Aus den Feuilltons

"Wohltuende Antischwurbeltherapie"

Die Lesebühne der Tage der deutschsprachigen Literatur 2014 in Klagenfurt
Die Lesebühne der Tage der deutschsprachigen Literatur 2014 in Klagenfurt © Tage der deutschsprachigen Literatur
Von Tobias Wenzel · 06.07.2014
Das Feuilleton schaut nach Klagenfurt und lässt den Bachmannpreis-Wettbewerb Revue passieren. Ansonsten erfahren wir von einem Film, in dem Luis Trenker die Tagebücher Eva Brauns fälscht.
"Das soll's gewesen sein?",
fragte sich Marc Reichwein, als er drei Tage lang den Wettlesern in Klagenfurt zugehört hatte.
Der Beitrag von Tex Rubinowitz, "Wir waren niemals hier", mit dem er den Bachmann-Preis gewann, sei allerdings "wohltuende Antischwurbeltherapie" gewesen, schreibt Reichwein in der WELT und fasst den Siegertext so zusammen:
"Die Geschichte eines melancholischen Slapstick-Junggesellen, der sich im Wien der Achtziger Jahre wegen einer Batterien lutschenden Litauerin zum Affen macht."
Ansonsten habe er, Reichwein, als Beobachter der Veranstaltung "so einiges aushalten" müssen, unter anderem "wiederkehrende Motive, zu denen in diesem Jahr überforderte Mütter und jede Menge Tiere gehörten", und Juroren, die Metaphern "auf ihre Stimmigkeit" hin untersuchten und Fragen stellten wie:
"Können Zebrastreifen unter bestimmen Blinklichtverhältnissen zu Tigermustern mutieren?"
Nur Kristina Maidt-Zinkel zog für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG das Fazit:
"Alles gut."
Der deutsche Schriftsteller Tex Rubinowitz, Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014, mit Blumenstrauß bei der Preisverleihung der 38. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.
Der deutsche Schriftsteller Tex Rubinowitz, Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014, mit Blumenstrauß bei der Preisverleihung der 38. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt.© picture alliance / dpa / Gert Eggenberger
Die Literaturkritiker der anderen Feuilletons waren dagegen durchweg entsetzt von dem Niveau des diesjährigen Klagenfurter Wettbewerbs. Roman Bucheli von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG wähnte sich in der "Zone des moderaten Mittelmaßes" und vermisste in den Texten "gesellschaftliche Themen" und "politische Fragen".
Sandra Kegel vergleicht in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Jahrgang der Autoren mit den "sauren Weinen von 2010" und seufzt, sie sei sich bei der Provinzialität der Lesungen wie in einem "Volkshochschulkurs für kreatives Schreiben" vorgekommen.
Politthriller über die Geschichte Israels
Schade, dass Frank Schätzing nicht in Klagenfurt gelesen hat, inkognito, mit Nasenbrille. Jedenfalls hätte er seine Zuhörer nicht durch Provinzialität gelangweilt. Sein aktueller Bestseller ist ein Politthriller über die Geschichte Israels. Im neuen SPIEGEL veröffentlicht Schätzing einen Essay anlässlich der drei im Westjordanland entführten und ermordeten israelischen Jugendlichen und erwähnt seine Sorge, die "Spirale der Vergeltung" könne sich nun weiterdrehen.
Schätzing beschreibt die Stimmung in Hebron, wo jüdische Siedler abgeschirmt von Arabern wohnen:
"Wo sie [die Araber] jetzt ihren Geschäften nachgehen, spannen sich Netze über den Wegen. Unrat hängt darin, stinkt, gammelt vor sich hin. Die Siedler werfen ihn aus ihren Häusern. Nicht aus Nachlässigkeit. Aus Schikane. Fäkalien sind da keine Seltenheit. [...] Mit immer neuen Demütigungen machen die Siedler ihren arabischen Nachbarn den Alltag zur Hölle und reden sich die Hölle als Himmelreich schön. Denn natürlich leben auch sie in der Hölle, eingepfercht zwischen Straßensperren, von aufgebrachten Muslimen beschossen, notdürftig geschützt durch Heerscharen bis an die Zähne bewaffneter, gleichwohl überforderter Soldaten."
Frank Schätzing befürchtet, die Palästinenser und Israelis würden am liebsten wieder den Verhandlungstisch verlassen, an den die Welt sie gedrängt habe:
"Die Angst vor einem Frieden, der mit Machtverlust einhergehen könnte, ist dann doch größer als die vor dem Gegner."
Schätzing fordert von den beiden Parteien: "Nicht wieder in die Ideologiefalle zu tappen."
Gefälschte Tagebücher von Eva Braun
Hans Holzhaider freut sich in der SZ über Ideologie. Allerdings im Film. Und außerdem komisch gebrochen.
"Der schmale Grad der Wahrheit" laute der Arbeitstitel eines Spielfilms von Regisseur Wolfgang Murnberger, der 2015 im Ersten zu sehen sei. Holzhaider durfte schon mal einen Blick ins Drehbuch werfen und ist merklich angetan.
Denn es geht um Luis Trenker, der vermutlich, im Film aber tatsächlich die Tagebücher von Eva Braun fälschte, um sie 1948 der Öffentlichkeit zu präsentieren. Darin berichtet die vermeintliche Eva Braun, wie Göring sie regelmäßig in den Hintern gekniffen habe, schreibt Holzhaider:
"Göring erzählt einen Witz über einen Juden, der nur einmal im Jahr badet, und Hitler schaut finster, weil er selbst eine Abneigung gegen Vollbäder hat."
Der Film greife das Badethema gleich in der ersten Szene auf:
"Man sieht von hinten einen Mann in der Wanne sitzen. Es ist Hitler. Eine dunkelblonde Frau kommt mit einem Krug und gießt Wasser in die Wanne. Hitler: 'Zu heiß, Eva!' Eva: 'Tschuldigung.'"
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