Ausstellung "Congo Stars" in Tübingen.

Populäre Malerei aus dem Kongo

05:27 Minuten
Im Hintergrund steht das Wort Congo aus Ziegeln gebaut vor einer Stadtkulisse. Im Vordergrund zeigen sich unterschiedliche Menschen in Arbeitskleidung und städtischer Nahverkehr.
Das Acrylgemälde "L'image d'un Congo prospère et d'espoir" des Künstlers SAPINart. © Sammlung Horvath Politischer Kunst / Foto: W. Horvath
Von Rudolf Schmitz · 10.03.2019
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Die Ausstellung "Congo Stars" in der Kunsthalle Tübingen zeigt 150 Werke von 70 kongolesischen Künstlern. Und Kunst im Kongo ist vor allem eins: ein bunter, viel diskutierter Kommentar zu politischen und gesellschaftlichen Debatten des Landes.
An dieser Musik kommt man nicht vorbei, sie dringt aus der Videoinstallation "Rumba Rules" von 2018, in der sich das ausgelassene Nachtleben von Kinshasa präsentiert. Immer wieder durchziehen zeitgenössische Video- und Fotoarbeiten die Schau der populären Malerei. Musiker jedenfalls gehören ohne Zweifel zu den Stars des Kongo. Sie sorgen für Stimmung und drücken das Lebensgefühl aus. Kuratorin Barbara Steiner:
"Also wir wollten vermeiden, dass man die Ausstellung als eine Leistungsschau der Demokratischen Republik Kongo sieht. Wir durchlaufen ja mehrere Phasen des Landes und auch Zeitschichten und auch Namensgebungen, denn in den Siebziger Jahren bis in die Neunziger, 97, hieß das Land ja auch Zaire. Das heißt, der Titel spielt zum einen auch an auf diese wechselvolle Geschichte und zum anderen ist es aber auch eine Anspielung auf die Stars und Helden der kongolesischen Gesellschaft."

Malerei als wichtiges Kommunikationsmittel

Pinsel, Leinwand, Malfarbe sind von Europäern - Missionaren, Ethnologen, Kunstliebhabern - in den Kongo gebracht worden. Nach der Unabhängigkeit im Jahr 1960 und den sofort einsetzenden postkolonialen Konflikten und Kämpfen um Ministerpräsident Lumumba wird die Malerei zum wichtigen Kommunikationsmittel. Barbara Steiner:
"Die Malereien haben tatsächlich eine Funktion, Gespräche auszulösen, Debatten, auch öffentlich. Also man spricht über diese Bilder. Und so sind sie auch gedacht, es gibt einen sehr bekannten Ethnologen, der hat diesen Terminus 'Konversationsstück' geprägt. Oder auch eine andere Bezeichung dafür wäre 'Radio Trottoir'. Alles was passiert, wird auch sofort in Bilder übersetzt."

Wie ein Comic

Kein Wunder, dass die populäre Malerei oft nach dem Prinzip des illustrativen Comics verfährt: Da mischt sich große Welt mit Klatsch und Tratsch, da werden die politischen Ereignisse im Wohnzimmer, in der Bar, auf der Straße verhandelt. Texte, Sprachfragmente durchziehen wie große Transparente die naturalistisch knallbunten Szenerien.
Mobutos größenwahnsinnige Weltraumpläne, korrupte Politiker, käufliche Liebe, Aids, Massaker der Warlords, Hungersnöte, der Kampf der Marktfrauen gegen Steuereintreiber – alles wird in moralisierenden oder sarkastischen Botschaften verhandelt.
Geselliges Beisammensein von Menschen in einer Bar.
Das Ölgemälde "Nganda Tika Muana" des Künstlers Moke.© Collection Lucien Bilinelli, Bruxelles/Milan
"Démon-Cratie" heißt ein eindrucksvoller Bildaufschrei von Chéri Cherin: Dämonen unterwandern die Demokratie. Bei den Wahlen hat der Teufel seine Hände im Spiel, politische Parteien, verkörpert durch verschiedene Tiere, laufen um die Wette, die UN liefert Hilfsgüter, im Hintergrund wird ein UN-Auto auseinander genommen und geplündert.

Die Ausstellung als Hybrid aus Info und Kunst

Das alles ist bunt, lebhaft, übermütig, grotesk, erschreckend oder amüsant. In seiner Fülle allerdings erzeugt es etwas nervige ästhetische Wiederholungseffekte. Eine Zeitleiste mit politisch-gesellschaftlichen Informationen will auch noch gelesen werden, sie macht die Ausstellung zu einem Hybrid aus Info und Kunst.
Irgendwann sehnt man sich nach einer anderen Kunstform als der populären Malerei. Und wird fündig. Eine Installation von Michèle Magema zeigt 81 Kautschukholz-Holztafeln, die Künstlerin hat die Grenzen der Demokratischen Republik Kongo zu ihren neun Nachbarländern in die Tafeln eingraviert.
Der Kautschukhandel des belgischen Königs Leopold II hatte unzählige Menschenleben gekostet. Für Michèle Magema symbolisieren die Kautschuktafeln deshalb die kolonialen Wunden ihres geschundenen Landes.
Michèle Magema: "Das ist wie Haut, und ich zeichne ja mit meiner Hand, meiner Energie, meinem Körper. Es ist eine Art Tätowierung und es thematisiert die Anwesenheit und Abwesenheit des Körpers."

Künstler tragen Verantwortung

Gut, dass solche Proben gegenwärtiger Konzept, Foto- und Videokunst diese überbordende Ausstellung populärer Malerei durchziehen. Sonst wäre man zweifellos im Erzähldelirium versunken.
Und wie interpretiert eine junge kongolesische Künstlerin wie Michèle Magema, die übrigens in Paris lebt, den vieldeutigen Titel der aktuellen Ausstellung "Congo Stars"?
"Die Sterne glänzen ja am Himmel. Und wir Künstler haben die Verantwortung, in die Zukunft zu gehen und Stellung zu beziehen. Und deshalb sind wir, bei aller Bescheidenheit, auch ein Teil dieses Starrummels."

Congo Stars
Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen
9. März bis 30. Juni 2019

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