Aus den Feuilletons

"Verändern wird der Fall Achenbach nichts"

Kunstberater Helge Achenbach steht am 16.03.2015 vor Prozessbeginn im Landgericht in Essen (Nordrhein-Westfalen) zwischen seinen Anwälten Markus Adick (l) und Thomas Elsner (r).
Im Prozess um den Kunstberater Helge Achenbach - hier zwischen seinen Anwälten - zitiert die "FAZ" den Richter: "Superreiche sind kein Freiwild". © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Von Ulrike Timm · 16.03.2015
Einer der bedeutendsten Strippenzieher und Netzwerker des Kunstmarktes, Helge Achenbach, muss für sechs Jahre hinter Gitter. Der Richter ließ sich von einer steilen These des Verteidigers nicht beeindrucken, berichtet die "FAZ".
Ein Stinkefinger sorgt derzeit für Aufregung, gereckt von Griechenlands impulsivem, konfliktfreudigem, dabei nicht sonderlich zahlenfestem Finanzminister. Dirk Schümer treibt anderes um. Er sorgt sich in der WELT um das „Jahrtausendprojekt der europäischen Einigung“, das an „schwelenden Nationalismen und der Scheu vor Konfliktlösung“ kaputtzugehen droht – und bringt das Kunststück fertig, in knapp vier Zeitungsspalten einmal quer durch die politische Kulturgeschichte Europas zu spazieren. Durch die sich das Wurschteln zuverlässig als roter Faden hindurchzieht:
„Gab es keine Stabsabteilung in der Bundesbank, die die Athener Bilanzfälschung durchschauen konnte? Was haben die Diplomaten in der deutschen Botschaft zu Athen denn während der Bürozeiten getrieben, wenn augenscheinlich keine Berichte über den komplett unsoliden Kassenpartner Hellas in Berlin ankamen? Oder sollte die griechische Lüge im bewährt opaken Sumpf des europäischen Hinterzimmerkompromisses besser unterm Tisch verschwinden?“
Solche Fragen lesen wir in der WELT, sie entschuldigen das hallodrihafte griechische Finanzgebaren kein bisschen, machen aber deutlich: Wo einer ist, der tut, sind viele, die tun lassen …
Einer der bedeutendsten Strippenzieher und Netzwerker des Kunstmarktes, Helge Achenbach, glaubte, die ultimative Methode zum Geldverdienen gefunden zu haben: ein bisschen an der Rechnung herumgepusselt oder ab unter den Kopierer und aus Dollar Euro gemacht – als Achenbach den Milliardär und Aldi-Erben Berthold Albrecht um Millionen prellte, war der Euro noch was wert! Jetzt muss Achenbach sechs Jahre ins Gefängnis, der Richter ließ sich nicht beeindrucken von der steilen These des Verteidigers, die da hieß: „Wo Kunst und Geld zusammentreffen, gelten etwas andere Spielregeln.“Das zitiert die FAZ, ebenso den Richter, „Superreiche sind kein Freiwild". Die WELT bleibt trotzdem pessimistisch, dass das Urteil den „zunehmend um den Verstand deregulierten Kunstmarkt zügeln“kann.
„Verändern wird der Fall Achenbach nichts. Man kann eine allgemeine Gewöhnung an die Skandale des Kunstmarkts beobachten.“
Zu viel Twitter
Viel Geld eingesetzt, viel Geld versenkt und viel Geld nachgeschossen hat der kanadische Zeitschriftenmacher Tyler Brulé, "Monocle" heißt sein liebstes Kind, seit einigen Jahren versucht er, das Magazin, das bislang kaum einer kennt, zur Marke von Welt zu machen. In der FAZ kommt Brulé in einem langen Interview zu Wort. Zu wenig Investition in gute Kolumnisten und zu viel Twitter diagnostiziert der Medienmann als Schwächen seiner Branche, sein Fazit:
„Wenn Verlagsmanager älter werden, kriegen sie das Sportwagen-Syndrom…Sie wollen jung sein. Deshalb gehen sie ins Internet. „Schau mal, ich bin jetzt bei Twitter“, sagen sie dann und nutzen ihre 18 Jahre alten Enkel als Leitstimme für Geschäftsentscheidungen.“
Burn it!
Viel Geld wird fließen müssen für einen Konzertsaal in München, ob entkernt und umgebaut oder umgestoßen und neu erschaffen. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erklärt der Akustiker Karlheinz Müller den Gasteig. Der Mann muss salomonisch reden, hat er doch 40 Jahre lang für ein Ingenieurbüro gearbeitet, das am Bau des Gasteigs beteiligt war.
„Gemessen an der gewaltigen Dimension des Münchner Saals ist die Akustik sehr gut“,
soheißt es. Was für ein Satz! Ist es doch vor allem eben die gewaltige Dimension von Podium wie Saal, die das akustische Fiasko verursacht! Schwierigkeiten gibt es, weil,
„das gegenseitige Hören für die Musiker schwach ausgeprägt ist“.
Schwach ausgeprägt, das nun muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Denn das gegenseitige Hören und Zuhören von Musikern untereinander ist nun mal die Grundlage von Musik und die Voraussetzung dafür, dass das Publikum etwas anderes serviert bekommt als ein akustisches „vom Winde verweht“. „Klang und breit“ ist der Artikel in der SÜDDEUTSCHEN überschrieben, und die vielen aufgezeigten Veränderungsmöglichkeiten klingen mehr nach Puzzle als nach Vertrauen in eine gute Lösung. Der kürzeste, knappste, legendäre Kommentar zum Gasteig stammt immer noch vom Dirigentenunikum Leonard Bernstein, der ihn kurz nach der Einweihung in den 1980ern ausprobierte: Burn it!
Aber das ist wohl etwas gewalttätig, und so schauen wir noch ganz kurz auf eine andere Seite der SÜDDEUTSCHEN, wo Konrad Bayers Buch "der kopf des vitus bering" vorgestellt wird. Der Autor schleust seine Figuren in Sätze, die einen Hang zum Exzessiven haben“, meint Nico Bleutge, und landet mit der Überschrift zum Artikel dortselbst. Staunend lesen wir: „Sehr erfrischend, so ein Fallbeil“.
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