Smart Cities? Oder Smart Citizens?
Kunst trifft auf Wissenschaft und Technologie - das ist das Ars Electronica-Festival. In diesem Jahr geht es um die vernetzte Stadt der Zukunft, die Smart City. Die Künstler wollen auch die Schattenseiten sichtbar machen - damit aus Bürgern Smart Citizens werden.
"Ich stelle hier zwei Projekte vor, das eine heißt 'Boutique S'. Es geht um Anti-Shopping und darum, den Shopping-Gedanken zu ironisieren. Eigentlich handelt es sich dabei um riesige Fotos meiner Finger, aus denen ich Kleidung gemacht habe. Kleidung allerdings, die man nicht anziehen kann."
Keine Knöpfe, keine Träger: wenn man die Mode von Dorota Sadovská anziehen möchte, dann rutscht sie sofort herunter. Die slowakische Künstlerin möchte damit protestieren, gegen die Bling-Bling-Boutiquen, die überall die Innenstädte durchgentrifizieren und in denen Kleidung verkauft wird, die weniger zum Tragen geeignet ist als vielmehr zum Herzeigen. Damit widmet sich Sadovská einer Leitfrage des Ars Electronica Festivals: In was für Städten wollen wir in Zukunft leben? Und wie?
"Post City – Lebensräume des 21. Jahrhunderts" ist das Motto des Medienkunstfestivals und als Location hat man passenderweise ein ehemaliges Logistikzentrum der österreichischen Post ausgewählt. Dieses klobige Gebäude, diese nunja – "Post-City" - am Linzer Hauptbahnhof ist gerade einmal 28 Jahre und soll trotzdem schon bald abgerissen werden. Auch das ist ein Beispiel dafür, wie schnell sie Städte verändern, gerade jetzt, gerade in Zeiten der digitalen Vernetzung von Menschen und Dingen, sagt Gerfried Stocker, der künstlerische Leiter der Ars Electronica:
"Da geht es einfach darum, sich anzuschauen: Wie könnten denn unsere Lebensräume aussehen, wenn all diese Revolutionen, die und im Moment beschäftigen durch sind? Was ist, wenn die digitale Revolution diesen Level erreicht hat von dem jetzt viele träumen und schwärmen von dem aber immer mehr Leute Angst haben. Mit Big Data, dem Internet der Dinge, die Vorstellung, dass unsere Städte voll sind mit autonom fahrenden Autos, dass uns Roboter in Supermärkten bedienen und so weiter."
"Smart City" ist ein Buzzword
Auf vielen Quadratmetern Betonboden wird dabei deutlich: Die Stadt der Zukunft, sie wird nachhaltig sein, hocheffizient, hypervernetzt, sicher und sehr "smart". "Smart City", dieses Buzzword elektrisiert nicht umsonst schon seit einigen Jahren Planer, Architekten und die Mitarbeiter der Stadtmarketingabteilungen, und doch haben Smart Cities auch so ihre Schattenseiten. Sie sind anfällig für Hacker und wenn in so einer Smart City der Strom ausfällt, dann geht erst einmal gar nichts mehr. Aus dem Traum der smarten Stadt könnte schnell ein Alptraum werden, sagt Gerfried Stocker:
"Wir haben uns in mehreren Symposien die Frage gestellt: How can wie outsmart the city? Es gibt ja dieses wunderbare Zitat vom Rich Gold, das war einer der ganz spannenden Entwickler am Xerox-Parc in den 90ern, wo wirklich revolutionäre Dinge erdacht und entwickelt wurden. Und der hat diesen Ausspruch geprägt: 'How smart your bed has to be, bevor you are afraid to sleep in it?' Auf uns übertragen heißt das: Wie smart können diese Städte sein, bevor wir Angst bekommen, in ihnen zu leben?"
Vielleicht hilft die Kunst dabei, dass die modernen Hightechstädte ihren Schrecken verlieren oder dass man sie zumindest besser versteht. Denn Kunst irritiert, entlarvt, wühlt auf, entzaubert und legt frei. Zum Beispiel, die riesigen Datenmengen, die moderne Städte in Echtzeit produzieren und verarbeiten – und die wir mit bloßem Auge nicht mehr wahrnehmen, sagt Susa Pop. Sie ist Direktorin beim Public Art Lab in Berlin wo Kuratoren, Künstler, Medienwissenschaftler und Stadtplaner gemeinsam Projekte entwickeln:
"Bei den der Debatte rund um Smart Cities geht es ja oft darum, dass wir von Technologie umgeben sind, die wir gar nicht mehr sehen und die uns tracken, beobachten, aufnehmen und so weiter. Und diese Technologien und Datenströme möchten wir sichtbar machen mit künstlerischen Szenarien. Sodass bei der Bevölkerung ein Bewusstsein entsteht und die Bevölkerung die Chance hat einzugreifen und mitzuwirken."
Projektionen, die sichtbar machen, wie verschmutzt die Luft ist, Augmented Reality Apps, die wabernden Funkwellen von WLan-Netzen offenbaren, Medienfassaden und urban Screens, die die feinen Verästelungen der Informationsinfratstruktur aufdecken: Künstler werden in Zukunft hinter die Fassade unserer High-Tech-Städte blicken und mit Mitteln das hervorholen, was sonst unsichtbar bleibt. Und am Ende werden dann hoffentlich nicht nur Smart Cities stehen, sondern auch Smart Citizens.