Autor David Wagner fordert Widerspruchslösung

"Heute würde ich wohl kein Organ mehr erhalten"

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Schriftsteller David Wagner sitzt während der Frankfurter Buchmesse am 11.10.2017 in Frankfurt am Main auf dem Blauen Sofa.
Schriftsteller David Wagner © picture alliance / Jan Haas
Moderation: Frank Meyer · 14.01.2020
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Der Schriftsteller David Wagner lebt mit einem gespendeten Organ. Für das Buch, das er über darüber schrieb, bekam er den Preis der Leipziger Buchmesse. Er plädiert für die Widerspruchslösung – und hofft, dass der Bundestag die nun beschließt.
"Ich kann hier sprechen, nur weil ich durch eine Organspende gerettet wurde." Das sagt der preisgekrönte Schriftsteller David Wagner, der unter anderem 2013 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde – und sich heute für eine Neuregelung der Organspende ausspricht: Er plädiert für die sogenannte Widerspruchslösung. Diese bedeutet, dass jeder Organspender ist, wenn er oder sie nicht ausdrücklich widerspricht.
Am Donnerstag stimmt der Bundestag darüber ab, ob die Widerspruchslösung Gesetz wird - oder die sogenannte Zustimmungslösung bleibt, wonach es eine explizite Erklärung braucht, um Organspender zu werden. Nach Einschätzung des Ministers unterstützen im Bundestag etwa gleich viele Abgeordnete die Widerspruchs- wie die Zustimmungslösung.

Roman, um die Transplantation zu verstehen

Wegen einer Erkrankung brauchte Wagner selbst eine neue Leber, um weiterleben zu können. In seinem in Leipzig ausgezeichneten Buch "Leben" schreibt er über seine Organtransplantation.
Bei ihm sei die Transplantation notwendig gewesen, erklärt Wagner, weil er seit Kindheit an einer chronisch aggressiven Leberentzündung gelitten habe. "Es war klar, dass ich entweder irgendwann jung sterbe oder aber durch eine Organspende gerettet werden kann." Er habe "das große Glück" gehabt, ein Organ zu erhalten. "Ich bin nur noch da, weil es diese großzügige Geste gegeben hat, diese Spende, dieses Geschenk."
Um "diese große Geschichte" verstehen zu können, habe er darüber den Roman "Leben" geschrieben. Darin frage er sich, "was das bedeutet, mit dem Organ eines anderen, eines oder einer Verstorbenen weiterzuleben".
Wäre er heute in der Situation, würde er "wahrscheinlich kein Organ mehr erhalten", ist Wagner überzeugt. "Die Spendebereitschaft in Deutschland ist leider sehr gering und die Zahl der Spender ist zurückgegangen in den letzten Jahren" - auch wenn fast 90 Prozent der Deutschen für Organspende seien.

Scheu, an denen eigenen Tod zu denken

Den Gegnern der Widerspruchslösung, die fordern, der Staat dürfe keinen moralischen Druck aufbauen, hält Wagner entgegen: "Ich glaube, das moralische Problem ist zur Zeit eigentlich, dass jeden Tag drei Menschen sterben, die durch eine Organspende gerettet werden könnten."
Mit der Widerspruchslösung habe man jetzt "die einmalige Möglichkeit, die Situation der Organspende in Deutschland eminent zu verbessern". Die Hinterbliebenen könnten auch hier noch Nein sagen. Denn Organspende sei ja nur möglich in Krankenhäuser unter sehr speziellen Bedingungen.
Hinter den Schwierigkeiten mit dem Thema Organspende stecke die "Scheu, an den eigenen Tod zu denken", glaubt Wagner. "Im Endeffekt träumen wir alle davon, unsterblich zu sein, und denken nicht an das eigene Sterben." Die Widerspruchslösung würde es den Menschen abnehmen, darüber nachdenken zu müssen. "Das wäre einfach die eleganteste Lösung."
(abr)
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