung wurde noch ergänzt durch oftmals den Boden der Legalität verlassende Bemühungen, die Oppositionellen innerhalb und außerhalb der DDR bekannt zu machen."
Besser hätte es auch ein Mann des Apparates nicht ausdrücken können. Wenn, dann hatten die Journalisten aus dem Westen nur deswegen eine so überragende Rolle, weil es in der DDR weder Pressefreiheit noch legale Opposition geben durfte – durchaus zum Schaden der SED und des Projektes eines zweiten deutschen Staates. Wenn schon dieser gescheitert sei, so wirft er den unerfahrenen Politikern der Wendezeit vor, so hätten sie Erprobtes aus der DDR-Zeit bewahren sollen.
"Der Bruch mit dem Schulsystem der DDR war nie wirklich begründet worden."
… ein Beispiel, das ja derzeit in der Diskussion um das Abitur nach 12 Jahren wieder sehr aktuell ist. Olaf Baale bedauert auch, dass aus der Verfassungsdiskussion in der Praxis nichts herausgekommen, ja dass mit dem westdeutschen Rechtssystem die Bürokratie nach Osten zog.
"An die Stelle des Parteiapparats war die Treuhandanstalt getreten."
Vieles ist zur Arbeit der Treuhandanstalt gesagt worden und Olaf Baale wiederholt es. Er verkennt, dass die Industrie wieder Wachstumsträger in Ostdeutschland ist, dass durchaus eine zukunftsfähige Forschungslandschaft gibt, dass ein Mittelstand herangewachsen ist. Und er verkennt auch, dass viele alte Industrieregionen in Europa und den USA denselben Prozess durchleben, dass die Zahl der Arbeitsplätze von früher nicht zurückkehrt.
Dieses Sachbuch, das nicht sachlich ist, sei alten Kadern empfohlen, die sich eins ums andere Mal zum Bier verabreden, um über alte Zeiten zu reden, nachdem sie wieder einen Kameraden zu Grabe getragen haben.
Olaf Baale: Abbau Ost - Lügen, Vorurteile und sozialistische Schulden
dtv – Deutscher Taschenbuchverlag, München 2008
"Wer entwirft ein ausgewogenes, wirklich authentisches Bild von der DDR? (…)Wer zeigt der Welt, wie die Ostdeutschen von den eigenen Landsleuten über den Tisch gezogen wurden?"
Er möchte es gern. Und sein Taschenbuch wäre durchaus ein Beitrag zu dieser gesamtdeutschen Geschichte geworden, wenn er sich nicht mit Bausch und Bogen den großen und schlecht belegten Verriss der deutschen Einheit von der Seele geschrieben, sondern beschrieben hätte, wie die Ostdeutschen die Jahre vor und nach 1990 erlebt haben.
"Das westdeutsche Modell wurde mit der D-Mark eins zu eins auf Ostdeutschland übertragen und alle Spuren, die auch nur entfernt an die DDR erinnerten, restlos getilgt.
Niemand, der das erleben musste, wird vergessen, wie dreist auftretende Treuhandmitarbeiter die totale Macht ihrer Behörde ausnutzten und lebenserfahrene, gebildete Menschen mit ihrer Unfähigkeit und ihrem schlechten Benehmen traktierten."
Olaf Baale ist ein Nostalgiker. Er hält die deutsche Einheit für ökonomisch gescheitert und politisch vertan. Die Währungsunion sie falsch gewesen, die Einheit zu früh und die Privatisierung der Betriebe zu schnell gekommen.
"Die westdeutsche Gesellschaft war 1990 nicht in der Verfassung, dass sie die DDR übernehmen und den Weg zu Freiheit und Wohlstand weisen könnte."
Er trauert den Runden Tischen in der Wendezeit nach und vor allem der Chance, Ostdeutschland mit vielen eigenen Ideen als zweiten deutschen Staat zu demokratisieren. Zumal am Runden Tisch noch die alte Elite saß, der er mehr zutraute als neuen Politikern aus der Bürgerrechtsbewegung.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die alte SED-Machtelite die Interessen der DDR-Bevölkerung besser vertreten hätte als die neue politische Klasse.
Widerspricht sich aber selbst, wenn er stauend einräumt, wie schnell die alte Führung in der Wendezeit von sich resignierte. Diese Wende scheint ihm zudem nicht allein ein Scheitern der SED oder ein Sieg der Opposition zu sein, sondern vor allem ein Erfolg der westdeutschen Massenmedien – ein zweifelhafter, wie er meint.
"Diese nur den Gesetzen der Nachrichtenproduktion folgende, zuspitzende Berichterstattung wurde noch ergänzt durch oftmals den Boden der Legalität verlassende Bemühungen, die Oppositionellen innerhalb und außerhalb der DDR bekannt zu machen."
Besser hätte es auch ein Mann des Apparates nicht ausdrücken können. Wenn, dann hatten die Journalisten aus dem Westen nur deswegen eine so überragende Rolle, weil es in der DDR weder Pressefreiheit noch legale Opposition geben durfte – durchaus zum Schaden der SED und des Projektes eines zweiten deutschen Staates. Wenn schon dieser gescheitert sei, so wirft er den unerfahrenen Politikern der Wendezeit vor, so hätten sie Erprobtes aus der DDR-Zeit bewahren sollen.
"Der Bruch mit dem Schulsystem der DDR war nie wirklich begründet worden."
… ein Beispiel, das ja derzeit in der Diskussion um das Abitur nach 12 Jahren wieder sehr aktuell ist. Olaf Baale bedauert auch, dass aus der Verfassungsdiskussion in der Praxis nichts herausgekommen, ja dass mit dem westdeutschen Rechtssystem die Bürokratie nach Osten zog.
"An die Stelle des Parteiapparats war die Treuhandanstalt getreten."
Vieles ist zur Arbeit der Treuhandanstalt gesagt worden und Olaf Baale wiederholt es. Er verkennt, dass die Industrie wieder Wachstumsträger in Ostdeutschland ist, dass durchaus eine zukunftsfähige Forschungslandschaft gibt, dass ein Mittelstand herangewachsen ist. Und er verkennt auch, dass viele alte Industrieregionen in Europa und den USA denselben Prozess durchleben, dass die Zahl der Arbeitsplätze von früher nicht zurückkehrt.
Dieses Sachbuch, das nicht sachlich ist, sei alten Kadern empfohlen, die sich eins ums andere Mal zum Bier verabreden, um über alte Zeiten zu reden, nachdem sie wieder einen Kameraden zu Grabe getragen haben.
Olaf Baale: Abbau Ost - Lügen, Vorurteile und sozialistische Schulden
dtv – Deutscher Taschenbuchverlag, München 2008

Olaf Baale: Abbau Ost© dtv