"Gaudiopolis - Versuch einer guten Gesellschaft" in der GfZK Leipzig, noch bis zum 1. Juli 2018.
Wenn Kinder das Ruder übernehmen
"Kinder an die Macht" heißt ein Song von Herbert Grönemeyer. Tatsächlich gibt es sogenannte Kinderrepubliken, in denen Kinder das Sagen haben: Gaudiopolis in Budapest und Boys Town im US-Staat Nebraska sind die bekanntesten. Eine Ausstellung in Leipzig widmet sich künstlerisch dem Thema.
Was passiert, wenn man Kindern das Ruder überlässt, wenn sie ihren Alltag in einer Gemeinschaft mit anderen Kindern selbst organisieren und über wichtige Entscheidung demokratisch abstimmen müssen? Es gab und gibt eine Reihe von Kinderrepubliken, die diese Autonomie der Kinder praktizieren.
Eine Ausstellung in der Galerie für zeitgenössische Kunst (GfZK) Leipzig widmet sich nun einem historischen Vorbild, der Kinderrepublik "Gaudiopolis", die 1945 für Kriegswaisen unter der Anleitung des evangelischen ungarischen Pfarrers Gábor Sztehlo in Budapest entstand und die Hunderte von Kindern aufnahm - Jungen und Mädchen.
Laut Zeitzeugen soll Sztehlo den Kindern zugerufen haben: "Macht jetzt Republik", woraufhin sich die Kinder eine eigenständige Verfassung gaben, die unter anderem ein Kriegsverbot enthielt. Was kaum jemand weiß: Offenbar hat es schon im späten Mittelalter solche eigenständigen Gemeinschaften gegeben.
Ein hohes Maß an Verantwortung
Die Kinder hätten zwar nicht wirklich politische Macht besessen, aber ein hohes Maß an Verantwortung und Mitspracherecht. So hätten sie 1949, als es darum gegangen sei, mit der ungarischen Regierung über einen Fortbestand von Gaudiopolis zu verhandeln, mit am Tisch gesessen, sagt Franciska Zolyom, die Kuratorin der Ausstellung. Zolyom ist auch Kuratorin des deutschen Pavillions bei der nächsten Biennale in Venedig, 2019.
Neben diesem historischen Teil versammelt die Leipziger Ausstellung zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die sich mit gesellschaftlichen Organisationsformen beschäftigen. Vor dem aktuellen Hintergrund von sozialer Spaltung stehe "Gaudiopolis" für eine freudvolle und solidarische Gemeinschaft, die ihre inneren Konflikte kenne und sich dennoch auf ihre Vielfalt konzentriere, um ihre Spielräume auszubauen, fasst Zolyom zusammen.