"Revolusi! Unabhängiges Indonesien"
Die Ausstellung ist noch bis 5. Juni 2022 im Rijksmuseum in Amsterdam zu sehen.
Ausstellung "Revolusi! Unabhängiges Indonesien"
Mehr als 200 Objekte zeigt "Revolusi!", darunter dieses Foto von drei jungen indonesischen Frauen in den Straßen von Yogyakarta im Dezember 1947.
© Hugo Wilmar/Nationaal Archief/Collectie Spaa
Die Kunst der Unabhängigkeit
05:34 Minuten

Von Kugeln durchsiebte Armeehemden und Morgenröcke aus Militärlandkarten: Eine große Schau in Amsterdam beschäftigt sich mit dem blutigen indonesischen Freiheitskrieg. Neben dem historischen Rückblick geht es vor allem um indonesische Kunst.
An der Decke verschlissene Flaggen mit den Schlachtrufen der Rebellen, die von niederländischen Kolonialtruppen beschlagnahmt wurden. Dazwischen Vogelskulpturen, die herumzuflattern scheinen: schwarze Krähen als Symbol von Tod und Neuanfang. Und auf dem Boden scheinbar achtlos übereinandergeworfene, reich verzierte vergoldete Bilderrahmen. Wie Sperrmüll, alle leer.
Der indonesische Künstler Timoteus Anggawan Kusno durfte die Bilder aus den vergoldeten Rahmen entfernen. Es sind ausschließlich Porträts niederländischer Gouverneure, die über 300 Jahre hinweg, bis 1945, über die Kolonie in Südostasien herrschten. Sie schmückten einst den Palast in Batavia, dem heutigen Jakarta.
Blackbox aus Leid und Unterdrückung
Inzwischen befinden sich Bilder und Flaggen im Amsterdamer Rijksmuseum. Relikte der Kolonialzeit, aus denen der 32-jährige Künstler seine raumfüllende Installation zusammengesetzt hat. "Mein Kunstwerk ist wie die Blackbox eines Flugzeuges, in der Leid und Unterdrückung von drei Jahrhunderten gespeichert sind", sagt er.
Kusnos’ Installation gehört zu den beeindruckendsten Ausstellungsstücken von "Revolusi!", einer weiteren historischen Schau über den blutigen indonesischen Freiheitskrieg von 1945 bis 1949. Ein heikles Thema.

Ein Porträt eines niederländischen Gouverneurs wird am Tag vor der Unabhängigkeit 1949 aus dem Palast in Batavia getragen. Foto von Henri Cartier-Bresson.© Fondation Henri Cartier-Bresson/Magnum Photos/ANP
Aber um Schuld und Scham, so Museumsdirektor Taco Dibbits, gehe es hier nicht: "Wir betrachten das, was damals geschah, aus einer internationalen Perspektive. Als erster Staat nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich Indonesien 1945 für unabhängig erklärt, viele weitere sollten folgen. Wir wollen Einsicht geben in diesen Teil der Vergangenheit und dadurch für mehr Verständnis sorgen."
Gezeigt werden Gemälde und Zeichnungen, Pamphlete, Plakate, Filme und Fotos. Aber auch ein von Kugeln durchsiebtes Armeehemd, private Fotoalben, der Morgenrock, den sich eine Niederländerin während des Krieges auf Java genäht hatte - aus auf Stoff gedruckten Militär-Landkarten.
Insgesamt 200 Objekte, die 20 verschiedenen Menschen zugeordnet werden können. Freiheitskämpfer und Soldaten, Familienväter und Hausfrauen, Kriegsreporter, Politiker, Diplomaten, Künstler und Fotografen.
Henri Cartier-Bresson zum Beispiel: Der Franzose war mit einer bekannten javanischen Tänzerin verheiratet und hat die Geburtsstunde des neuen Staates 1949 mit seiner Leica festgehalten.
Als Zigarettenverkäufer getarnt
Oder Mohammed Toha, ein elf Jahre alter talentierter junger Maler, der von seinem Lehrer den Auftrag bekam, die Ereignisse im besetzten Yogyakarta festzuhalten. Er tarnte sich als Zigarettenverkäufer, um Pinsel und Wasserfarben zu verstecken. Seine berührenden Aquarelle zeigen Hausdurchsuchungen, Beerdigungen und niederländische Soldaten, die Zivilisten als menschlichen Schild missbrauchen.

Die Republikanischen Truppen kehren nach Yogyakarta zurück. Gemalt von Mohammed Toha im Juni 1949.© Staeske Rebers/Mohammad Toha/Rijksmuseum
Auf diese Weise kann die Geschichte aus 20 verschiedenen Perspektiven betrachtet werden – und sich unser eigener Blick auf sie verändern, hofft Konservator Harm Stevens.
Harm gehört zum Kuratorenteam aus Niederländern und indonesischen Gastkuratoren, die die Ausstellung zusammengestellt haben. Ihr Ziel: Fenster und Türen öffnen. "Damit der Blick frei wird. Nicht nur auf die Geschichte, auch auf die indonesische Kunst – für viele im Westen ein blinder Fleck", sagt Harm.
Die Königin und der Vulkan
Basuki Abdullah zum Beispiel ist ein bekannter indonesischer Porträtmaler. Er beweist, dass die Fronten zuweilen fließend waren und nicht alles schwarz-weiß. Abdullah porträtierte sowohl den ersten Präsidenten der jungen Republik Sukarno als auch, mitten im Krieg, die niederländische Königin Juliana vor einem unheilvoll rauchenden javanischen Vulkan.
Oder Muhammad Affandi, der in Yogyakarta ein eigenes Museum bekommen hat. Eines seiner Gemälde zeigt einen jungen Indonesier, der von seinen Landsleuten misshandelt wird, weil sie glaubten, er sei ein feindlicher Spion.
Ein Schlüsselwerk, sagt der indonesische Gastkurator Amir Sidharta: "Affandi wollte das Leid der Menschen ausdrücken, egal auf welcher Seite sie standen. Er wollte zeigen, dass die Gewalt überall war, auch unter den Indonesiern."
Für Sidharta ist die Ausstellung ein Weckruf, und zwar einer, der nicht nur blinde Flecken der Geschichte beseitigt, sondern auch Interesse weckt an der indonesischen Kunst.