Ausstellung "ImEx"

Von der Gleichheit der Ungleichen

Eine Besucherin betrachtet am Freitag (31.08.2012) in der Ausstellung «Ich arbeite für mich, nur für mich und meinen Gott» in der Kunstsammlung in Jena ein Bild des Malers Alexej von Jawlensky. Die Ausstellung gibt vom 02.09.2012 bis zum 25.11.2012 einen Überblick über das Lebenswerk des für seinen ausdrucksstarken Stil mit einfachen Formen und leuchtenden Farben bekannten Malers
Wie viel Impressionismus steckt im Expressionisten Alexej von Jawlensky? © dpa-Zentralbild / Martin Schutt
Von Christiane Habermalz · 22.05.2015
Impressionismus und Expressionismus sind in der Malerei unvereinbare Gegensätze? Eine Ausstellung in der Berliner Alten Nationalgalerie zeigt überraschende Gemeinsamkeiten und Parallelen der Stilrichtungen – und erzählt eine neue Version der klassischen Moderne.
Man nehme Manet, Renoir, Liebermann, kombiniere sie mit Pechstein, Pissarro und Kirchner, und die Kassen werden klingeln. So einfach, so richtig. Meisterwerke des Impressionismus erweisen sich noch immer als garantierte Publikumsmagneten und für die Klassische Moderne gilt das nicht weniger. Wenn jetzt die Nationalgalerie in ihrer Ausstellung "Impressionismus – Expressionismus. Kunstwende", kurz "ImEx" ihre zahlreichen Highlights aus beiden Stilrichtungen zusammen zeigt, dann drängt sich sofort die Frage auf: Kann das mehr sein als eine Leistungsschau der Heroen des Kunstmarktes, als eine Wiederkehr der immer wieder gern gesehenen getupften lichten Blumenwiesen und Kirchnerschen Stadtansichten mit Prostituierten? Doch die Antwort lautet klar: Ja, sie kann. Erstaunlicherweise indem sie nicht nur das Trennende, Dialogische, Reaktive, sondern das Gemeinsame zwischen beiden Stilrichtungen sucht. Lange galten die Expressionisten als die deutsche, düstere oder expressive Gegenreaktion auf die lichte, verschwommene Ausdruckskunst der französischen impressionistischen Maler-Flaneure.
Ähnlich bis hin zum Bildausschnitt
"Es ist sehr offensichtlich, dass die Malstile sich radikal verändert haben zwischen diesen zwei Epochen. Aber, und darum geht es in dieser Ausstellung vor allem eben auch, dass die Themenfelder, die Sujets teilweise sich gleichen und ganz, ganz ähnlich sind bis hin zu gleichen Bildausschnitten. Sie haben also auch große Nähen zueinander",
betont Nationalgalerie-Direktor Udo Kittelmann. Allein die Wahl der gleichen Motive allerdings überzeugt noch nicht allein als Bindeglied. Was hat Claude Monets Charing Cross Bridge mit Ernst Ludwig Kirchners Rheinbrücke in Köln zu tun – außer dass sie beide Brücken zeigen? Doch andere Paarungen offenbaren überraschende und interessante Einblicke. Die knalligen Farben von August Mackes flanierenden Frauen in "Sonnigem Weg" von 1913 wirkt wie eine Replik auf Liebermanns farbenprächtigen "Papageienmann" im Park, gemalt nur zehn Jahre zuvor. Künstler beider Richtungen zog es in die freie Natur, entdeckten die Freizeit in Park und Landhaus. Impressionisten wie Expressionisten waren antibürgerlich und avantgardistisch, suchten das Authentische und Wahre. Und sie zeigten menschliche Beziehungen nicht mehr als verklärte Familienidylle, sondern als sich einander entfremdende Individuen mit eigenen Wünschen und Träumen. Max Beckmanns "Unterhaltung" malt die Familie als Ort enervierter Langeweile, Edvard Munch auf seinem Bildnis der Käte und Hugo Perl die Sprachlosigkeit eines Ehepaars.
"Auch ein Bild, das diese Vereinzelung noch einmal vollkommen auf die Spitze treibt. Munch schreibt selber über dieses Ehepaar: Sie will nach Italien, er will in die Berge. Und sie haben sich später dann auch getrennt. Und Sie sehen in diesem ganzen Raum, egal ob Im oder Ex immer Vereinzelung. Die Leute haben sich nichts mehr zu sagen, betonen ihre Individualität. Und da sind immer wieder die Dinge, die verbinden",
erklärt Philipp Demandt, Leiter der alten Nationalgalerie. Die Ausstellung ist auch maßgeblich eine Rückbesinnung auf die Geschichte des eigenen Hauses. Der Aufbruch in die Moderne fand maßgeblich in Berlin statt: Die Nationalgalerie war das erste europäische Museum, das gezielt, schon Ende des 19. Jahrhunderts, noch vor den französischen Museen, Impressionisten einkaufte, und diese Modernisierung ihrer Sammlung nach dem Ersten Weltkrieg mit den Expressionisten fortführte – gegen die massive Kritik der Zeitgenossen, wie Kittelmann süffisant zitiert.
"Haben Sie wirklich Geld für diesen Dreck gegeben?"
"Von Adolph von Menzel ist zum Beispiel überliefert, dass er gegenüber einem Sammlerehepaar hier in Berlin, die die Ersten waren, die die Impressionisten gesammelt haben, gesagt hat: Haben Sie wirklich Geld für diesen Dreck gegeben?"
Und Kaiser Wilhelm wird mit der Bitte an den damaligen Leiter der Nationalgalerie, Ludwig Justi, überliefert, er möge, wenn er schon diese modernistischen Expressionisten sammele, ihm doch wenigsten keine violetten Schweine einkaufen.
Demandt: "Es sind eben, und das ist eben was, was man sich immer wieder auch klar machen muss, zum großen Teil Zeitgenossen. Im Gegenteil. Also wenn Sie denken, nach dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Expressionismus im Prinzip erledigt. Die maßgeblichen Expressionisten waren tot, wie Marc oder Macke, oder hatten ihre besten Zeiten hinter sich, wie Kirchner, wohingegen Monet, Slevogt und Liebermann noch Jahrzehnte fröhlich weiter ihre Gärten gemalt haben. Und diese Gleichzeitigkeit von diesem Ungleichen, von dem wir eben auch glauben, dass es viel Gleiches ist, das kann man hier eben sehr gut erleben."
Die Nationalgalerie konnte also für diese Ausstellung aus dem Vollen schöpfen. Von den 160 gezeigten Bildern sind 100 aus den eigenen Beständen, ergänzt um Bilder aus dem Brücke-Museum und hochrangige Leihgaben. "ImEx" ist eine Ausstellung, die eine neue Version der klassischen Moderne erzählt – und es macht einfach Spaß, ihr zu folgen.
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