Authentische Lebensbeichte
Er war Ex-AEG-Chef, Ex-Bahnchef, Ex-Daimler-Vorstandsmitglied: Heinz Dürr. Nun hat er seine Autobiografie herausgeben. Es ist kein literarischer Wurf, kein geschliffener Text, sondern ein lebensechtes Werk ohne Pathos und Plattitüden.
Im Vordergrund des Umschlagsbildes: Ein Mann vor rostigen Bahngleisen. Im Hintergrund Waggons, Scheinwerfermasten und ein Stellwerk. Und der Mann an den Gleisen. Seine Krawatte - eingeklemmt in der Bauchfalte. Sein Blick - in die Ferne gerichtet. Sein Kopf - geschützt durch einen weißen Schutzhelm.
Ein Bild von einem Mann, der etwas bewegen will, bewegte und bewegt hat. Einer wie Heinz Dürr, Ex-AEG-Chef, Ex-Bahnchef, Ex-Daimler-Vorstandsmitglied, Ex- Zeiss-Stiftungskommissar. Das Ex lässt sich in diesem Fall beliebig verlängern. Ein Mann der Tat also, einer der etwas zu erzählen hat und dies auf 367 Seiten tut. Nur warum? In seinem Büro mit Blick auf den Gendarmenmarkt von Berlin nimmt sich der 75-jährige Zeit mit der Antwort:
"Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang, Seneca meint aber, es sei nur dann kurz, wenn es nicht der Mühe Wert gewesen wäre. Und ich wollte einfach wissen, ob das, was ich 40 Jahre lang gemacht habe, der Mühe Wert war."
War es das. In seinem Buch "In der ersten Reihe", Aufzeichnungen eines Unerschrockenen" gibt er darauf keine Antwort. Er lässt sein Leben Revue passieren und überlässt es charmant dem Leser, sich selbst ein Urteil zu fällen.
"Ich wollte wissen, was ich in den vierzig Jahren gemacht habe. Des wollte ich den Menschen, vor allem den jungen Menschen mitteilen, was eigentlich so Wirtschaft ist und wie Wirtschaft funktioniert."
Wer ist nun dieser Dürr, dieser Schlaks von Mann, der frühzeitig Karriere und verbundene Macht anstrebte, ohne je ein Karrierist geworden zu sein. In seinem Buch liest es sich so, als wäre alles "zufällig passiert", was bescheiden klingt, aber nicht zutrifft.
Dieser Mann wusste immer ganz genau, wann er zupacken musste, wenn ihm Wirtschaft oder Politik eine Chance offerierten. Mit dem Risiko zu stürzen und sich lächerlich zu machen, aber auch mit dem finanziellen Rückhalt des elterlichen Betriebes, den er - mit geeigneten Führungsleuten - zum Weltmarktführer für Autolackieranlagen ausbaute. Heinz Dürr, ein Wirtschafts-Tausendsassa, wie sie uns in der heutigen Wirtschaftskrise fehlen? Oder doch nur Rechtfertigung eines markt- und karriereorientierten Lebens? Er lässt sich wieder Zeit mit der Antwort:
"Nein, der Eindruck ist nicht falsch. Ich habe auch manchmal Zweifel gehabt und viele Leute haben überhaupt nicht verstanden, dass ich den eigenen Betrieb verlassen habe, quasi operativ, und da solche Aufgaben übernommen habe. Vor allem später die Bahn, das war ja eine nationale Aufgabe, wo man für Gottes Lohn versucht hat, etwas nach vorne zu bringen."
Heinz Dürr betritt die nationale Bühne, als er 1978 mit Franz Steinkühler von der IG Metall einen höchst umstrittenen Tarifkompromiss erzielt. "Plötzlich war ein Dürr da", schrieben damals die Zeitungen über den Jungunternehmer, der gerade dabei war, den mittelständischen Betrieb seiner Eltern aufzurüsten für neue Aufgaben. Der legendäre Bosch-Chef Merkle wird auf Dürr aufmerksam und empfiehlt ihn den genervten Banken als Sanierer für die krisengeschüttelte AEG.
"Die schwierigste war mit Sicherheit die AEG. Den Konkurs zu vermeiden und einen Fortsetzungsvergleich zu machen, als das die Firma weiterlebt. Das war extrem schwierig, weil wir auch in einer sehr schlechten Konjunkturlage damals 1982. Die Auseinandersetzungen mit den Banken, die Auseinandersetzungen mit der Politik, mit den Ministerpräsidenten der Länder, wo die AEG überall ihre Fabriken hatte. Das war nicht einfach."
Heute ist die AEG nur noch älteren Menschen ein vertrauter Markennamen, genauso wie Telefunken, Dual oder Saba: alles Unternehmen, die einmal weltweit bekannt waren und heute längst vergessen sind. Dürrs Schuld? Nein, er hauchte der AEG nochmals Leben ein - doch die Übernahme durch den Daimler-Konzern unter Edzard Reuter erwies sich letztendlich als Anfang vom Ende. Doch da war der umtriebige Dürr längst bei der Bahn, dem nächsten Sanierungsgroßprojekt. Berufen vom Bundeskanzler Helmut Kohl.
"Ich habe immer Aufgaben übernommen, die nicht einfach waren. Mir hat sogar, als damals der Vergleich mit der AEG stattgefunden hat, meinte Herr Emke, SPD, nachdem ich jetzt die AEG saniert hatte, soll ich doch zur SPD kommen. Die müsste auch saniert werden."
Was er aber nie machte. Wobei Dürr heute damit kokettiert, wie er damals darüber nachdachte von der CDU in die SPD zu wechseln.
"Das wäre für mich möglich gewesen. Da war ja auch als der Hans-Jochen Vogel mich gefragt hat, ob ich Wirtschaftsminister der damaligen DDR werden wollte. Da habe ich ihm gesagt, dass geht doch gar nicht, in bin doch in der CDU. Dann meinte der Vogel: 'Das kläre ich mit Herrn Kohl.' Also, das hätte mich nicht gestört."
Heinz Dürr ist stolz darauf, dass er sein Buch selbst geschrieben hat und ihm kein Co-Autor zur Seite stand. "Ich wollte es mir selbst beweisen", sagt er dazu und: "Keiner weiß soviel über mich wie ich." Das spürt man dem Buch an. Es ist kein literarischer Wurf, kein geschliffener Text. Eine Lebensbeichte, runtergehackt, statt runtergeschrieben, mit Pathos und Plattitüden und zu vielen Zitaten: Ansonsten -authentisch, lebensecht. Eben ein echter Dürr.
Heinz Dürr: In der ersten Reihe - Aufzeichnungen eines Unerschrockenen
WJS Verlag , Berlin 2008
Ein Bild von einem Mann, der etwas bewegen will, bewegte und bewegt hat. Einer wie Heinz Dürr, Ex-AEG-Chef, Ex-Bahnchef, Ex-Daimler-Vorstandsmitglied, Ex- Zeiss-Stiftungskommissar. Das Ex lässt sich in diesem Fall beliebig verlängern. Ein Mann der Tat also, einer der etwas zu erzählen hat und dies auf 367 Seiten tut. Nur warum? In seinem Büro mit Blick auf den Gendarmenmarkt von Berlin nimmt sich der 75-jährige Zeit mit der Antwort:
"Das Leben ist kurz, die Kunst ist lang, Seneca meint aber, es sei nur dann kurz, wenn es nicht der Mühe Wert gewesen wäre. Und ich wollte einfach wissen, ob das, was ich 40 Jahre lang gemacht habe, der Mühe Wert war."
War es das. In seinem Buch "In der ersten Reihe", Aufzeichnungen eines Unerschrockenen" gibt er darauf keine Antwort. Er lässt sein Leben Revue passieren und überlässt es charmant dem Leser, sich selbst ein Urteil zu fällen.
"Ich wollte wissen, was ich in den vierzig Jahren gemacht habe. Des wollte ich den Menschen, vor allem den jungen Menschen mitteilen, was eigentlich so Wirtschaft ist und wie Wirtschaft funktioniert."
Wer ist nun dieser Dürr, dieser Schlaks von Mann, der frühzeitig Karriere und verbundene Macht anstrebte, ohne je ein Karrierist geworden zu sein. In seinem Buch liest es sich so, als wäre alles "zufällig passiert", was bescheiden klingt, aber nicht zutrifft.
Dieser Mann wusste immer ganz genau, wann er zupacken musste, wenn ihm Wirtschaft oder Politik eine Chance offerierten. Mit dem Risiko zu stürzen und sich lächerlich zu machen, aber auch mit dem finanziellen Rückhalt des elterlichen Betriebes, den er - mit geeigneten Führungsleuten - zum Weltmarktführer für Autolackieranlagen ausbaute. Heinz Dürr, ein Wirtschafts-Tausendsassa, wie sie uns in der heutigen Wirtschaftskrise fehlen? Oder doch nur Rechtfertigung eines markt- und karriereorientierten Lebens? Er lässt sich wieder Zeit mit der Antwort:
"Nein, der Eindruck ist nicht falsch. Ich habe auch manchmal Zweifel gehabt und viele Leute haben überhaupt nicht verstanden, dass ich den eigenen Betrieb verlassen habe, quasi operativ, und da solche Aufgaben übernommen habe. Vor allem später die Bahn, das war ja eine nationale Aufgabe, wo man für Gottes Lohn versucht hat, etwas nach vorne zu bringen."
Heinz Dürr betritt die nationale Bühne, als er 1978 mit Franz Steinkühler von der IG Metall einen höchst umstrittenen Tarifkompromiss erzielt. "Plötzlich war ein Dürr da", schrieben damals die Zeitungen über den Jungunternehmer, der gerade dabei war, den mittelständischen Betrieb seiner Eltern aufzurüsten für neue Aufgaben. Der legendäre Bosch-Chef Merkle wird auf Dürr aufmerksam und empfiehlt ihn den genervten Banken als Sanierer für die krisengeschüttelte AEG.
"Die schwierigste war mit Sicherheit die AEG. Den Konkurs zu vermeiden und einen Fortsetzungsvergleich zu machen, als das die Firma weiterlebt. Das war extrem schwierig, weil wir auch in einer sehr schlechten Konjunkturlage damals 1982. Die Auseinandersetzungen mit den Banken, die Auseinandersetzungen mit der Politik, mit den Ministerpräsidenten der Länder, wo die AEG überall ihre Fabriken hatte. Das war nicht einfach."
Heute ist die AEG nur noch älteren Menschen ein vertrauter Markennamen, genauso wie Telefunken, Dual oder Saba: alles Unternehmen, die einmal weltweit bekannt waren und heute längst vergessen sind. Dürrs Schuld? Nein, er hauchte der AEG nochmals Leben ein - doch die Übernahme durch den Daimler-Konzern unter Edzard Reuter erwies sich letztendlich als Anfang vom Ende. Doch da war der umtriebige Dürr längst bei der Bahn, dem nächsten Sanierungsgroßprojekt. Berufen vom Bundeskanzler Helmut Kohl.
"Ich habe immer Aufgaben übernommen, die nicht einfach waren. Mir hat sogar, als damals der Vergleich mit der AEG stattgefunden hat, meinte Herr Emke, SPD, nachdem ich jetzt die AEG saniert hatte, soll ich doch zur SPD kommen. Die müsste auch saniert werden."
Was er aber nie machte. Wobei Dürr heute damit kokettiert, wie er damals darüber nachdachte von der CDU in die SPD zu wechseln.
"Das wäre für mich möglich gewesen. Da war ja auch als der Hans-Jochen Vogel mich gefragt hat, ob ich Wirtschaftsminister der damaligen DDR werden wollte. Da habe ich ihm gesagt, dass geht doch gar nicht, in bin doch in der CDU. Dann meinte der Vogel: 'Das kläre ich mit Herrn Kohl.' Also, das hätte mich nicht gestört."
Heinz Dürr ist stolz darauf, dass er sein Buch selbst geschrieben hat und ihm kein Co-Autor zur Seite stand. "Ich wollte es mir selbst beweisen", sagt er dazu und: "Keiner weiß soviel über mich wie ich." Das spürt man dem Buch an. Es ist kein literarischer Wurf, kein geschliffener Text. Eine Lebensbeichte, runtergehackt, statt runtergeschrieben, mit Pathos und Plattitüden und zu vielen Zitaten: Ansonsten -authentisch, lebensecht. Eben ein echter Dürr.
Heinz Dürr: In der ersten Reihe - Aufzeichnungen eines Unerschrockenen
WJS Verlag , Berlin 2008

Heinz Dürr: In der ersten Reihe - Aufzeichnungen eines Unerschrockenen© WJS Verlag