Axel-Springer-Preis für Amazon-Chef

"Lobbyismus auf offener Bühne"

HANDOUT - 24.04.2018, Berlin: Amazon-Gründer und «Washington Post»-Eigentümer Jeff Bezos sitzt bei der Verleihung des Axel Springer Awards auf der Bühne. Die Auszeichnung sei eine Würdigung für sein visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft sowie die konsequente Digitalisierungsstrategie der 140 Jahre alten US-Traditionszeitung, erklärte der Medienkonzern zur Begründung.
Amazon-Jeff Bezos bei der Preisverleihung in Berlin. © Axel Springer Verlag / dpa / Biskup
Daniel Bouhz im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 24.04.2018
Amazon-Chef Jeff Bezos hat den Axel-Springer-Preis erhalten. Warum ausgerechnet der Chef eines nicht unumstrittenen Unternehmens? Axel Springer möchte auf diese Weise einen besseren Zugang zu den boomenden Regionen der US-Westküste bekommen, mutmaßt der Medienjournalist Daniel Bouhz.
Axel Rahmlow: Amazon hat unser Leben bequem gemacht – alles von zu Hause aus bestellen, von der Couch aus. Aber das Unternehmen ist natürlich nicht unumstritten, um es mal nett zu formulieren. Es geht um Tarifverträge, es geht um Ausbeutung von Arbeitnehmern, es geht um Steuervermeidung. Deswegen gibt es heute Abend auch eine Demonstration in Berlin, weil der Amazon-Chef, Jeff Bezos, hier ist.
Vladimir Balzer: Und der ist da nicht unbedingt, um sich diese Demo genauer anzuschauen, sondern weil der Axel-Springer-Verlag ihn eingeladen hat, um einen Preis, nämlich den wichtigsten Preis des Verlagshauses, der auch nach dem Gründer genannt ist, nämlich "Axel-Springer-Preis" an ihn zu verleihen, an den Amazon-Chef Jeff Bezos. Daniel Bouhz ist Medienjournalist. Welche Interessen hat der Springer-Verlag eigentlich an Amazon?

Springer will Zugang ins Silicon Valley

Daniel Bouhz: Amazon wird ja gelobt letztlich oder Jeff Bezos für sein visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft, also dass alles, was Amazon macht letztlich, und die konsequente Digitalisierungsstrategie der US-Traditionszeitung "Washington Post", die er 2013 übernommen hat, die so kränkelte. Und inzwischen hat er Geld reingesteckt, die "Washington Post" ist wieder kräftig, ist letztlich auf Augenhöhe mit der "New York Times", ... wenn es um Trump auch geht, und vor allen Dingen durchdigitalisiert.
Es sind extrem viele Entwickler reingesteckt worden. Die "Washington Post" hat ein Redaktionssystem entwickelt unter Bezos, dass inzwischen weltweit letztlich auf den Markt gebracht wurde. Viele Zeitungen überlegen sich, das zu kaufen, weil es extrem einfach ist, damit Inhalte schnell für die mobile Generation zu produzieren. Und Axel Springer versucht offensichtlich, mit dem Axel-Springer-Award, einen Zugang zum Silicon Valley zu bekommen, zu Konzernen wie Amazon, der jetzt wiederum in Seattle sitzt, nicht im Silicon Valley, aber stellvertretend. Der erste Preis, die Verleihung hatte ich mir auch selbst angesehen im Axel-Springer-Haus in Berlin, ging ja an Mark Zuckerberg, den Facebook-Gründer. Also, für mich sieht das schon so aus, als wäre das letztlich der Versuch, ein paar Stunden Zeit zu bekommen, mit diesen mächtigen Digitalmenschen unserer Zeit, die sich ja sonst vielleicht überlegen würden, na ja, warum soll ich mit dem vergleichsweise – aus ihrer Perspektive – kleinen Haus in Berlin letztlich Kontakt aufnehmen.
Balzer: Ist das eigentlich die Zukunft tatsächlich von Amazon, weniger Versand als eben digitales Medienhaus, mit den Videodiensten Amazon Prime und dem Audiodienst Audible?

Bezos hat viel Fleißarbeit in sein Geschäft gesteckt

Bouhz: Ja, unbedingt. Das, was Bezos geschaffen hat, praktisch weltweit den Versand zu digitalisieren, das ist letztlich natürlich eine große Fleißarbeit gewesen, aber das ist eine Infrastruktur, das heißt, es gibt Millionen Kunden in vielen Ländern dieser Welt, und dort sozusagen setzt Amazon jetzt digitale Produkte oben drauf, die, a, den Vorteil haben, dass man diesen lästigen analogen Paketversand nicht mehr hat, und, b, auch letztlich die Chance bieten, auch Inhalte vielleicht zu steuern, das ist das Risiko dabei, aber jedenfalls bei Inhalten auch mitzumischen.
Also, Amazon Prime ist eine extrem erfolgreiche Videoplattform, die nicht nur das generiert, was sowieso auf dem Markt ist an Serien, an Filmen, sondern inzwischen selbst auch mit Millionen an Produzenten herantritt. Matthias Schweighöfer hat eine Serie produziert zum Beispiel für den deutschen Markt, da kommt demnächst die zweite Staffel auf den Markt, da setzt man auch auf Kontinuität. Amazon hat mit Audible erst mal in Anführungszeichen nur in Hörbüchern gemacht, jetzt machen sie in Podcasts. Das heißt, sie sind auch journalistisch unterwegs mit eigenen Inhalten als Amazon-Tochter. Und Amazon hat auch zum Beispiel die Bundesliga-Audiorechte sich gesichert auf dem deutschen Markt, also ist da auch auf sehr lokalen Märkten unterwegs und nicht nur international, und mischt dort letztlich als Inhalte-Anbieter auch mit.
Matthias Schweighöfer kommt am 15.03.2017 in Berlin zur Premiere der ersten deutschen Amazon Original Serie "You are Wanted". Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB
Matthias Schweighöfer in Berlin bei der Premiere der ersten deutschen Amazon Original Serie "You are Wanted". © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Balzer: Und da sind wir auch wieder bei Springer. Hat denn dann der Springer-Verlag wiederum etwas von solchen Diensten wie Amazon Prime und Audible? Der Springer-Verlag macht ja auch Fernsehen.

Springer-Chef Döpfner sucht das Gespräch

Bouhz: Der Springer-Verlag macht Fernsehen, die "Bild"-Zeitung zum Beispiel von Axel Springer macht auch intensiv inzwischen in Podcasts, in Audioangeboten, konkurriert damit letztlich auch mit Audible oder könnte Audible perspektivisch auch als Plattform nutzen. Natürlich ist das, was Amazon alles anbietet, für Axel Springer als Distributionsplattform, als Verbreitungsplattform auch interessant.
Und was man, glaube ich, sehen kann, ist, dass Matthias Döpfner, der Axel-Springer-Konzernchef, auch versucht, über diese exklusiven Zugänge, mit der Preisverleihung also ein paar Stunden mit Mark Zuckerberg und jetzt mit Jeff Bezos zu haben, auch intensiv darüber zu sprechen, wo denn die Grenzen sind, also wo die Digitalkonzerne sich nicht weiter ausbreiten dürfen. Mark Zuckerberg hat er vor laufenden Konzernkameras gesagt, sie sollen nicht Chefredakteure spielen, das sollen die Medien selbst machen können. Also: Ja, seid eine gute digitale Plattform, aber nein, steuert nicht, welche Inhalte zu sehen sind und welche nicht. Also auch das Stichwort Zensur spielt da immer eine Rolle, und das ist, glaube ich, ein Risiko, über das auch ein Konzern wie Axel Springer mit einem Investor letztlich auch und einem Betreiber wie Jeff Bezos eins zu eins reden möchte. Und über den Preis sichern sie sich dafür auch mal die Möglichkeit, tatsächlich eins zu eins zu reden.

Mächtige Giganten

Rahmlow: Aber das ist doch in dem letzteren Fall, den Sie angesprochen haben, eher die Angst vor Konkurrenz, oder?
Bouhz: Ja, genau. Es geht natürlich auch darum, klar Grenzen aufzuzeigen und zu sagen, wenn ihr mit einer großen Marktmacht rangeht, dann habt ihr natürlich auch aus eurer Perspektive die Chance, einen Markt irgendwie aufzurütteln. Natürlich geht es darum, Bezos-Amazon, Zuckerberg-Facebook, das ist immer eine Hassliebe. Das sind große Chancen, diese Plattformen, aber für Konzerne wie Axel Springer, für Medienhäuser, auch kleinere in Deutschland, sind das große Giganten. Wenn die sich einmal überlegt haben, wir greifen auf einem lokalen Markt, auf einer neuen Plattform an – und das machen sie ja stufenweise. Erst Video, dann Audio – wer weiß, vielleicht möglicherweise auch Text jenseits von Büchern – mit Kindle haben sie ja auch eine große, mächtige Plattform beispielsweise auch für Geschriebenes –, dann kann das auch unangenehm werden. Und da lohnt es sich immer, sozusagen letztlich zu lobbyieren, und ich glaube, das, was Matthias Döpfner da auch heute Abend mit Jeff Bezos machen wird, das ist auf offener Bühne Lobbyismus betreiben.
Rahmlow: Springer hätte also Interesse an Amazon, hat auch Bedenken, was Amazon angeht. Warum bräuchte denn Amazon den Springer-Verlag?
Bouhz: Tja, das ist eine gute Frage. Letztlich ist der Axel-Springer-Verlag aus der Perspektive von Amazon relativ klein. Auf der anderen Seite, solche digitalen Plattformen, wenn sie denn Medien anbieten wollen, in welcher Form auch immer, also Audio, Video oder Text, die Kundschaft schätzt Vollständigkeit. Nichts ist ärgerlicher als eine Plattform, auf der man letztlich den einen Titel, den einen Film oder das eine Audioangebot nicht findet, das man sucht. Dann springt man weiter zum nächsten Anbieter. Das heißt, Amazon zum Beispiel hat natürlich das Interesse, auf ihren Plattformen Axel-Springer-Produkte möglichst vollständig auch anzubieten. Das ist eine Möglichkeit auch für Konzerne wie Axel Springer, deutlich zu machen, dass sie gebraucht werden. Das Kräfteverhältnis in Wahrheit sieht aber natürlich schon so aus, dass es ein massives Gefälle ist. Amazon da oben und Axel Springer da unten.
Balzer: Jeff Bezos bekommt den Preis des Springer-Verlags, den Axel-Springer-Preis. Wir haben mit Daniel Bouhz darüber gesprochen. Herzlichen Dank!
Bouhz: Gern!
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