Automobilexperte fordert Kaufanreiz für Elektroautos

Deutschland wird ins Hintertreffen bei der Elektroauto-Entwicklung geraten, wenn es für Käufer keine "massiven" Anreize geben wird, sagt Stefan Bratzel. Ein Erlass der KFZ-Steuer reicht aus seiner Sicht bei Weitem nicht aus.
André Hatting: Jedes Jahr treffen sich Verkehrsminister aus über 50 Ländern mit Wissenschaftlern und Managern zum Weltverkehrsforum in Leipzig. Das ist die wichtigste internationale Fachveranstaltung. Hauptthema in diesem Jahr: die Zukunft des Autos, und das ist auch das Spezialgebiet von Stefan Bratzel, Bratzel ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Guten Morgen, Herr Bratzel!

Stefan Bratzel: Schönen guten Morgen!

André Hatting: Bundesverkehrsminister Ramsauer hat ja bereits vor zwei Jahren versprochen: Bis 2020 haben wir eine Million Elektroautos in Deutschland. Das hat er jetzt noch mal bekräftigt vergangene Woche. Ist das realistisch?

Bratzel: Aus meiner Sicht ist das ein sehr ambitioniertes Ziel, eine Million Fahrzeuge bis 2020 zu haben. Ich glaube auch nicht, dass das erreicht werden wird ohne eine massive staatliche Kaufunterstützung, weil der Preis, den man für Elektrofahrzeuge im Moment zahlen muss, zu dem, was man für vergleichbare konventionell angetriebene Fahrzeuge bekommt, deutlich zu hoch ist.

Andre Hatting: Bislang sind ja nur, nur, sage ich, von 1,4 Milliarden Euro die Rede, damit möchte man Anreize schaffen, und es soll vor allem über Steuererleichterungen funktionieren. Verstehe ich Sie richtig, dass Sie auch ganz gezielt den Kauf subventionieren wollen?

Bratzel: Ja, das ist richtig. Durch Steuererleichterungen wird es bei Weitem nicht reichen. Stellen Sie sich vor, Sie sollen jetzt einen Smart kaufen und kriegen pro Jahr vielleicht 40 Euro vom Staat dazu. Das ist bei einem Preisunterschied in der Größenordnung 10.000, 15.000 Euro im Grunde völlig belanglos.

Andre Hatting: Bei der Abwrackprämie hat der Staat in nur einem Jahr die Autoindustrie mit insgesamt fünf Milliarden Euro unterstützt. Wird man mit 1,4 Milliarden Euro bis 2020 wirklich Weltmarktführer, wie die Bundesregierung verspricht, im Bereich Elektroautos?

Bratzel: Nun, man muss ja unterscheiden einerseits zwischen der Technologieförderung, da tut die Bundesregierung ja einiges, aber da tun insbesondere auch die Automobilhersteller einiges, um hier vorwärtszukommen, und die andere Seite ist der Leitmarkt, den man erreichen will. Ich glaube nicht, dass man sozusagen mit dem Geld ein Leitmarkt für Elektromobilität wird, das wird eher dann in Ländern wie Frankreich oder vielleicht sogar China passieren, wo man deutlich mehr an dieser neuen Technologie forscht und auch fördert.

Andre Hatting: Könnte man es denn werden? Ich meine, beim Thema Windenergie ist es Deutschland ja bereits. Was müsste man tun, noch mehr finanzieren?

Bratzel: Ich glaube sozusagen, man muss natürlich zuallererst die Rahmenbedingungen schaffen, damit dann solche Elektrofahrzeuge in Deutschland tatsächlich auch Anwendung finden. Da sind natürlich in erster Linie die Automobilhersteller gefragt. In zweiter Linie – wenn man das relativ schnell werden will und wenn man sich solche ambitionierten Ziele setzt – ist es nur möglich, wenn man eine entsprechend hohe Kaufunterstützung gibt, und das haben wir ja bei der Abwrackprämie gesehen: Eine solche Kaufunterstützung wirkt im Grunde sehr stimulierend für die potenziellen Käufer, und dann kann man auch dieses Ziel, aus meiner Sicht, erreichen. Ansonsten wird man halt dahinter bleiben.

Andre Hatting: Heute fahren insgesamt über 40 Millionen Autos durch Deutschland und jährlich werden es mehr. Hat es Sinn, diese wachsende Flotte einfach nur zu elektrifizieren?

Bratzel: Ja, das ist sicherlich nur ein Aspekt, ein wichtiger sicherlich, aber nur ein Aspekt. Der andere Aspekt ist: Neben der Elektrifizierung müssen wir natürlich auch den Spritverbrauch bei konventionellen diesel- und benzinbetriebenen Fahrzeugen deutlich senken. Da ist in der Vergangenheit schon einiges passiert, aber es ist noch erhebliches Potenzial auch in den nächsten Jahren da, um hier spritsparende Motoren anzubieten. Das ist der zweite große Aspekt. Und der dritte große Aspekt ist sicherlich der große Bereich der, ja, Telematik, des vernetzten Fahrzeugs, auch der Vernetzung des Fahrzeugs mit öffentlichen Verkehrssystemen oder etwas das Thema Carsharing.

Andre Hatting: Das als Lösung, Carsharing, also weniger Autos, die aber dann von mehr Menschen genutzt werden, so wie das mit Fahrrädern ja zum Teil in einigen Großstädten schon gemacht wird?

Bratzel: Das ist sicherlich ein ganz, ganz wichtiger Trend, insbesondere in städtischen Regionen. Es ist ja so, dass zum einen der Parkplatz in städtischen Regionen äußerst knapp ist, und zum anderen steht ja in der Regel ein Fahrzeug 23 Stunden am Tag. Und diese Kombination ist zum einen relativ teuer, und zum anderen bietet sie eigentlich die Chance, tatsächlich über solche alternativen Mobilitätskonzepte sozusagen den Stau in Städten zu reduzieren, und es kommt ja noch dazu, dass viele Kunden mittlerweile sozusagen auch das schon nutzen und nicht mehr so dieses Statussymbol Automobil anhängen, dass sie ein eigenes Auto bräuchten. Das heißt, wir werden uns sicherlich im Bereich der Mobilitätskonzepte weiterentwickeln und solche Angebote werden in vielen Städten in den nächsten Jahren zur Normalität gehören.

Andre Hatting: Und ergänzend dazu dann eben auch mehr Elektrofahrzeuge. Da fragt man sich natürlich – mehr Elektrofahrzeuge, das bedeutet mehr Strom. Wo kommt der her?

Bratzel: Ja, das ist natürlich eine nach wie vor offene Frage. Sinn machen Elektrofahrzeuge bei der Energiebilanz natürlich nur dann, wenn der Strom, mit dem die Elektroautos betankt werden, aus regenerativen Energiequellen kommen. Die müssen natürlich ausreichend vorhanden sein, da muss investiert werden, und deswegen sind wir ja sozusagen, was das anbetrifft, auch noch einige Jahre davon entfernt, dass man jetzt vermuten könnte, ab morgen macht es Sinn, durchgehend elektrisch zu fahren.

Andre Hatting: Die große Frage ist ja auch: Wann kommen endlich stärkere Batterien? Die besten Lithium-Ionen-Akkus, mit denen man heute etwa 500 Kilometer weit fahren kann, die wiegen fast eine Tonne.

Bratzel: Ja, in der Tat, also da sind weitere, ja, wir nennen es Prozessinnovationen gefragt, das heißt, die Energiedichte muss steigen, das Gewicht muss runtergehen, das ist eins der zentralen Themen. Aber genau in diesem Bereich wird im Moment, und zwar weltweit, enorm intensiv geforscht. Das heißt, ich rechne schon damit, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren hier auch Innovationssprünge passieren werden, sodass tatsächlich man bald Elektrofahrzeuge hat, die dann über Reichweiten von 200, 300 und 400 Kilometer besitzen, und dann sozusagen stellt sich auch nicht mehr diese große Frage, die wir heute noch haben nach einer Infrastruktur.

Andre Hatting: Herr Bratzel, Hand aufs Herz: Fahren Sie schon ein Elektroauto?

Bratzel: Leider nicht.

Andre Hatting: !Warum nicht?

Bratzel: Zum einen sozusagen gibt es ja bislang nur sehr wenige zu kaufen, zum anderen sind sie wahnsinnig teuer im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen, und entsprechend sozusagen bin auch ich noch nicht so weit, dass ich ein Elektroauto, Fahrzeug fahre.

André Hatting: Das war ein Gespräch mit Stefan Bratzel, er ist Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Herr Bratzel, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Bratzel: Ich danke Ihnen!


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