Balkan-Konferenz

"Die Strahlkraft der EU hat nachgelassen"

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eröffnet die Wirtschaftskonferenz zum westlichen Balkan in Berlin, 28. August 2014
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel bei der Eröffnung Wirtschaftskonferenz zum westlichen Balkan in Berlin. © picture alliance / dpa
Moderation: Sonja Gerth und Oliver Thoma · 28.08.2014
Welche Fortschritte machen die Balkan-Staaten bei ihrer Annäherung an die EU? Das ist das Thema der internationalen Balkan-Konferenz in Berlin. Doch vor Ort, in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, blicke so mancher skeptisch nach Brüssel, meint der Balkanexperte Jens Reuter.
In vielen Nachfolgestaaten Jugoslawiens sei die Europäische Union auch mit vergeblichen Erwartungen verbunden, sagte der Balkanexperte Jens Reuter im Deutschlandradio Kultur:
"Die Strahlkraft der Europäischen Union, die früher einmal sehr groß war, hat eigentlich mit den Jahren und auch mit enttäuschten Hoffnungen nachgelassen. Man vermisst natürlich auch den charismatischen Führer. Der jetzt also diesen Ländern Versprechen machen und sie dann auch einhalten kann. Also Leute wie Putin oder Erdogan."
Solche charismatischen Führer habe die EU schon aufgrund ihrer Struktur nicht zu bieten. Bundeskanzlerin Angela Merkel werde mehr in der Rolle einer "strengen Lehrerin oder Zuchtmeisterin" gesehen, die den Balkan-Ländern ihre Hausaufgaben vorgebe.
Die EU habe allerdings auch einen einen Riesenvorteil, äußerte Reuter: "Sie hat nämlich Geld." So wolle sie bis zum Jahr 2020 rund 11,7 Milliarden Euro für den West-Balkan bereit stellen. So etwas könne natürlich weder die Türkei noch Russland leisten:
"Dennoch ist es so, dass man unterscheiden muss zwischen den Politikern in den Balkan-Staaten, die im Allgemeinen ganz genau wissen, wo die Zukunft ihrer Länder eigentlich nur liegen kann. Und dann gibt es die Stimmung der normalen Menschen, die einfach enttäuscht sind, dass nicht viel vorwärts gegangen ist."
Mit der Balkan-Konferenz will die Bundesregierung einen Prozess der Aussöhnung und Annäherung des Balkans an die EU einleiten. Dazu sind heute die politischen Spitzen der sieben Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albaniens nach Berlin gekommen. Sie werden am Nachmittag von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt empfangen.
Der Balkanexperte Jens Reuter war früher Mitarbeiter am Südost-Institut der Uni München und Direktor des Südosteuropazentrums Thessaloniki.
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