Ausstellung in Berlin

Welchen Wert hat die Kunst?

Jeff Koons vor seiner Ballerina. Er breitet die Arme aus.
Jeff Koons verdient ein Vermögen mit seiner Kunst. Ob sie das auch wert ist, ist umstritten © imago
Von Simone Reber · 31.05.2017
26 Millionen Euro für einen Gerhard Richter, 43 Millionen für eine Pudel-Plastik von Jeff Koons: Kunst kann horrende Preise erzielen. Oder fürchterlich brotlos sein. Eine Ausstellung in Berlin macht sich nun über den Wert der Kunst Gedanken.
"Ich denke nach" – welche Sprengkraft in diesem Satz liegen kann, zeigt das umwerfend komische Video "The Trainee" der finnischen Künstlerin Pilvi Takala. Mit dem Einverständnis der Geschäftsleitung durchlief sie als Praktikantin verschiedene Abteilungen eines modernen Unternehmens. Doch statt zu kopieren, zu mailen, zu telefonieren, sitzt sie - heimlich gefilmt - nur da und tut nichts.

Da sitzt jemand und denkt nach - das ist suspekt

Wann immer sie gefragt wird, woran sie gerade arbeite, antwortet sie "Brainwork" – "ich denke nach". Beschwerdebriefe erreichen die Geschäftsleitung darüber, dass die Mitarbeiter Zeit verlieren, weil sie über die seltsame Frau rätseln. Für Marc Wellmann, den Leiter des Berliner Hauses am Lützowplatz, spiegelt der Film die Haltung zu künstlerischer Arbeit in der eng getakteten Leistungsgesellschaft.
"Weil das natürlich in hohem Grade unheimlich ist, wenn jemand neben einem sitzt und eigentlich etwas tun müsste, aber gar nichts macht. Aber es taucht genau die Frage auf, wie man den Wert von Arbeit überhaupt bemisst. Das ist ja auch eine wesentliche Form der künstlerischen Tätigkeit, nachzudenken, Zeit zu haben, zu reflektieren."
Wie wertvoll ist Gedankenarbeit? Welchen Preis kann man für eine Idee erzielen? Welcher Gewinn entsteht beim Nachdenken? fragt die anregende Ausstellung "Transaktionen". Dabei geht auch ums Geld.

Zwei Künstler schleichen verlegen umher

Die kanadischen Künstler Joshua Schwebel und Jonas St. Michael schleichen sichtlich verlegen durch das Haus am Lützowplatz. Die beiden verbindet ein Deal. Julian Schwebel hat seinen Raum an den Kollegen untervermietet. Auf diese Weise wollte er auf die prekäre Situation von Künstlern im Ausstellungsbetrieb aufmerksam machen. Jetzt fühlt er sich wie ein Schuft.
"Es ist sehr seltsam. Er ist nicht mein Kollege, er ist mein Kunde, mein Untermieter. Ich habe einen Vertrag mit ihm gemacht, er hat mir für das Privileg bezahlt, seine Arbeit in dieser Ausstellung zeigen zu dürfen. Und gleichzeitig wird auf diese Weise deutlich, daß er dafür bezahlt, ausgestellt zu werden. Wir gehen freundlich mit einander um. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber unterschwellig handelt es sich nicht um Freundschaft, sondern um eine Instrumentalisierung."
Jonas St. Michael zeigt in dem angemieteten Raum drei großformatige Studiofotografien von Billiglöhnern in Mumbai. Sechs Monate hat er für das Projekt in Indien verbracht, hat in Reise, Material, Lebenshaltung investiert, dazu Gedankenschweiß und Herzblut. Nun muß er auch noch Miete zahlen, um die Bilder zu zeigen. Aber der Fotograf beschwert sich nicht.
"Der Preis war 1200 Euro für eine dreimonatige Ausstellung. Mich hat der Zusammenhang gelockt. Deshalb dachte ich, vielleicht ist das die Sache wert, nach Berlin zu kommen und Teil der Schau sein. Natürlich bezahle ich normalerweise nicht für den Raum, um meine Arbeit zu zeigen. Aber in diesem Fall habe ich eine Ausnahme gemacht."

Leidenschaft für Kunst heißt oft Existenzangst

Oft genug geht mit der Leidenschaft für die Kunst die Existenzangst einher. Wie Joshua Schwebel hat auch die amerikanische Malerin Ali Fitzgerald erlebt, wie Kollegen nach Jahren ihren Beruf an den Nagel gehängt haben, weil sie nicht davon leben konnten. Ihr großes Wandgemälde Panther Opera erzählt die Geschichte einer Künstlerin, die sich gegen kopflose Kreaturen durchsetzen muß. Über diesen surrealen Begegnungen wacht das göttliche Auge – Erinnerung an den Ewigkeitsanspruch der Kunst.
Rund dreißig Stunden hat Ali Fitzgerald daran gearbeitet:
"Aber ich mache ein Wandgemälde, das man weder verkaufen, noch reproduzieren, noch transportieren kann. Es wird nur zwei oder drei Monate existieren. Insofern stellt sich die Frage, ob das meine Arbeit wert ist. Und gleichzeitig ist das Wandgemälde eine übergriffige Aktion, weil man die Wand von jemand anderem benutzt. Es ist wie eine Punk-Geste."
Ali Fitzgerald arbeitet inzwischen mehr als Comiczeichnerin. Die Populärkultur, sagt sie, ist leichter zugänglich als die Kunstszene.

Die Marktmechanismen bleiben ominös

In der Ausstellung wird die künstlerische Arbeit sehr deutlich. Ominös aber bleiben die Marktmechanismen, die darüber entscheiden, wer gewinnt und wer verliert.
"Das sind vor allem männliche Maler, die enorme Wertsteigerungen auf dem Markt erzielt haben, in relativ kurzer Zeit. Bekannt auch dieses Artflipping, wo Absprachen zwischen Sammlern und Galeristen getroffen werden, um gezielt auf Auktionen die Werte zu steigern."
Da liefert die Ausstellung Antworten nicht frei Haus. Die Besucher müssen selbst Gedankenarbeit investieren.
Dafür, sagt Marc Wellmann, ist der Eintritt frei.

"Transaktionen - über den Wert künstlerischer Arbeit" ist bis zum 20. August im Haus am Lützowplatz zu sehen, Lützowplatz 9, 10785 Berlin. Öffnungszeiten: täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

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