Ausstellung der Malerin Fahrelnissa Zeid

Ekstatische Pinseltänze

Auf einem Foto von 1962 hat sich die Malerin Fahrelnissa Zeid auf einen Stuhl gestellt, um die große Leinwand bemalen zu können.
Auf einem Foto von 1962 hat sich die Malerin Fahrelnissa Zeid auf einen Stuhl gestellt, um die große Leinwand bemalen zu können. © imago/ZUMA Press
Von Simone Reber · 18.10.2017
Fahrelnissa Zeid war Mitbegründerin der türkischen Moderne. Die DB Kunsthalle in Berlin widmet der Malerin, die 1991 in Jordanien starb, eine Ausstellung, die auch von ihrem Leben als Prinzessin, Botschaftergattin und Salonière erzählt.
Das goldene Kleid mit geometrischen Mustern bestickt, das dunkle Haar zu einem Bubikopf in Wellen gelegt, an den Ohren prächtige Geschmeide. Mit 79 Jahren malt sich Fahrelnissa Zeid als junge Frau zwischen den Kulturen. Ein Foto aus ihrer Jugend belegt die glamouröse Schönheit der Künstlerin, in deren Leben die Aufbrüche und die Katastrophen des 20. Jahrhunderts nachhallen.

Frankophil aufgewachsen

Als Tochter aus osmanischem Adel wächst Fahrelnissa Zeid frankophil auf, studiert Kunst, erst in Istanbul, dann in Paris. Nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann heiratet sie Zeid Al-Hussein, einen Prinzen aus der irakischen Königsfamilie. Als ihr Mann Botschafter in Deutschland wird, begleitet sie ihn 1935 nach Berlin. Sie nutzt den Aufenthalt in Europa, um ihren Horizont zu erweitern, sagt die Kuratorin Kerryn Greenberg:
"Sie hat in Berlin gemalt, aber die Bilder sind nicht mehr erhalten. Wir wissen aus ihren Skizzenbüchern, dass sie viele verschiedene Museen in Deutschland und in ganz Europa besucht hat. Und sie wurde in der Berliner Gesellschaft sehr bekannt."
Drei Jahre lebt das Botschafterpaar in der deutschen Hauptstadt. Hier wird ihr Sohn Prinz Raad geboren. Ein Enkel der beiden ist heute Hoher Kommissar für Menschenrechte bei den Vereinten Nationen. 1938 kehrt Fahrelnissa Zeid mit ihrer Familie in den Irak zurück. Zwei Beobachtungen verändern ihre Malerei vollkommen:
"Ein Schlüsselerlebnis ist ihr erster Flug, bei dem sie die Welt von oben erblickte. Dabei wurde die Perspektive ganz flach. Die zweite Erfahrung machte sie bei ihrem Aufenthalt in Bagdad, als sie durch das Fenstergitter Gruppen von Beduininnen sah, die aus der Ferne näherkamen mit Töpfen voll Joghurt auf ihren Köpfen. Da stellte sie sich die Frage, wie hält man das Licht, die Bewegung, die Farben fest. Ihre Antwort war, durch Tupfen von Farbe."

Malen in geometrischen Formen

Die Welt zersplittert wie die bunten Scherben eines Kaleidoskops. Schwarze Linien schlingen sich um die temperamentvollen Farbausbrüche. Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht die Künstlerin 1946 mit ihrem Mann nach London, wo sie sich in der irakischen Botschaft ein Atelier einrichtet. In dieser Zeit entsteht eins der wichtigsten Werke: "Fight against Abstraction". Da löst sich ein Gesicht in geometrische Formen auf, ein Arm in Ringe, ein Körper in Schuppen.
"In diesem Bild 'Fight against abstraction' kann man eine ganz klassische Modellierung der Hand erkennen, dann sieht man diese Rauten, die sich dicht in die Komposition hinein drängen und ihren Platz beanspruchen. Von da sehen wir, wie sie sich ganz schnell entwickelt zu einem Bild mit dem Titel: 'Gelöste Probleme aus dem Jahr 1948'. Da hat sie ihren eigenen Stil gefunden."
Fahrelinissa Zeid vergleicht ihre Kunst mit einem Vulkan, der Lava und Geröll herausschleudert. Diese Sprengkraft vermittelt sich körperlich in ihren Großformaten, die an die ekstatischen Pinseltänze von Jackson Pollock erinnern. In "My Hell" von 1951 trauert sie um den Verlust einer geliebten Person. Da katapultiert ein schwarzes Zentrum spitzige Farbpartikel über die fünf Meter breite Leinwand.

Inspiriert vom Flug einer Fliege

Eine ihrer Schülerinnen erinnert sich, wie Fahrelnissa Zeid in ihrem Atelier sitzt, über das Leben nachdenkt, und dabei eine Fliege beobachtet, die durch das Studio surrt. Sie versucht, die Bewegungen der Fliege zu verfolgen und daraus entstehen die Formen von "My Hell". Deshalb sehen wir jetzt dieses riesige Gemälde mit den winzigen geometrischen Details, die zu explodieren scheinen und uns hypnotisieren.
Sieben Jahre später wird bei einem Staatsstreich im Irak die ganze Familie ihres Mannes ermordet. Mit 57 Jahren bereitet sich Fahrelnissa Zeid zum ersten Mal in ihrem Leben das Essen selbst zu. Aus der Erfahrung entstehen kleine Skulpturen. Sie bemalt Knochen von Hühnern und Truthähnen und gießt sie in Kunstharz. Im Bewusstsein um die Endlichkeit des Lebens porträtiert sie Freunde, Verwandte, Lebende und Tote und sich selbst. Da erkennt sie in sich das Erbe von vier Zivilisationen: "Auf meinem Selbstporträt ist die Hand persisch", schreibt Fahrelnissa Zeid, "das Kleid byzantinisch, das Gesicht kretisch, die Augen orientalisch".

Die Retrospektive "Fahrelnissa Zeid" ist in der DB Kunsthalle bis zum 25. März 2017 zu sehen.

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