Ausstellung "Human Factor"

Ars Electronica in Berlin

Teil eines Exponats des Künstlers Davide Quagliola bei einer Ars-Electronica-Ausstellung in Berlin.
Teil eines Exponats des Künstlers Davide Quagliola, "Quayola", bei einer Ars-Electronica-Ausstellung in Berlin © picture alliance / dpa / Renate Grimming
Von Anja Krieger · 01.09.2016
Vasen aus radioaktivem Schlamm, Roboter als Künstler: die Ausstellung "Human Factor - Endless Prototyping", die im Volkswaren-Forum Berlin zu sehen war, beschäftigt sich mit dem Verhältnis Mensch-Maschine. Anja Krieger hat sie für uns besucht.
Flink surren die Glieder der Roboterarme über das Zeichenbrett. Die drei kuriosen Wesen sind an Schultischen festgeschraubt, hinter den glänzenden Karosserien im weißen Showroom des Volkswagen-Konzerns. Auf dem Stuhl vor ihnen hat eine Besucherin Platz genommen. Die Linsen der aufgebockten Roboterkameras richten sich mal auf das Modell, dann wieder aufs Papier. Mit gelenkigen Bewegungen fahren die Kulis hin und her und zeichnen Gesichter. Fasziniert schauen die Besucher drumherum zu.
"It’s weird for me that their all left-handed (lacht)…"
"There’s something in trying to paint something, that is using technology, in your mind."
"The web cam looks up at the person and then looks back down at the drawing, almost like a real human person."
"And it’s a little bit scary, like will they be instead of us one day, or… I don’t know? (lacht)"

Drei Roboter namens Paul

"Human Study #1, 3RNP" hat der französische Künstler Patrick Tresset seine Installation getauft. Das Akronym steht für Three Robots Named Paul – so hieß Tressets erster Zeichenroboter. Obwohl sie alle Paul heißen, entstehen ganz verschiedene Bilder. Während der Roboter in der letzten Reihe noch wild herumkrakelt, ist der ganz vorne schon mit einer sauberen Zeichnung fertig. Patrick Tresset lässt seine Roboter zwar mit gleicher Software laufen, doch die Hardware weist feine Unterschiede auf. Das sorgt für die Illusion, dass Individualisten am Werke sind.
"Mich interessiert, wie die Leute auf Roboter reagieren, diese marionettenartige Qualität des Roboters. Sie funktioniert genauso wie eine Sockenpuppe auf der Hand: Plötzlich scheint da etwas lebendig zu sein, obwohl eigentlich gar nichts dahinter steckt – aber unser Gehirn schaltet dann auf diesen Modus um."
Das menschliche Objekt, dem sich die Roboter heute widmen, heißt Poli Quintana. Geduldig sitzt die Frau aus Chile auf dem Stuhl des kleinen Podiums, während die Kameras der Roboter sie immer wieder in den Fokus nehmen.
"Ja, die sind kleine Menschen (lacht), und die haben nur ein Auge, also die beobachten mich so mit einer komischen Bewegung, wie die Kinder, die neugierig sind."
Damit die Roboterklasse sie auch gut zu Papier bringt, muss Poli eine halbe Stunde stillhalten. Sie ist sich nicht ganz sicher, ob das alles nur ein niedliches Spiel ist.

Roboter sind weder intelligent noch kreativ, meint der Künstler

Der Ausstellungsraum ist voller Technik. Neben den Zeichenrobotern fräst ein mehrere Meter hoher Maschinenarm die unvollendeten Skulpturen Michelangelos in weiße Blöcke aus Styropor. Ein riesiges Objektiv macht ultrascharfe Fotos von Gesichtern.
"Dass die intelligenter als wir werden, dass wir die Kontrolle verlieren über diese Maschine, das ist was mir Angst macht irgendwie, ja."
Künstler Patrick Tresset teilt diese Sorge nicht. Er hält die Angst vor künstlicher Intelligenz für übertrieben. Weder seien Roboter kreativ noch wirklich intelligent, findet Tresset.
"Alles, was für uns ganz einfach ist, ist für einen Roboter schwierig. Als ich meinen ersten Roboter gebaut habe, hat es ewig gedauert, ihn bloß dazu zu bringen, eine Linie zu zeichnen. Dann nimmt man das Papier hinzu und stellt fest, dass die Reibung des Stifts auf dem Papier die Dynamik des Arms verändert. Alles ist so komplex in der Realität, und das macht die Arbeit mit Robotern so interessant: Man versteht erst dann, was wir alles tun können und wie anpassungsfähig wir eigentlich sind."

Die Unterschiede zwischen Mensch und Maschine verschwimmen

Die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine lässt Tresset trotzdem genussvoll verschwimmen. Kaum einer kann seine drei Roboter bloß als das sehen, was sie sind: ein paar Motoren, Sensoren und Kabel, die auf einer Holzbank verbaut sind. Stattdessen sieht man als Besucher Köpfe, Augen und Hände.
Manchmal suggeriert Technik, dass sie menschlich ist. Manchmal verschleiert sie aber auch die Konsequenzen menschlichen Handelns. Das ist das Thema der Arbeit, die gegenüber unter Plexiglas zu sehen ist: die drei schwarzen Vasen des Unknown Fields Kollektiv, zu dem auch Designer Liam Young gehört.
"In diesem Projekt erkunden wir die Produktionslandschaft von China, wo so ziemlich jedes technische Gerät, das wir besitzen, hergestellt wird. Wir haben sie zurückverfolgt und sind vom Londoner Apple Store über die Megahäfen in Asien gereist, durchs südchinesische Meer die Küste hinunter bis zu den Großmärkten, wo die Geräte gehandelt werden, in die Fabriken, wo Millionen von Händen sie am Fließband herstellen, und schließlich zu den Raffinerien, wo die seltenen Erden verarbeitet werden. Um reinzukommen gaben wir uns als ausländische Käufer aus, und landeten schließlich an einem riesigen schwarzen radioaktiven See, neben der weltgrößten Raffinerie für seltene Erden in der Mongolei."

Radioaktive Vasen im Ming-Stil

Aus diesem See stammt der Schlamm der immer noch leicht radioaktiv strahlenden Vasen in der Ausstellung. Im klassischen Ming-Stil gefertigt, stehen sie für drei Ikonen des Technologie-Zeitalters, das iPhone, das MacBook, und die Autobatterie, die den Verkehr revolutionieren soll.
"Neue Technologien werden uns auf der Basis von Leichtigkeit verkauft, sie werden als 'Wolke' beschrieben, als kurzlebig und mühelos. Sie scheinen ganz leicht durch diesen See an Pixeln zu gleiten und nie den Boden zu berühren. Aber in Wirklichkeit sind unsere Technologien geologische Artefakte, sie kommen aus der Erde."
Den Landschaften, die aus dem modernen Lebenstil entstehen, reisen Liam Young und das Unknown Fields Collektive hinterher. Dass ihre technologiekritische Kunst bei einem großem Autohersteller ausgestellt wird, stört den Künstler nicht – im Gegenteil.
"Um ehrlich zu sein, das ist genau der Kontext, in dem wir die Arbeit zeigen wollen. Unsere Vasen teilen sich hier den Boden mit einer Menge schicker, glänzender Autos, um die eine Menge Leute herumlaufen, denen das Wasser im Mund zusammen läuft. Vielleicht schauen sich die Leute das Auto an, und dann unsere Vase, und dann denken sie ein bisschen anders über das Auto, und treffen vielleicht eine andere Entscheidung."
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