Aus den Feuilletons

Star Wars und der gesteigerte Superlativ

Ein verkleideter Fan posiert zur Star-Wars-Premiere in Berlin am roten Teppich.
Ein verkleideter Fan posiert zur Star-Wars-Premiere in Berlin am roten Teppich. © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Hans von Trotha · 16.12.2015
Star Wars sei das "erfolgreichste Franchise aller Zeiten", schreibt die "Welt". Warum der im Feuilleton so beliebte und von den Nazis erfundene Superlativ-Zusatz "aller Zeiten" vermieden werden sollte, erklärt uns Hans von Trotha.
Auch den Blick in die Feuilletons muss man sich mit der Titelmelodie von Star Wars unterlegt vorstellen. Andere Themen haben es da schwer, sei es die Urheberrechtsnovelle, die Detlef Falken in der ZEIT mit der bitteren Bemerkung kommentiert: "Die deutschen Verlage ..., die ohne ... Förderung Jahr für Jahr eine der reichsten und vielfältigsten Buchproduktionen der Welt hervorbringen, scheinen nicht erhaltenswert zu sein."
Oder die Meldung, die Frank Zöllner, ebenfalls in der ZEIT, kolportiert, dass die Mona Lisa nicht die Mona Lisa ist: Unter dem bekanntesten Frauenbildnis der Welt verberge sich ein anderes Porträt: Mit der Endfassung sei "eine ganz andere Person gemeint gewesen". Mit anderen Worten: Aus der Mona Lisa würde das Bildnis einer Unbekannten.
Als hätten sie geahnt, mit wem sie konkurrieren, legen sich die Autoren mit Superlativen ordentlich ins Zeug. Womit wir beim heimlichsten Thema der Star-Wars-Kritik und dabei auch gleich beim vielleicht häufigsten Sprachfehler des deutschen Feuilletons wären. Beide entspringen dem Drang zum gesteigerten Superlativ. So ist Star Wars bei Jan Küveler in der WELT das "erfolgreichste Franchise aller Zeiten" und bei David Steinitz in der SÜDDEUTSCHEN "das perfekteste Kulturgeschichts-Mashup aller Zeiten". Aller Zeiten?
Kurz-Hommage an Harrison Ford
Die "längste und erfolgreichste Saga der Kinogeschichte" ist für Katja Nikodemus in der ZEIT Anlass für eine Kurz-Hommage an Harrison Ford: "Fords Haare sind grau geworden, unter dem Hemd spannt sich ein sympathisches Bäuchlein, und seine Dialogzeilen ... sagt er immer noch so lieblos auf wie im ersten Star-Wars-Film von George Lucas ('Diese Scheiße kann man vielleicht schreiben, aber nicht sprechen, George!'). Aber er ist ganz da. ... Durch eine Szene, in der Han Solo und Leia, beide im Großelternalter, einen Moment lang über ihre offenbar explosiv auseinandergegangene Beziehung witzeln, wird Star Wars auch auf der Leinwand zu dem, was es im Orbit der Popkultur längst ist: ein Generationenprojekt."
Jenni Zylka bemerkt in der TAZ, dass die "Vorverkäufe allein bereits genug Geld generierten, um die Kosten für den Bau eines echten Todessterns zu decken". Sie sieht den Film als "ein puritanisch-protestantisch-prachtvoll unterhaltendes State-of-the-Art- Spektakel, das die unendlichen Weiten des Weltraums (man möge das "Star Trek"-Zitat verzeihen) ganz schön eng absteckt".
Zitate sind neben Superlativen das Wichtigste, scheint's. "Krieg der Zitate" heißt Susanne Oswalds NZZ-Kritik. Oswald spricht von "selbstreferenzieller Ironie ..., dass die Hauptfigur ... eine Schrottsammlerin ist". Denn: "Eine Koryphäe auf dem Gebiet der Wiederverwertung ist auch der amerikanische Regisseur J. J. Abrams. Das Genialisch-Epigonale liegt ihm in den Genen. ... Jetzt hat er sich an die womöglich grösste aller Kino-Sagas herangewagt."
Wenn der Nürnberger Reichsparteitag verblasst
Und weiter geht's im Superlativ. In der SÜDDEUTSCHEN bejaht David Steinitz die Frage: "Kann man den größten Mythos der Filmgeschichte zu neuem Leben erwecken?" und bemerkt: "Der neue Droide BB-8 ... ist eher noch putziger als R2-D2. Die Sternenzerstörer posen finster am Himmel. Die Bösen halten ihre Reden noch nazimäßiger, sodass der Nürnberger Reichsparteitag dagegen verblasst."
Apropos. Dass der im Feuilleton so beliebte Superlativ-Zusatz "aller Zeiten" eine Erfindung der Nazis ist (Stichwort: "Größter Führer aller Zeiten"), wäre der eine Grund, vorsichtiger mit ihm umzugehen. Der andere ist der, dass die Nazi-Ideologen das sprachlich genau genommen und wörtlich gemeint haben, im Sinne von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, nicht einfach von "bisher". Vor diesem Hintergrund ist Dietmar Daths Bemerkung in der FAZ besonders spannend:
"Wer (George) Lucas für einen reinen Bastler und Trickser hielte, würde ihn sträflich unterschätzen – zumindest eine Erkenntnis nämlich hatte er nicht zuletzt der meisten Literatur- und Filmkritik voraus, die immer noch glaubt, Science-Fiction handele 'von der Zukunft' ... Denn auch wenn Science-Fiction gewohnheitsmäßig nach Zukunft riecht und von Zukunft flunkert, geht es darum nicht – sie handelt von Geschichte überhaupt, aber eben unter Absehung von sämtlicher Geschichte, die je stattgefunden hat ... . Das Ergebnis", findet Dath übrigens, "kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen – auch wenn 'The Empire Strikes Back' immer noch der beste 'Star Wars'-Film ist", wie er findet, "bis jetzt jedenfalls".
Und eben nicht "aller Zeiten".
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