Ausstellung "Schön schräg" in Berlin

Tschechien - ein Land geprägt vom "eckigen Denken"

Eine Katze, ein Löwe und ein Hund aus Kunststoff, deren Körpermitte ziharmonikaartig aufgezogen ist.
Katze, Löwe und Hund aus Kunststoff: Die Spielzeuge von Libuše Niklová entstanden in den 1960er Jahren. © W. Binder
Bettina Gülden und Wolfgang Binder im Gespräch mit Moderator Max Oppel · 29.11.2018
In Tschechien und der Slowakei ist vieles eckiger und kantiger als anderswo. Davon sind zwei Kunsthistoriker überzeugt, die mit ihrer Ausstellung im Tschechischen Kulturzentrum in Berlin zeigen, wie sehr in diesen Ländern das Design "an der Trigonometrie ausgerichtet" ist.
In der Kunst überzeugten oft tschechische Objekte mit ihren kantigen Formen und würden damit im europäischen Vergleich eine ganz eigene Linie in der Kunst bewahren, sagt Wolfgang Binder. Er ist der Kurator der aktuellen Designausstellung "Schön schräg" im tschechischen Zentrum in Berlin.
In der Ausstellung versucht Binder zusammen mit der Ko-Kuratorin und Historikerin Bettina Gülden nachzuweisen, wie deutlich und prägend Kanten das Design tschechischer Produkte bestimmen. Ein Beispiel dafür sei ein Trichter, ein Alltagsobjekt, das in vielen anderen Ländern meist rund ist und damit aber vom Tisch rollt und zerbricht, wohingegen aus Tschechien eine abgerundete dreieckige Variante stamme, die ebenso funktioniere, doch nicht mehr wegrolle, erläutert Binder.

Vorliebe für Kanten

Ähnliche, mehrkantige Beispiele fänden sich auch beim tschechischen Schmuck. Laut Binder geht diese Vorliebe für Kanten im tschechischen und slowakischen Design auf Johann Friedrich Herbart zurück, dessen Ideen und Schriften dort sehr prägend für die Bildung waren. Dies sei eine Philosophie, die vor allem auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse und mathematische Grundsätze setze. "Das hat sich so ausgewirkt, dass sich das Rechnen und teilweise das gesamte Denken sehr stark an der Trigonometrie ausgerichtet hat", sagt Wolfgang Binder.

Von Geometrie geprägt

Diese Prägung habe sich bis in die heutige Zeit in Tschechien und der Slowakei durchgesetzt etwa in der Kunst und in der Produktgestaltung. Dieses "eckige Denken" sei prägend für die tschechische Kultur und Kunst, bestätigt Bettina Gülden: "In der Architektur, in der Malerei, in der bildenden Kunst ist der Kubismus sattsam erforscht und 1990/1991 mit einer ziemlich großen Wucht und dem Selbstbewusstsein eines kleinen sich nun öffnenden Staates Tschechoslowakei noch mal neu diskutiert und dargestellt worden aus einer eigenen Selbstbewusstseinshaltung 'Wo stehen wir in Europa?' und die Verknüpfung mit künstlerischen Einlassungen ist eine uralte." Dafür finde man Belege, die zurückgingen in Mittel- und Osteuropa bis ins 16. Jahrhundert. Also dieses Denken "mit Ecken" scheine für Tschechien sehr prägend, also die Gestaltung aus der Geometrie heraus.

(sru)

Im Zuge der Feiern zur tschechoslowakischen Republikgründung vor 100 Jahren zeigt das Tschechische Zentrum in Berlin noch bis Mitte Februar (29.11.2018 - 21.02.2019) die Designausstellung "schön schräg. Kubismus – ein tschechisches Gestaltungsprinzip."

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