Friedrich von Borries über designte Politik

"Donald Trump ist in seinem Sinne hervorragendes Design"

US-Präsident Donald Trump und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe im Trump Tower in New York inmitten einer goldglänzenden Einrichtung.
US-Präsident Donald Trump strahlt zusammen mit Japans Ministerpräsident Shinzo Abe bei einem Pressetermin im Trump Tower in die Kamera. © imago/ Zuma Press
Moderation: Liane von Billerbeck · 29.11.2018
Wie gestalten wir die Welt, in der wir leben wollen? Diese Frage verbinde Politik und Design, sagt der Architekt und Ausstellungsmacher Friedrich von Borries. Er glaubt, dass Demokratie viel besser designt werden könnte – von der Wahlurne bis zu den Parteien.
Liane von Billerbeck: Politik kann bekanntlich einiges. Hat sie aber auch über Jahrzehnte und politische Zustände hinweg das Design von Objekten beeinflusst? Und – und dieser Aspekt interessiert uns jetzt – wie sehr Politik eine Frage des Designs ist, also durchdesignt ist. Die wahre Welt eine Warenwelt, Politiker, Parteien, Programme: in Wirklichkeit Produkte, die man über ihr Äußeres vermarkten muss? Der Wähler also nichts als ein Konsument?
In München kann man von morgen an der Pinakothek der Moderne eine Ausstellung darüber sehen, und ich kann jetzt mit dem Ausstellungsmacher sprechen, mit Friedrich von Borries. Er ist Architekt und Professor für Designtheorie an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Schönen guten Morgen!
Friedrich von Borries: Guten Morgen!
Billerbeck: "Politics of Design, Design of Politics", so der Titel der Ausstellung, die Sie da konzipiert haben. Ist denn Politik vor allem eine Frage des Designs, der Äußerlichkeiten, also Kleidung, Haarschnitt, Brille?
Borries: Nein, natürlich überhaupt nicht, und auch Design geht nicht um die reinen Äußerlichkeiten. Das wäre eine Reduktion auf den Designbegriff, dass es irgendwie Styling von Oberflächen ist, um Dinge irgendwie verkaufbarer zu machen. Ich glaube, beides geht um die Fragestellung, wie man Lebensverhältnisse verändert, wie man Lebensverhältnisse gestaltet, wie man prägt, wie wir als Menschen in dieser Welt zusammenleben.
Das Interessante ist aber, dass bislang Design und Politik eigentlich wenig disziplinäre Zusammentreffen haben. Wenn man sich so Studiengänge anguckt, man kann studieren Politik und Wirtschaft, Politik und Recht, Politik und Philosophie. Das scheint also das zu sein, womit Politik zu tun oder wo Politik von inspiriert werden kann. Es gibt aber nichts oder sehr wenig, wo Politik und Design zusammenkommt, was ich sehr merkwürdig finde, weil Design ja eigentlich die Disziplin ist, wo kreativ darüber nachgedacht wird, wie wir diese Welt, in der wir leben, gestalten wollen.

Wahlzettel im Mülleimer abgeschrabbelter Turnhallen

Billerbeck: Wir hatten gestern Abend die sechste von acht Regionalkonferenzen der CDU. Da haben wir auch heute drüber berichtet. Ihr Thema betreffend, haben Sie sich das angeguckt, ist da etwas drin, dass man sagt, das ist Politik designt?
Borries: Ja, das ist natürlich Politik designt, aber wie ich eben schon versucht habe zu sagen, designt im negativen Sinne, weil ja doch recht klar ablesbar ist, wer da auf welche erhofften Mehrheiten schielt, wer sich da wie taktisch, strategisch positioniert, also wer sich für ein Produkt für eine gewünschte Zielgruppe macht, und am Ende sind, glaube ich, Meinungsforscher die stärkeren Beeinflusser der Politik als tatsächlich die politischen Inhalte. Das ist natürlich ein Trauerspiel und führt, glaube ich, auch zu dem großen Vertrauensverlust, das Menschen heute in unserem Land in die Politik haben.
Friedrich von Borries, Architekt, Kurator und Designtheoretiker
Friedrich von Borries, Architekt, Kurator und Designtheoretiker© imago / Sven Simon
Billerbeck: Nun haben Sie ja eigentlich bedauert eben, dass es keinen Studiengang Design und Politik gibt. Was würde man denn in diesem Studiengang lernen?
Borries: Ich glaube, man würde lernen genau das, was man auch im Designstudiengang lernt, wenn man sich mit klassischem Produkt- oder Grafikdesign auseinandersetzt: Wie gestalte ich diese Welt? Aber ich würde mir dann nicht angucken, wie ich Möbel gestalte oder wie ich Plakate und Magazine gestalte, sondern ich würde mir angucken, wie ich vielleicht ein Wahlverfahren so gestalte, dass mehr als 30 bis 60 Prozent oder manchmal auch 70 Prozent an der Wahl teilnehmen. Ich würde mir vielleicht überlegen, wie eine Wahlkabine und eine Wahlurne aussieht, dass sie einem wirklich das Gefühl vermittelt, dass das ein wichtiger Akt ist.
Im Moment wirft man seinen Wahlzettel ja häufig in den Mülleimer in irgendeiner abgeschrabbelten Turnhalle. Da kommt, glaube ich, nicht dieses Gefühl rüber, ich mache jetzt hier einen wirklich wichtigen und bedeutsamen Akt als Teil unserer Demokratie.
Man würde sich vielleicht überlegen, ob der Orden des Bundesverdienstkreuz, was man verliehen bekommt, wenn man irgendwie was Wichtiges für die Gesellschaft getan hat, ob das wirklich noch aussehen muss wie das Eiserne Kreuz, was noch Adolf Hitler seinen Soldaten verliehen hat oder ob wir nicht eine zeitgemäßere Form und auch eine zeitgemäßere Vergabestruktur für solche Ehrungen haben, als diese doch irgendwie nicht mehr zeitgemäßen und auch irgendwie nicht demokratischen Prozedere, die unsere Gesellschaft viel prägen.
Vielleicht würde man sogar überlegen, wie Unternehmen und Firmen funktionieren würden, die demokratisch sind, denn Demokratie machen wir ja im Moment mit alle vier Jahre wählen. Aber wenn wir zur Arbeit gehen, sind wir in undemokratischen, hierarchisch organisierten Systemen meistens, und unsere Beteiligung, unsere Mitbestimmung ist da relativ klein. Ich glaube, das ist keine gute Demokratie, und ich glaube, da kann Design als kreative Kraft neue Impulse geben.

Design will mehr als eine schöne Oberfläche

Billerbeck: Ich nehme an, dass jetzt einige Hörer sehr überrascht sind, wie weit Sie diesen Designbegriff fassen, also Design und Politik, also das ist ja fast Gesellschaftstheorie.
Borries: Ja, ich glaube auch wirklich, dass das zusammengeht, und wenn wir uns überlegen, welche Produkte unsere Welt in der letzten Zeit stark verändert haben, unser Leben, wie zum Beispiel das iPhone oder das Smartphone, was völlig verändert hat, wie wir uns zueinander verhalten, wie wir kommunizieren, wie wir uns darstellen, und dann merken wir plötzlich, oh, das sind ja Sachen, die sind ja total designt, die kommen ja aus der Welt des Produktdesigns.
Da werden wissenschaftliche und technische Erkenntnisse, die viel älter sind, die teilweise aus den 70er- und 80er-Jahren stammen, plötzlich in Gegenstände, in Zusammenhänge, in Netzwerke übersetzt, die unser Leben verändern. Deshalb glaube ich, dass wenn wir wirklich nachdenken darüber, was hat unser Leben geprägt und verändert, wir merken, hui, da hat dieses Design doch einen viel tiefergehenden Einfluss als die Frage, ob wir das schön oder nicht schön finden.
Billerbeck: Sind eigentlich auch Wahl und Parteiprogramme eine Frage des Designs?
Borries: Ja, natürlich sind die auch leider oft im schlechten Sinne Produkte von oberflächlichen Stylingprozessen und nur sehr selten wirklich Prozesse oder Ergebnisse von demokratischen Aushandlungsprozessen, bei denen man sich heute überlegen muss, wie gestalte ich die, weil ja schon die Konstruktion einer Partei, die jetzt ja auch nicht gerade das boomende gesellschaftliche Feld ist, wo alle Leute sagen: geil, Partei, da muss ich hin, wo man sich überlegen muss, ist die Partei, wie sie heute konstruiert ist, wirklich noch das angemessene oder die sinnvolle Form politischer Meinungsbildung und Beteiligung?
Nein, offenkundig nicht. Fast alle Parteien leiden unter einem Schwund an Mitgliedern, und auch die, die noch viele Mitglieder haben, da sind die nicht immer wahnsinnig engagiert. Also ich glaube, auch da könnte man sich gestalterisch überlegen, welche Form, was ist denn die richtige Form für das, was wir als politische Meinungsbildung bezeichnen. Genau, insofern ist auch die Partei ein gutes Beispiel für ein notwendiges Redesign.

Donald Trumps goldblinkende Formensprache

Billerbeck: Wir erleben ja auch Politiker, die auch durchaus durchdesignt sind, aber auf eine Weise, die viele abschreckt. Ich sage nur Donald Trump. Ist der für Sie gutes Design in dessen Interesse?
Borries: Ich glaube, das gehört zu den traurigen Erkenntnissen, die man haben muss, dass natürlich Donald Trump im Sinne dessen, was er erreichen will, hervorragendes Design ist. Nicht umsonst hat dieser Mann sein Geld verdient mit Immobilien, mit Hotels, die ja auch viele Menschen schön finden und wo sie gerne hingehen, und seine Clubs, auch wenn wir jetzt oder ich vielleicht sagen würde, wenn ich mir diese goldblinkende verspiegelte Formensprache von Herrn Trump dauernd angucke, dass das nicht meine Vorstellung einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft ist. Aber es ist natürlich eine stringente Gestaltung von Materialität bis hin zu Performance, also Verhalten vor anderen Menschen in einer abschreckenden Weise, aber natürlich durch und durch gestaltet und, ich glaube, auch sehr wohl überlegt.
Billerbeck: Der Architekt und Designtheoretiker Friedrich von Borries, danke Ihnen für das Gespräch!
Borries: Ja, vielen Dank und einen schönen Tag noch!
Billerbeck: Den wünsche ich Ihnen auch! Und die Ausstellung, die der Anlass für dieses Gespräch war, die findet in der Münchener Pinakothek der Moderne statt. Friedrich von Borries, "Politics of Design, Design of Politics", von morgen an zehn Monate lang zu sehen bis zum 29. September 2019.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Ausstellung "Politics of Design, Design of Politics" von Friedrich von Borries
Pinakothek der Moderne, Die Neue Sammlung - The Design Museum
30.11.2018 bis 29.09.2019

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