Westbalkankonferenz

Annähern und Aussöhnen

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Serbiens Premierminister Aleksandar Vucic.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Serbiens Premierminister Aleksandar Vucic. © AFP / John Macdougall
Von Stephan Detjen · 28.08.2014
Mit der Westbalkankonferenz will die Bundesregierung Südosteuropa und die EU stärker aneinanderbinden und den Frieden sichern. Dass Serbien und Kosovo gemeinsam an diesem Ziel mitarbeiten, gilt bereits als Fortschritt. Doch das Treffen wird von Krisen überschattet.
Anfang des Jahres dachte man im Kanzleramt darüber nach, was die Bundesregierung zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren beitragen könne. Man wolle nicht nur zurückblicken, sondern das Datum auch zum Anlass nehmen, die Lösung von gegenwärtigen Problemen voranzubringen, fanden Angela Merkel und ihr Vizekanzler Sigmar Gabriel. So entstand die Idee, eine ambitionierte Initiative zur Balkanpolitik zu ergreifen. Niemand ahnte damals, dass die Konferenz, zu der die Regierungschefs von acht Staaten des westlichen Balkans für heute nach Berlin geladen wurden, von der Eskalation der Krisen in der Ukraine und im Nordirak überlagert sein würde.
Absagen aber wollte man deswegen nicht mehr – schließlich ist bereits viel Vorarbeit geleistet worden: Im Juni war Angela Merkel zu einem Gipfel der Staatschefs der Westbalkan-Gruppe nach Dubrovnik gereist und hatte ihnen Unterstützung auf einem Weg zugesagt, dessen Ziel für einige der Länder noch in weiter Ferne liegen dürfte.
Merkel: "Wir stehen als Bundesrepublik Deutschland klar zur EU-Perspektive aller Staaten der Region."
EU-Mitgliedschaft als Ansporn
Nur Kroatien und Slowenien haben als Neumitglieder der EU bereits erreicht, was die anderen Teilnehmerstaaten der Westbalkan-Konferenz noch anstreben: Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Albanien, Kosovo – die Mitgliedschaft ist für sie alle der Ansporn, an dem Prozess mitzuwirken, der heute in Berlin eingeleitet werden soll.
Dass die Regierungschefs von Serbien und Kosovo heute im Kanzleramt überhaupt an einem Tisch miteinander sitzen und gemeinsam am Annäherungsprozess an die EU arbeiten wollen, gilt als Ausdruck der Fortschritte, die 20 Jahre nach Ausbruch des letzten Balkankrieges in der einstigen Krisenregion erreicht wurden. Albanien werden Erfolge im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption zugebilligt.
Große Probleme aber stehen nach wie vor ungelöst auf der Agenda. Vor allem Bosnien-Herzegowina gilt als Sorgenkind der Region. Den drei dominierenden Bevölkerungsgruppen – Serben, muslimische Bosniaken und Kroaten – gelingt es kaum, gemeinsame Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen zu etablieren. Erst vor Kurzem wurde das Land vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erneut wegen der Diskriminierung anderer Bevölkerungsgruppen verurteilt.
In mehreren Balkan-Ländern wächst die Sorge, dass Teile der Regionen zu Anziehungspunkten für radikalisierte Muslime und Dschihadisten werden könnten. Eine vorbeugende Diplomatie soll deshalb das Entstehen neuer Krisenherde in Europa verhindern. Die Westbalkan-Konferenz, zu der neben den Regierungschefs der acht Länder auch die Finanz- und Wirtschaftsminister sowie Wirtschaftsdelegationen nach Berlin kommen, soll nur der Auftakt für einen auf vier Jahre angelegten Prozess sein. Die erste Folgekonferenz soll nächstes Jahr in Wien stattfinden, 2016 will Frankreich die Gastgeberrolle übernehmen.
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