Aus den Feuilletons

Über die positive Kraft des negativen Denkens

Michel Houellebecq in einer Szene des Films "To Stay Alive - A Method" von Erik Lieshout, 2016
Den französischen Schriftsteller Michel Houellebecq kann man schwerlich zur Riege der Optimisten zählen. © Erik Lieshout, Contactfilm, Arnhem
Von Adelheid Wedel · 06.11.2018
Ziehen wir wirklich das Positive dem Negativen vor, wie in der "NZZ" zu lesen ist? Oder beweist nicht gerade Michel Houellebecqs Erfolg das Gegenteil? Ausgerechnet bei der Überreichung des Owald-Spengler-Preises an ihn gab er sich überraschend optimistisch.
"Die positive Kraft des negativen Denkens" ist Thema für Reinhard K. Sprenger in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Der Philosoph meint: "Wir sind unverbesserliche Weltverbesserer" und fragt: "Wo bleiben die mutigen Nein-Sager?"
Sprenger stellt fest:
"Das Positive erfreut sich in unserer Gesellschaft ungebrochener Wertschätzung, jedenfalls tun alle so, als ob. Wir bekennen, die Ja-Sager mehr als die Nein-Sager zu mögen. Vor allem das Denken soll immer und überall positiv sein."
Alles richtig, aber ist das gut so? Sprenger streut Sand ins Getriebe:
"Wäre es nicht Zeit, sich über einen negativen Befund zu freuen? Haben wir das verlernt? Ich meine einen Befund, der befreit und erleichtert".
Man könnte "dies die positive Kraft des negativen Denkens nennen". Der Autor meint: Es sind die Helden des Negativen, die dafür sorgen, dass nichts Entscheidendes geschieht.
"Sie retten die Energielosigkeit. Ein anderes Wort für Frieden."

Oswald-Spengler-Preis für Michel Houellebecq

Energielosigkeit ist dem französischen Schriftsteller Michel Houellebecq nicht anzulasten, im Gegenteil. Jetzt wurde ihm in Brüssel der erste Oswald-Spengler-Preis überreicht. Davon berichtet Axel Rüth in der Tageszeitung DIE WELT. Wir erfahren: "Ungewöhnlich gepflegt und seriös" erschien das französische Enfant terrible. Mit Spannung wurde erwartet, wie Houellebecq sich selbst im Verhältnis zu Spenglers Untergangsmatrix positioniert. Rüth schreibt:
"Er gab sich überraschend optimistisch. Und bewies subtilen Humor. Wenn man in 100 Jahren einmal über ihn sagen sollte, man könne in seinen Romanen etwas über den Niedergang des Westens um die Jahrtausendwende lernen, dann nehme er dieses Kompliment gerne heute an."

Franz-Werfel-Preis für Michael Wolffsohn

Ebenfalls in der WELT ist von einer anderen Preisverleihung die Rede. Die Zeitung druckt Michael Wolffsohns Dankesrede für den Franz-Werfel-Preis. Wolffsohn sieht die Menschenrechte in der Defensive und fragt: "Wie glaubwürdig ist unsere Menschenrechtspolitik?" Eines seiner Beispiele:

"Trotz ihrer offenkundigen Mängel gelten die Vereinten Nationen hierzulande als 'Garant des Völkerrechts'. Wie glaubwürdig ist dieser 'Garant', dessen Mehrheit aus nicht-demokratischen Staaten besteht, wo Menschenrechte, wenn überhaupt, auf geduldigem Papier stehen? Eigentlich habe nicht ich den Franz-Werfel-Menschenrechtspreis verdient, sondern diejenigen unter den Millionen Deutschen, die in der Zeit der NS-Megaverbrechen individuell unschuldig blieben, kollektiv vertrieben, trotzdem keine Revisionisten wurden und mit sich und anderen sowohl den äußeren als auch inneren Frieden schlossen."

Johan Simons' Einstand im Schauspielhaus Bochum

Johan Simons gab seinen Einstand als Intendant am Schauspielhaus in Bochum mit Feuchtwangers "Jüdin von Toledo" und einem Bekenntnis zu Toleranz, erfahren wir aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Dieser Einstand sei programmatisch zu bewerten, meint Bernd Noack. Und:
"In den Glaubenskämpfen im Spanien des 12. Jahrhunderts entdeckt der Regisseur die klarsten Parallelen zur Gegenwart. Simons selber stellt überrascht fest, wie wenig sich geändert hat im Umgang von Andersdenkenden untereinander."

Die Geschichte eines Hauses

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG berichtet unter der Überschrift "Die Chronik der Heilgeiststraße" von einer Geschichte mit gutem Ausgang. Das Ehepaar Fechner rettete ein Haus von 1700 in Stralsund. Sie kauften das Bürgerhaus und ließen es sanieren. Gleichzeitig forschten sie nach den Vorbesitzern und fanden sie in den USA, in Amsterdam, in London und Rostock.
Viele von ihnen hatten sich geschworen, nie wieder deutschen Boden zu betreten, nachdem mehrere Familienmitglieder in den Lagern in Auschwitz, Sobibor und Bergen Belsen gequält oder ermordet wurden. Fechners Familienforschung führte sieben oder acht Parteien der Familie Blach zueinander, die vorher nichts voneinander wussten. Befreit geben sie zu Protokoll:
"Wir haben inzwischen viel geweint miteinander, aber auch unerwartet viel gelacht."
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