Autor Tom Kummer über Trauerarbeit

"Ich muss eigentlich sterben, damit ich zurück zu Nina kann"

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Der Journalist und Autor Tom Kummer, 3. März 2020 in Bern.
Das Buch sei wie "ein ständiger Dialog mit Nina", sagt Tom Kummer über seinen neuen Roman. © picture Alliance / KEYSTONE / Alessandro della Valle
Moderation: Frank Meyer · 31.03.2020
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Bekannt wurde der Journalist Tom Kummer durch seine Fakeinterviews mit Prominenten. Später trat er erfolgreich als Romanautor in Erscheinung. Sein neues Buch "Von schlechten Eltern" kreist wieder um den Verlust seiner geliebten Frau Nina.
Ein Mann, Tom, verliert seine Frau und kehrt mit dem jüngeren seiner Söhne aus Los Angeles zurück in die Schweiz. Er ist voll Trauer, verzweifelt und auf der Suche nach einem neuen Leben. Nachts fährt er als Chauffeur Diplomaten und Konzernchefs von A nach B. Unterwegs entspinnen sich Dialoge, die zugleich von großer Fremdheit und einer fast unheimlichen Intimität sind.
Hinter Tom verbirgt sich kein anderer als der Journalist und Autor Tom Kummer, der vor 20 Jahren, lange vor seinem Kollegen Claas Relotius, mit Fakeinterviews und –reportagen von sich reden machte. Aus dem Borderlinejournalisten wurde später ein viel gelobter Romanautor.

Fortwährendes Trauern nach dem Verlust

In "Tom und Nina" beschrieb er die Beziehung zu seiner Frau Nina, die 2014 an Krebs starb. Kummer arbeitet sich immer noch an diesem Verlust ab. Das zeigt "Von schlechten Eltern", sein neuer Roman – eine Autofiktion, wie Kummer es selbst nennt. Er erzählt darin seine Geschichte, doch sehr künstlerisch frei aufbereitet.
Das Buch sei wie "ein ständiger Dialog mit Nina", sagt Kummer. Und nicht von ungefähr spiele das Buch fast ausschließlich in der Dunkelheit. "Bei diesen nächtlichen Fahrten versuche ich in Kontakt zu kommen mit Nina. … Es ist diese Vorstellung, dass, wenn man jemanden geliebt hat, man nicht mehr ohne ihn oder sie leben kann. Und das setze ich hier voll ein, weil ich das Gefühl habe, ich muss eigentlich auch sterben, damit ich zu Nina zurückkehren kann."

Beunruhigende Szenen mit dem Sohn

In dem Buch gibt es auch einige beunruhigend erotische Szenen mit seinem Sohn: Als Kummer etwa beschreibt, wie er sich Trost suchend im Bett eng an seinen Sohn schmiegt, ihn umarmt und den (erotischen) Geruch seiner Frau an ihm wiederfindet.
Kummer sieht das so: "Hier ist natürlich die Verzweiflung angedeutet – ich kann nur über meine Kinder zu meiner Frau zurückkehren. Sie sind die einzige Verbindung dazu." Und: "Man geht immer davon aus, Mütter könnten anders mit ihren Kindern umgehen. Aber warum kann ein Vater nicht auch körperliche Nähe haben?"
Ja – die Szene sei herausfordernd, räumt Kummer ein. Andererseits transportiere sie aber auch die Tatsache, dass hier der Sohn dem Vater Stabilität gebe, nicht, wie sonst, der Vater dem Sohn. Auch seine eigenen Söhne sagten ihm immer wieder: "Komm wieder raus – sei wieder normal."
(mkn)
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