Aus den Feuilletons

Wenn der Rasierer neue Klingen bestellt

Rasierklingen "Made in Germany" liegen zur Qualitätskontrolle bereit.
Rasierklingen "Made in Germany" liegen zur Qualitätskontrolle bereit. © picture alliance / dpa / Michael Reichel
Von Ulrike Timm · 25.04.2016
Technik kommuniziert zunehmend interaktiv und drängt den Menschen in den Hintergrund. Was das für unser Verhältnis zur Welt bedeutet, erklärt eindrucksvoll die "NZZ" - frei von den üblichen Weltuntergangsszenarien.
Hier werden Sie geholfen, hier werden sie nämlich geparkt. Am Düsseldorfer Flughafen ist das schon Wirklichkeit, hier rangiert ein Roboter die Autos im Parkhaus und stellt sie ihren Besitzern pünktlich wieder bereit. Weil Technik interaktiv miteinander kommuniziert, Mensch ist da gar nicht mehr nötig. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG erzählt vom "Flüstern der Dinge", von einer Welt, in der alles mit allem kommuniziert und wir nicht nur Arbeit an den Rechner delegieren, sondern zunehmend auch Entscheidungen.
"Solange mein Rasierapparat neue Klingen bestellt, wenn der Vorrat zur Neige geht, oder mein Smartphone mich darauf aufmerksam macht, wie ich am günstigsten nach London komme, ist das willkommen. Aber will ich, dass meine App es der Krankenkasse meldet, wenn ich mich zu wenig bewege?"
Das Angenehme an dem Artikel von Thomas Ribi ist, dass er kein Weltuntergangsszenario beschwört, so à la "Wir-wollen-nicht-ausgespäht-werden-aber-bitte-doch-alles-regeln-mit-diesem-praktischen-Smartphone", sondern dass er tatsächlich fragt: "Was heißt das für unser Verhältnis zur Welt?"

"Realität anders definieren"

"Wir müssen den Begriff der Realität anders definieren", fordert etwa der Oxforder Informationsphilosoph Luciano Floridi. Er sieht die Lebenswelt der Zukunft als ein "Onlife", in dem alles mit allem interagiert.
Vorläufiges Fazit:
"Das erleichtert unser Leben und verspricht ein gewaltiges Geschäft. Nur: unbedenklich ist das Ganze nicht."
Gut, das wussten wir vielleicht schon. Konnten es aber selten so klar und gut erklärt nachlesen wie jetzt in der NZZ.

Sogar Obama wollte Jon Snow am Leben sehen

Ob solche Mutmaßungen über die Zukunft helfen, wenn es um den Fantasy-Helden Jon Snow geht, das können wir leider nicht sagen. "Sei bitte nicht tot", fleht die BERLINER ZEITUNG, und "Was heißt es, bei 'Game of Thrones' tot zu sein?", fragt die WELT.
Es geht um den Helden der Fantasy-Serie, der vor zehn Monaten, am Ende der letzten Staffel, abgemurkst wurde. Jetzt geht die Serie weiter, aber was ist mit Jon Snow? Mindestens acht Millionen Zuschauer weltweit rätseln... Und auch wenn eine Handvoll Studenten mittels Algorithmus errechnet haben will, dass es für Jon Snow auch weiter geht bzw. verdammt noch mal weitergehen muss, weil er doch so viele Fans hat – die Feuilletons sehen eher schwarz für ihn.
Die Fans, so viel steht fest, haben schwer gekämpft für ihren Helden aus Game of Thrones, schreibt die BERLINER ZEITUNG:
"Dutzende Petitionen, Tausende wütender Protestbriefe und gefühlte Millionen Kommentare, sogar von Serienboykott war die Rede. Ja selbst Barack Obama, Serien-Fan und nebenbei Präsident der Vereinigten Staaten, wollte Jon Snow am Leben sehen."

Panikpräsidialer Plural

Ganz im realen Hier und Jetzt singt Udo Lindenberg "Einer muss den Job ja machen". In der WELT lesen wir über das neue Album des Altrockers, dass er einmal mehr aufsteigt wie "Phönix aus der Flasche".
"In seinen Liedern schläft ein Wir, auch wenn er über sich als Ich, Du oder Er singt. Es könnte sein panikpräsidialer Plural sein", schreibt Michael Pilz, und zum panikpräsidialen Plural kann man nur kollegial Chapeau sagen!
Respektvoll notiert die WELT über Udo Lindenbergs neue späte Lieder: "Dabei leisten wir ihnen gern Gesellschaft. Es liegt am Ton, der heiserer geworden ist, so wie der Mensch hinter der Stimme alt ist, ohne nicht mehr jung zu sein." Klingt ein bisschen wie ein Abgesang. Aber "keine Panik, wir sind alle da".
Mehr zum Thema