Ausstellung im Kunsthaus Zürich

Europa nicht Politikern überlassen

Eine grüne Europakarte
Europakarte © imago / INSADCO
Von Ania Mauruschat · 11.06.2015
Die Ausstellung "Europa – Die Zukunft der Geschichte" findet ausgerechnet in einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat statt: im Kunsthaus Zürich. Sie zeigt die potenzielle politische Kraft der Kunst. Wer sich darauf einlässt, kann durchaus wieder Lust auf Europa bekommen.
"Politik instrumentalisiert Bilder und die Künstler schauen das kritisch an."
Cathérine Hug vom Kunsthaus Zürich. Zusammen mit dem österreichischen Schriftsteller Robert Menasse hat sie das Unmögliche gewagt: Europa ausstellen. Das Ziel: Künstlerische Bilder finden für ein Abstraktum, das vor allem eine ökomische Realität ist, die seit einigen Jahren ziemlich in der Krise steckt. Auch wenn vielen bei dem Stichwort "Europa" wahrscheinlich als erstes der griechische Gründungsmythos in den Sinn kommt: Die Entführung der Königstochter Europa durch den als Stier getarnten Zeus macht gerade nicht den Auftakt der Schau. Cathérine Hug:
"Es gibt nicht ein einziges Bild, es ist ein historisches Kulturerbe, das ist Europa."
Entsprechend eröffnen zwei allegorische Gemälde des Schweizer Symbolisten Arnold Böcklin die Ausstellung: "Die Freiheit" von 1891, eine über dem Wolkenmeer auf einem Felsen mit Friedenspalme, Adler und Jakobinermütze thronende, nackte Schönheit. Und: "Der Krieg" von 1897, die bedrohliche Darstellung dreier entfesselter Reiter, die mit Hammer und Sense über eine mittelalterliche Stadt hinweg preschen. Denn die Zäsuren des Ersten und vor allem des Zweiten Weltkriegs sind für diese Europa-Ausstellung, die im Untertitel "Die Zukunft der Geschichte" heißt, zentral. Cathérine Hug:
"Letztes Jahr 100 Jahre Beginn des Ersten Weltkrieges, dann dieses Jahr 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges, also wir haben eine politisch doch sehr tragische, dramatische, europäische Geschichte, und wiederum in den letzten 65 Jahren eine sehr stark positiv im Sinne von Friedensgestaltung eine spannende Geschichte, und das nicht vergessen zu wollen, das ist diese Zukunft von der wir sprechen. Also jetzt, wo auch viele Zeitzeugen bald nicht mehr leben werden, ist doch auch die bildende Kunst eine Form der Geschichtsschreibung."
Spannungsvolle Begriffspaare durchziehen die mosaikartige Ausstellung: Freiheit und Krieg, Geschichte und Zukunft, Kolonialismus und Migration, Nationalismus und Utopie. So zeigt beispielsweise der 16-mm-Film "Tattoo" der Britin Miranda Pennell die so perfekt wie grotesk wirkende Drillübung junger Soldaten für einen Zapfenstreich, ohne dass erkennbar wäre, welche Armee hier den Stechschritt übt.
Europa durch Gewässer vernetzt
Dem Schwarz-Weiß-Film gegenüber sind Remco Torenboschs Auseinandersetzungen mit der europäischen Flagge ausgestellt, u.a. in den unterschiedlichsten Blautönen eingefärbte Flaggen aller Mitgliedsstaaten.Diese assoziative Hängung fordert den Betrachter und seine Fantasie heraus. Wer sich darauf einlässt, kann durchaus wieder Lust auf Europa bekommen, ganz so, wie Kuratorin Cathérine Hug es sich wünscht:
"Was mir und dem Robert Menasse ganz wichtig war, es ist gerade so, dass diese ganze Diskussion über Europa nicht einfach den Politikern überlassen werden soll, man soll einfach wieder ein bisschen mehr Lust haben, sich mit Europa auch positiv auseinander zu setzen, ich glaube das ist das was die Ausstellung auslösen soll, das es uns eigentlich wirklich was angeht, weil wir hier leben, also ganz einfach."
Nicht nur in Europa leben, sondern auch alle Flüsse des Kontinents durchtauchen, das hat sich die in Berlin ansässige Tschechin Klara Hobza vorgenommen: Seit 2012 bis circa 2040 will sie von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer alle Gewässer Europas tauchend durchqueren. Die Videos, mit denen sie ihr Projekt dokumentiert, veröffentlicht sie auf der Videoplattform Youtube. Kuratorin Cathérine Hug:
"Das ist utopisch. Sie sieht halt: Europa der Gewässer, das ist alles vernetzt, und sie hat sich das so was vorgenommen, eine surreale Idee, ja. Das hat aber auch eine politische Kraft irgendwie, weil es so verrückt ist, so visionär und aufzeigen soll, rein physisch, dass man das vielleicht in den nächsten 40 Jahren schafft, damit macht man nicht Tagespolitik, ja?!"
Klara Hobzas Performance-Projekt "Diving through Europe" ist vielleicht eines der besten Belege für die potentielle politische Kraft der Kunst, gerade auch für ein Europa in der Krise und die Zukunft seiner Geschichte.
Webseite zur Ausstellung "Europa – Die Zukunft der Geschichte" im Kunsthaus Zürich - Die Ausstellung ist vom 12.6. bis zum 6.9.2015 zu sehen.
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