Aus den Feuilletons

Wie man die Wähler am Wählen hindert

04:16 Minuten
Anhänger von US-Präsident Donald Trump in New York
Wird eine "Trump Army" am Wahltag andere Amerikaner einschüchtern und bei ihrer Stimmabgabe behindern? In der "Süddeutschen Zeitung" wird den Anhängern des Präsidenten allerhand zugetraut. © picture alliance / dpa / Stringer / Sputnik
Von Tobias Wenzel · 01.11.2020
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Sind im Kampf um das Weiße Haus alle Mittel erlaubt? Ein beliebtes Instrument sei die bürokratische Wahlbehinderung, schreibt die „Süddeutsche“. Sie befürchtet, die Republikaner würden nun auch auf "eine brutale Politik der Straße hoffen".
"Wer ist eigentlich dieser Karl Lauterbach?", fragt Hans Zippert in seiner satirischen Kolumne für DIE WELT über den SPD-Politiker und Corona-Ratgeber: "Kürzlich saß er bei Maischberger, war zeitgleich bei Lanz und in einer Gesprächsrunde auf Phoenix zugeschaltet und nahm an einer weiteren noch per Twitter teil. Bei Plasberg wird er demnächst mit sich selbst reden und ist schon gespannt auf die Argumente seines Gegenübers."

Kaum Interesse am Büchnerpreis

Ob Karl Lauterbach einer der ungefähr 30 Gäste war, die am Samstag im Großen Saal des Staatstheaters Darmstadt, also vor Ort, die Verleihung des Büchnerpreises an die Dichterin Elke Erb verfolgt haben, verrät Andreas Platthaus in seinem Artikel für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG nicht. Nur dreißig Leute zu forcierten Coronazeiten, wo sonst rund tausend Gäste die Preisverleihung verfolgen, ist eigentlich schon traurig genug.
Aber es kommt noch trauriger. Denn wenigstens im Netz werden doch wohl hunderte, wenn nicht tausende zugesehen haben, hat sich wohl so manch einer gedacht. "79 Zuschauer war der Spitzenwert des Livestreams, kein Zehntel der Platzkapazität des Staatstheaters. Kulturlosigkeit ist also auch eine Frage der medialen Darreichung", folgerte Andreas Platthaus.

Theaterhäuser mit Spielbanken gleichgesetzt

"Tristesse oblige", Traurigkeit verpflichtet, schreibt Jan Brachmann mit Blick auf die 50 Besucher der Premiere von "Die Vögel" von Walter Braunfels in der Bayerischen Staatsoper, die rund 2100 Plätze hat. Patrick Bahners hat gar nur fünf Zuschauer in einer Bochumer Premiere gezählt. Die FAZ hat Bahners, Brachmann und andere ein letztes Mal vor der erneuten Schließung von Theatern und Opern Rezensionen schreiben lassen.
Simon Strauß schickt seiner Kritik einer Berliner Aufführung von "Maria Stuart" voraus: "Noch einmal dabei zuschauen, wie echte Menschen zu falschen Königinnen werden. In Berlin, am Deutschen Theater, dem Haus des Bühnenvereinsvorsitzenden. Des Mannes also, der nicht verhindern konnte, dass die Politik Theaterhäuser in einem Atemzug mit Spielbanken nennt."

Spielraum für Interpretationen

Als wenn das nicht schon genug der Trostlosigkeit im Feuilleton wäre, berichtet der in Princeton lehrende Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG auch noch über die "Unterdrückung von Wählern in den USA". Anhängern der Demokratie dürfte beim Lesen dieses Artikels ganz anders werden.
Die Republikaner würden sich gerade mit Hilfe von Anwälten darauf konzentrieren, "dass Stimmen für den demokratischen Gegenkandidaten Joe Biden nicht zählen". Unter anderem in Form einer "bürokratischen Wahlbehinderung", die durchaus rechtens sein könne. Denn, erläutert der Politikwissenschaftler, die "Väter der amerikanischen Verfassung versäumten es, so etwas wie ein Grundrecht auf Wahlbeteiligung zu verbriefen". Das schaffe Spielraum für Interpretationen. In der Vergangenheit hätten erst die Demokraten, dann die Republikaner versucht, Minderheiten das Wahlrecht abzusprechen.

Die "Trump Army" bereitet Sorge

Müller befürchtet, die Republikaner würden nun auch auf "eine brutale Politik der Straße hoffen". Bis 2018 waren zwar Einschüchterungen von Wählern verboten. Aber dann habe ein Gericht entschieden, das sei heute kein Problem mehr. Daraus folgert der Politikwissenschaftler für die jetzige Präsidentenwahl: "Neben allerlei rechtsextremen Milizen wird sich wohl auch eine 'Trump Army' als 'Wahlbeobachter' betätigen."
Nach all dem Horror zum Schluss noch ein Schuss Humor, wieder von Hans Zippert. "Die Fernsehstudios sind bis zum Rand gefüllt mit Lauterbachs Aerosolen", schreibt der Satiriker in der WELT über den SPD-Politiker: "Er ist der verzweifelt gesuchte Super-, ach was, der Megaspreader. Er ist das Virus. Ein sofortiger Lauterbach-Lockdown scheint daher unumgänglich."
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