Auszeichnung

Inklusion im Zirkuszelt

Ein Zirkuszelt in Brüssel
Ob mit oder ohne Behinderung: Beim Circus Montelino können alle mitmachen. © AFP
Von Axel Flemming |
Im Potsdamer Circus Montelino erarbeiten Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam Aufführungen. Für das langjährige Engagement ist das Projekt jetzt mit dem Silbernen Stern des Sports ausgezeichnet worden.
Fast 30 Kinder und Jugendliche sitzen im Kreis, sechs Trainerinnen und Trainer zwischen ihnen begrüßen sie, dann geht es an die verschiedenen Stationen. Sie trainieren regelmäßig Akrobatik, Jonglieren und Balance.
"Ich heiße Jakob und bin 9 Jahre alt."
"Ich bin Mattis und bin 10 Jahre alt."
"Ich bin Julia und bin 10 Jahre alt."
"Ich bin Nora und bin 10 Jahre alt."
"Ich bin Annika und bin 10 Jahre alt."
In der Turnhalle im Bornstedter Feld, im Nordwesten von Potsdam liegen zwei Mattenbahnen, darauf Plastikkugeln zum Balancieren.
Eine Bank ist schräg in die Sprossenwand gehängt, an der einen Hallenseite ist ein Drahtseil aufgebaut, Schaumstoffmatten laden zum Toben und Turnen. Jakob stürmt los und demonstriert seine Lieblingsübung:
"Fallschirmspringer"
"Wir arbeiten mit den Kompetenzen, die die Kinder mitbringen"
Er legt sich auf den Bauch und reckt Arme und Beine so hoch er kann in die Luft. Das Programm richtet sich an Kinder ab drei Jahren und Erwachsene.
"Wir arbeiten mit den Kompetenzen, die die Kinder mitbringen. Und die Erfahrungen, die die Kinder sammeln, sind dass sie einen Beitrag leisten können und damit zum Gelingen der ganzen Sache beitragen. Also sei es, eine Pyramide aufzubauen, da hat jeder eine wichtige Aufgabe, jeder ist verantwortlich für seinen Teil, den er beitragen kann und im Großen Ganzen wird's dann ein schönes Kunststück. Oder bei einer Aufführung trägt jeder seinen Teil zur Nummer bei und wird gebraucht und kann da aufblühen",
sagt Bileam Tröger, der nicht nur trainiert, sondern auch der erste Vorsitzende im Vorstand vom Montelino ist. Er freut sich, dass sein Verein jetzt den 'Stern des Sports' vom Land gewonnen hat, wie auch schon den 1. Brandenburger Inklusionspreis. Denn hier wird keiner ausgeschlossen:
Jeder kann mitmachen
"Jeder, der hier kommt, kann mitmachen. Egal, ob irgendeine Einschränkung da ist oder irgendeine Besonderheit, jemand komisch aussieht oder wie auch immer – er ist herzlich willkommen."
Im Unterschied zu vielen Mannschafts- und Individualsportarten geht es beim Zirkus Montelino nicht um Wettkampf und Leistungsvergleich, sondern darum, dass die Kinder Fähigkeiten für sich entwickeln; und dass sie zusammen Darbietungen für andere erarbeiten. Denn seit 2004 hat der Circus ein richtiges Zelt im Volkspark Potsdam, aber das ist gerade eingemottet, es wird erst wieder im Frühjahr aufgebaut.
Zur sportlichen Betätigung kommt dann noch: Kostüme nähen, schminken, Zelt reparieren, Zirkusmaterial transportieren, Musik machen. Angeleitet von Zirkuspädagoginnen und -pädagogen, die sich mit den Kindern Geschichten für die Zirkuskuppel ausdenken.
Das verlangt disziplinierte Gruppenarbeit und gemeinschaftliche Organisation von komplexen Abläufen und natürlich artistische Fähigkeiten.
Und das in Zeiten, wo Studien belegen, dass längst nicht alle Kinder rückwärts laufen können, oder balancieren.
Wer die Trainingsgebühr nicht aufbringen kann, kann unterstützt werden
"Also es gibt Kinder, wo ich mich echt auch wundere, wo da die Kompetenzen geblieben sind, und es gibt auch Kinder, wo ich staune, die mich überraschen, wo ich denke: Wow, die bringen ja mehr mit, als ich gedacht hätte. Und ich glaube, das kommt einfach zu einem ganz großen Teil darauf an, in wieweit sie einfach freigelassen werden, also sprich: Ich trau dir zu, dass du da auf diesem Klettergerüst klettern kannst. Ich lass auch mal zu, dass die eine oder andere Schramme entsteht, ich lass den Kindern da ihre eigene Risikokompetenz, weil ich bin der Überzeugung, dass sie das einschätzen können, die meisten Kinder zumindest."
Das Zirkusjahr im Montelino dauert so lange wie ein Schuljahr. Die monatliche Trainingsgebühr beträgt 33 Euro; wer das Geld nicht hat, der kann unterstützt werden.
Bis zu den Winterferien geht es im Training um viele neue Fertigkeiten.
Danach suchen alle gemeinsam die Themen für die Sommeraufführungen. Die sind der Höhepunkt des Zirkusjahrs, nicht nur für die beteiligten Kinder Jakob, Mattis, Julia Nora und Annika:
"Ja! Wir haben schon aufgeführt."
"Ich war schon zwei Mal!"
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