Aus den Feuilletons

Spielplan des "Skandalprojekts" steht

Konzertgebäude der Elbphilharmonie ist in Hamburg
Endlich fertig gebaut: die Elbphilharmonie in Hamburg. © dpa/ picture-alliance/ Markus Scholz
Von Arno Orzessek · 11.04.2016
Die "Einstürzenden Neubauten" spielen zur Eröffnung der Hamburger Elbphilharmonie. "Vor zwei Wochen hätte man es für einen Aprilscherz gehalten", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Wegen des Namens, "den man sofort auf die Krawallgeschichte des Skandalprojekts bezieht".
Sprechen wir zunächst über die Fallstricke der deutschen Sprache… Obwohl der Sender, den Sie gerade hören, liebe Hörer - dieser Leuchtturm und Schalltrichter gehobensten Hochdeutsches - über dergleichen Stricke natürlich niemals stolpert. Anders die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.
Die titelt: "Geniale Dilletanten" - "Dilletanten" mit zwei l, aber nur einem t in der Mittelposition. Als sei das Wort vom Grünzeug Dill abgeleitet, also praktisch Dill-Tanten plus e. Ja, geht’s denn noch? - Tja… Da der SZ-Autor Till Briegleb unter dem orthografisch problembehafteten Titel das Eröffnungsprogramm der Hamburger Elbphilharmonie vorstellt, deren Errichtung bekanntlich von einem größeren Quantum Dilettantismus gekennzeichnet war, ist und bleibt, verstehen wir das Doppel-l in "Geniale Dilletanten" als vergnügt-missvergnügte Anspielung.
Nun drängt sich die Frage auf, wie viele Neuankömmlinge in unserem Land recht bald ein solches Sprachspiel korrekt zu entziffern gelernt haben werden, nicht unbedingt auf… Erlaubt uns aber, flüssig zu dem Artikel "Deutsches Simpelsprech" in der Tageszeitung DIE WELT überzuleiten.

"Eine neue Kanak-Sprache ist wahrscheinlich."

Dirk Schümer verbeugt sich einerseits vor den "Unmengen von Dialekten", die uns mit den Flüchtlingen erreichen, bedenkt andererseits, dass viele dieser Menschen niemals schreiben und lesen gelernt haben und zieht daraus für das zukünftige Deutsch den Schluss: "Eine neue Kanak-Sprache ist wahrscheinlich."
"Das kann - wie das 'Kanaksprak' vieler junger Deutschtürken - durchaus kreativ und exotisch klingen, löst aber keine der deutschen Sprachprobleme im Prozess der Globalisierung. Von den ehrgeizigen Schlussfolgerungen der Pisa-Studie, nach der exzellent ausgebildete Schüler bei uns neben Deutsch fließend Englisch und am besten auch noch Spanisch oder gleich etwa Chinesisch sprechen sollten, müssen wir uns verabschieden. Was uns erwartet, ist keine Sprachenvielfalt, sondern weniger Schriftlichkeit, geringerer Wortschatz und mehr linguistische Einfalt für alle", prophezeit der nicht allzu gut gelaunte WELT-Autor Schümer.

Herbert Grönemeyer zum Sechzigsten

Um die Stimmung wieder zu heben, wenden wir uns Gratulations-Artikeln zu. "Er ist doch vor allem ein Schmusesänger: Herbert Grönemeyer zum Sechzigsten", heißt es in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. Und zwar in einem Artikel von Jan Wiele, der die zitierte Alters-Angabe am Ende wieder kassiert: "Was, Herbert Grönemeyer wird heute schon sechzig? Ach komm, hör mich auf."
Das wiederum halte niemand für notgeborenes deutsches Simpelsprech, handelt es sich doch um astreines straßenstaubiges Ruhrgebietsdeutsch. Im Berliner TAGESSPIEGEL drückt der Rockmusiker Michael Rother, der seit 1999 mit Grönemeyer arbeitet, eine unbestreitbare Wahrheit aus:
"Über den Sänger Grönemeyer wird gerne gespottet. Er verschlucke die Vokale, raunze und raune herum, könne gar nicht singen. Das kann man natürlich sagen. So wie: Michael Rother kann nicht Gitarre spielen. Aber aufs Virtuosentum kommt es nicht an. Viel wichtiger ist: Grönemeyer hat seinen eigenen Stil. Ein paar Töne genügen, um seine Stimme zu erkennen. Als Künstler eindeutig in seiner Handschrift erkennbar zu sein, ist höher zu bewerten, als wenn einer lupenrein die Tonleitern singen kann."
Einerseits: Nett, was Rother da im TAGESSPIEGEL schreibt. Andererseits: Poptheoretisch so richtig grundelementar durchdacht klingt es nicht. Aber egal, die Überschrift des Artikels lautet: "Herz auf der Zunge".
Und nun, nach all den läppischen Sprachspielchen, stehen wir vor einem Problem: Unsere Zeit ist um, der Stapel mit lesenswerten Artikeln aber noch dick. Lesen Sie auf jeden Fall Jürgen Kaubes Post-Panama-Papers-Reflexion "Darf man jetzt nicht mehr moralisieren?" in der FAZ - man darf nämlich durchaus, meint Kaube.
Und lassen Sie sich das Interview "Ich mag das Junkiehafte an Wölfen" mit Nicolette Krebitz in der WELT nicht entgehen. Krebitz behauptet: "Eigentlich entspricht der Wolf, so wie er ist, doch dem weiblichen Idealbild der Frau."
Was Sie indessen in puncto Tierliebe auf jeden Fall vermeiden sollten, steht in einer Überschrift der TAGESZEITUNG - nämlich: "Lebendig verbrennen für einen Hund."
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