Bahnstreik

Weselsky: Bahnkunden erleben Schmierenkomödie

Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, am 05.11.2014 auf einer Pressekonferenz zum Streik der Lokführer.
Um pünktlich zu sein, ist Weselsky mit dem Auto nach Tübingen gekommen, nicht, wie er sagt, weil er Angst vor den wütenden Bahnreisenden habe. © imago / CommonLens
Von Michael Brandt · 06.05.2015
Natürlich sei es denkbar, dass der Streik vorzeitig beendet werde, wenn die Bahn ein vernünftiges Angebot vorlege, sagt GDL-Chef Weselsky. Zu der Diskussion mit Tübinger Juristen über das Tarifeinheitsgesetz ist er mit dem Auto gekommen.
Da steht er also, der Mann, den einige 100.000 verhinderte Bahnfahrer derzeit am liebsten auf den Mond schießen würden, und lässt sich vor dem Hörsaal 25 in der Tübinger Uni von ein paar Fans feiern.
"Ich wünsch euch was!" (Applaus)
Knapp zehn GdL-Mitglieder, einer sogar in Bahnuniform, sind gekommen, um ihren Gewerkschaftschef Claus Weselsky zu begrüßen, der den Abend des ersten großen Streiktags nicht in Berlin oder Köln, sondern im beschaulichen Tübingen verbringt, wo er vor fast einem halben Jahr zugesagt hat, bei einer Diskussion über das Tarifeinheitsgesetz teilzunehmen.
"Die Terminierung hat schon im letzten Jahr im Dezember im Einvernehmen mit Weselsky stattgefunden, dass der Streik da noch nicht zu Ende sein könnte, war damals noch nicht abzusehen. Insofern ein glücklicher Zufall."
... sagt der Arbeitsrechtler Hermann Reichold, der zu der Veranstaltung der ehrwürdigen Juristischen Gesellschaft Tübingen eingeladen hat, und er fügt hinzu, dass die Veranstaltung kein Forum gegen eine Person - also Weselsky - werden soll. Und der gibt sich als Überzeugungstäter:
"Ich hab ja eins gelernt: Mit flotten Sprüchen kommt man ja ziemlich weit. Und deshalb darf ich mich an dieser Stelle auch nicht dafür entschuldigen, dass ich die Interessen von Lokführern, so gut ich es kann, verteidige."
GDL-Chef Claus Weselsky (Mitte Podium) zu Gast bei den Tübinger Juristen bei einer Diskussionsveranstaltung über das Tarifeinheitsgesetz.
GDL-Chef Claus Weselsky (Mitte Podium) zu Gast bei den Tübinger Juristen bei einer Diskussionsveranstaltung über das Tarifeinheitsgesetz.© Deutschlandradio - Michael Brandt
Juristen geben Weselsky in der Sache recht
Zum Thema des Abends ist für den GdL-Chef klar, dass das Tarifeinheitsgesetz, das noch in diesem Sommer verabschiedet werden soll, und nach dem nur noch die Gewerkschaft Tarifverträge abschließen kann, die in einem Betrieb die meisten Mitglieder hat, gegen die GdL gerichtet ist, und dass es verfassungswidrig ist und er wirft der Bahn vor diesem Hintergrund vor, gar keinen Tarifabschluss so wollen:
"Die Deutsche Bahn hat im Juni 2014 für sich fest entschieden, keine Tarifverträge mit der GdL abzuschließen. Und Sie erleben als Bahnkunden die Schmierenkomödie, immer zu betonen, dass man eigentlich verhandeln will, aber nichts zu tun, um zu eine Ergebnis zu kommen."
Und das Erstaunliche an diesem Abend ist, dass ihm die anwesenden Juristen zumindest in der Sache, in der Kritik an dem Gesetz, Recht geben. Der Passauer Arbeitsrechter Frank Bayreuther spricht davon, dass das Gesetz handwerklich kein Meisterstück sei, und Gastgeber Hermann Reichold sagt sogar:
"Die Mehrheit der Gutachten ist der Meinung, dass das ein verfassungswidriges Gesetz ist. Man muss hier wohl eindeutig sagen, dass die Sparten- oder Berufsgruppengewerkschaften in ihrer Existenz deutlich bedroht sind."
Veranstaltung sprengt akademischen Rahmen
Im Hörsaal sitzen natürlich nicht nur Juristen, sondern auch ganz normales studentisches Publikum, das durchaus Sympathie für Weselsky zeigt. Jobst Hubertus Bauer, ein renommierter auf Arbeitsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, der eine klare Gegenposition zu dem Gewerkschafter vertritt, hat es schwer:
"Es gibt hier ganz erhebliche Rechte anderer, die gebrochen werden durch diese unsägliche Streikorgien, die jetzt zum achten Mal ..." (geht unter in Gejohle)
Was die Zeit angeht, hat die Veranstaltung den akademischen Rahmen schon lange gesprengt, als die Diskussion um kurz vor 10 zu Ende geht. Die Juristen verlassen den Hörsaal, es bleiben die, die vielleicht schon vorher, vielleicht auch an diesem Abend Weselsky-Fans geworden sind. Ein Foto mit dem Gewerkschaftschef, ein paar Sätze oder einfach ein Händedruck.
"Danke, ich bin selber IG-Metall-Mitglied und Vertrauensmann und weiß, dass es auch in der IG Metall genug Leute gibt, die hoffen, dass ihr durchhaltet."
Unterdessen hat Bahnvorstand Rüdiger Grube per "Bild"-Zeitung angekündigt, dass er heute einen Lösungsvorschlag für die Tarifauseinandersetzung vorlegen will. Weselsky sagt dazu dem Deutschlandradio:
"Wenn es denn so sein sollte, das die Deutsche Bahn wieder glaubt, mit medialem großen Tamtam wieder etwas vorzulegen, was uns unter Zugzwang bringt - wir prüfen sehr gründlich."
Natürlich sei es denkbar, dass der Streik vorzeitig beendet werde, wenn die Bahn ein vernünftiges Angebot vorlege, sagt er. Aber die Bedingungen müssten klar sein:
"Nämlich die Zusage erstens, für alle unsere Mitglieder Tarifverträge abzuschließen und zweitens, den Flächentarif fortzuführen und für alle unsere Mitglieder zur Anwendung zu bringen."
Dann spreche auch nichts gegen einen Schlichter.
Nach Tübingen war Weselsky an diesem Abend übrigens mit dem - wie er sagte - alternativen Verkehrsmittel Auto gekommen. Und zwar vor allem, um pünktlich zu sein - jedenfalls nicht, wie er sagt, weil er Angst vor den wütenden Bahnreisenden hatte:
"Daran liegt das bestimmt nicht. Ich fahre Zug und etwa zwei Drittel meiner Dienstreisen findet mit der Eisenbahn statt. Auch übrigens in Streikzeiten. Da bin ich weder ängstlich noch habe ich was zu verbergen."
Mehr zum Thema