Bad Hersfelder Festspiele

Rückkehr an einen magischen Ort

11:07 Minuten
Schauspielerin Abla Aloui (l-r, Lotte im Musical "Goethe!"), Intendant Joern Hinkel, und die Schauspieler-Kollegen Götz Schubert (Keating im "Club der toten Dichter) und Philipp Büttner (Goethe im Musical "Goethe!") stehen in der Bad Hersfelder Stiftsruine vor Pult und Tafel. Die Bad Hersfelder Festspiele sollen am 1. Juli mit einer Bühnenversion des Hollywoodfilms «Der Club der toten Dichter» eröffnet werden.
Abla Aloui, Joern Hinkel, Götz Schubert und Philipp Büttner arbeiten an der Auftaktinszenierung, einer Bühnenversion des Filmklassikers "Der Club der toten Dichter". © picture alliance / dpa / Uwe Zucchi
Joern Hinkel im Gespräch mit André Mumot · 26.06.2021
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Die Bad Hersfelder Festspiele eröffnen ihr Jubiläumsfestival zum 70. Geburtstag mit dem "Club der toten Dichter", inszeniert von Intendant Joern Hinkel. Er erklärt, was er sich vom Sommertheater unter freiem Himmel erwartet.
Die Theater spielen wieder, viele gehen nicht in die übliche Sommerpause, und auch die Open-Air-Bühnen öffnen ihre Pforten: Die Zeit der Bühnen-Festivals im In- und Ausland ist angebrochen.
Nun fällt auch der Startschuss für die Bad Hersfelder Festspiele, die im vergangenen Jahr ausfallen mussten. Gefeiert wird das 70-jährige Jubiläum dieser Institution, die ihr Publikum in die berühmte regionale Stiftsruine lädt.
Ein idealer Aufführungsort, denn die Zuschauer sitzen überdacht im Freien. Auf dem Programm stehen ein Goethe-Musical und eine vom Intendanten Joern Hinkel inszenierte Adaption des Films "Der Club der toten Dichter".
"Es ist einfach ein unglaublich schönes Gefühl, mit den Kollegen auch von hinter der Bühne endlich wieder an die Arbeitsstätte zurückzukehren", sagt Hinkel. "Wir freuen uns alle sehr, dass wir auch alle wieder vor Zuschauern stehen können und nicht nur im Internet auf digitalen Wegen das zeigen können, was wir mal gelernt haben."

"Eine Stadt blüht auf"

Ob es in diesem Jahr mit den Aufführungen vor Publikum tatsächlich klappen würde, war lange nicht ganz klar. Das Risiko wurde aber bewusst in Kauf genommen:
"Man schimpft als Künstler gern über die Politiker und über die Stadt. Ich bin aber der Stadt Bad Hersfeld, die Veranstalterin ist, wirklich unglaublich dankbar. Die haben das Risiko mit uns getragen und gesagt: Uns sind die Festspiele so viel wert, die ganze Stadt blüht auf, wenn in Bad Hersfeld Festspiele sind. Im Frühjahr wurde über alle Parteien hinweg entschieden, dass wir das riskieren."
Nun wird also Jubiläum gefeiert – 70 Jahre eines Festivals, das auch "das Salzburg des Nordens" genannt wird. Große Stars sind dort ein- und ausgegangen, in der Nachkriegszeit etwa traten Paula Wessely und Elisabeth Flickenschildt in Bad Hersfeld auf.
Auch Skandale hat es gegeben: 2018 trat Dieter Wedel von seiner Intendanz wegen der Vorwürfe sexueller Übergriffe zurück. Joern Hinkel übernahm damals und leitet das Festivals seitdem.

"Jahrzehnte an Erinnerungen"

In diesem Jahr wird "Momo" gespielt. "Beppo der Straßenkehrer sagt: Wenn die Straße so und so lang ist, kann man sie eigentlich nur schaffen, wenn man Schritt für Schritt denkt."
Eine Weisheit, die Hinkel auch auf die Geschichte des Festivals anwendet:
"Ich denke daran, dass es eine ganz tolle, große Aufgabe ist, an diesem magischen Spielort Theater zu machen, zu spielen und die Zuschauer zu inspirieren und zu begeistern. Da denkt man dann gar nicht die ganze Zeit darüber nach, wer hier schon alles stand, sondern man denkt an den nächsten Tag und an die Sache, die gerade ansteht."
Das große Erbe dieser Theaterinstitution sei jedoch immer fühlbar, wie Hinkel sagt. "Trotzdem strahlt dieser Ort auch das aus, was dort alles schon geschehen ist. Viele Zuschauer verbinden damit viele Jahre oder Jahrzehnte an Erinnerungen. Diese Verantwortung ist groß, deren sind wir uns auch alle bewusst."

Ein Programm für sommerliche Abende

Für die Auftaktinszenierung, eine Adaption des 1989 entstandenen Kultfilms "Der Club der toten Dichter" von Peter Weir, hat Hinkel mit dem Autor des Drehbuchs, Tom Schulman, direkt zusammengearbeitet. Er hat auch schon Kafka hier aufgeführt, insgesamt aber seien populäre Stoffe fürs Sommer-Open-Air womöglich doch geeigneter, so der Intendant:
"Wenn ich von mir als Zuschauer ausgehe, will ich im Sommer vielleicht nicht die ganz intellektuelle Totalüberforderung haben, wenn ich da abends an einem schönen Sommertag sitze und das genießen will", räumt Hinkel ein. "Ich will auch nicht ein Regiekonzepttheater sehen, wo ich erst einmal Literaturgeschichte studiert haben muss, um das zu begreifen."
Gezeigt werden soll also etwas, "was ich verstehe, was mich berührt, was mich emotional anfasst, worüber ich lachen oder weinen kann und mit dem ich einen schönen, manchmal vielleicht auch nachdenklichen Abend erleben kann".
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